Im internationalen Vergleich zählt Deutschland eher zu den kleinen Weinländern. Und doch fehlt es in den 13 Anbaugebieten für Qualitätswein nicht an herausragenden Weinen, die in der ganzen Welt geschätzt werden, an weithin gerühmten Lagen und herausragenden Winzerpersönlichkeiten. Klein, aber fein heißt daher die Devise.
Gleichzeitig ist das Weinland Deutschland so groß, dass es nahezu unmöglich erscheint, alles Wissenswerte und Interessante in einem Beitrag zusammenzufassen. Zudem gibt es bereits zahlreiche Magazinartikel, die sich mit mehr Blick für das Detail einzelner Regionen und Rebsorten annehmen. Daher möchte ich mich an dieser Stelle darauf beschränken, einen groben Überblick zu geben und nur die wichtigsten Hintergrundinformationen vorzutragen.
Weißweinland Deutschland
Rund zwei Drittel der in Deutschland erzeugten Weine sind Weißweine. Klassische Nummer 1 der weißen Rebsorten und zugleich das internationale Aushängeschild deutscher Weißweine ist der Riesling. Er ist die deutsche Rebe schlechthin. Noch bis in die 1990er Jahre hinein fand sich jedoch der Müller-Thurgau oder Rivaner am meisten in den Weinbergen. Seitdem gehen die Rivaner-Bestände deutlich zurück. Dagegen verzeichnen Grauburgunder und Weißburgunder bereits seit gut 20 Jahren deutliche Zuwächse. Geht es um deutsche Rebsorten, sind unbedingt noch Silvaner und Scheurebe zu erwähnen. Mehr über das Thema Weißwein gibt es beim Weinpodcast – Bei Anruf Wein zu hören
Rotweinland Deutschland
Auf gut zehn Prozent der deutschen Rebflächen steht Spätburgunder, der damit das Ranking der roten Rebsorten klar anführt. Auch anzumerken, deutsche Spätburgunder oder Pinot Noir halten durchaus mit den Vorbildern aus dem großen Burgund mit und genießen international hohes Ansehen. Auf den nächsten Plätzen folgen Dornfelder, der in Rheinhessen und der Pfalz beliebt ist, sowie Portugieser, Trollinger und Lemberger, die insbesondere in Württemberg eine große Rolle spielen.
Deutschlands Weinbaugebiete
Kein Grund, abergläubisch zu werden, doch es sind genau 13 Anbaugebiete, die sich auf Deutschland verteilen. Die Größe der Anbaufläche unterliegt dabei von Jahr zu Jahr leichten Schwankungen, doch um sich eine Zahl einfach zu merken: Rund 100.000 Hektar Rebfläche finden sich über die Anbaugebiete verteilt – und zwar sehr unterschiedlich. Allein die Top 3 Regionen Rheinhessen, Pfalz und Baden machen rund zwei Drittel der Anbaufläche aus. Dagegen weisen die kleineren Regionen wie die Ahr, Sachsen, Mittelrhein und die Hessische Bergstraße jeweils weniger als 500 Hektar Rebfläche auf. Wer in die statistischen Details gehen möchte, findet im Beitrag „Weinstatistik Deutschland – Kein trockenes Thema“ mehr Zahlenfutter.
Rheinhessen: die Nr. 1 am Rhein
Obgleich das „Hessen“ im Namen steckt, liegt das Anbaugebiet Rheinhessen komplett im Bundesland Rheinland-Pfalz und damit auf der linken Rheinseite. Etwa ein Viertel der bundesweiten Anbaufläche finden sich hier, wo die weißen Rebsorten klar im Fokus liegen. Der Riesling an erster Stelle, aber auch Rivaner/Müller-Thurgau und Silvaner spielen hier eine wichtige Rolle. In den vergangenen Jahren gewinnen zudem Grau- und Weißburgunder an Stellenwert, hingegen der Rivaner/Müller-Thurgau zunehmend und im eigentlichen Sinne an Boden verliert. Nur knapp jeder dritte Wein aus Rheinhessen ist ein Rotwein. Bekannt sind vor allen Dingen die Spätburgunder der Region. Was jedoch viele vergessen, bislang ist es der Dornfelder, der den Titel der meist angebauten roten Rebsorte Rheinhessens beanspruchen kann.
Das im Vergleich zu Baden oder der Pfalz kühlere Klima sehen die Rheinhessen als klaren Standortvorteil. In Kombination mit den Böden in Rheinhessen – vorwiegend Löss, Lehm- und Mergelverbindungen – bringt dieses „cool climate“ klare, präzise Weine mit überzeugender Frische hervor.
Pfalz: Savoir vivre auf Deutsch
Südwestlich von Rheinhessen schließt sich mit der Pfalz das zweitgrößte Anbaugebiet Deutschlands an. Ordentlich deutsch unterteilt sich die Region in zwei Bereiche: im Norden der Bereich Mittelhaardt /Deutsche Weinstraße sowie die selbstredende südliche Weinstraße. Die Pfalz steht für eine französisch inspirierte Lebensfreude und tatsächlich mutet die Vegetation mitunter sogar mediterran an. Mandelbäume und Feigen im Innenhof – in der Pfalz keine Seltenheit.
Bei den Rebsorten geht es jedoch erst einmal recht deutsch zu: Der Riesling ist die meist angebaute Rebe der Pfalz. Bei den weißen Trauben folgen alsbald der Grauburgunder, der in Deutschland historisch betrachtet als erstes hier eine neue Heimat fand, sowie der inzwischen weniger geschätzte Müller-Thurgau oder Rivaner. Auch in diesem Anbaugebiet sind jedoch der Grauburgunder und sein Verwandter, der Weißburgunder klar auf dem Vormarsch. Auch Sauvignon Blanc spielt eine immer größere Rolle. Bei den roten Rebsorten sorgen die Spätburgunder mittlerweile für das Pfälzer Renommee, doch noch häufiger findet sich der Dornfelder in den Weinbergen der Pfalz.
Mosel: steil, Schiefer, am steilsten
An der Mosel ist der Riesling das Maß aller Dinge. Er gibt dem Anbaugebiet das Profil, das bis in den letzten Weinweltwinkel abstrahlt. Mosel, Riesling, Schieferböden unterschiedlicher Zusammensetzung und absolute Steillagen, eine jahrhundertealte Weinkultur und die Exklusivität des Kleinen, Seltenen – die Mosel steht einfach für sich und ist international wegen ihres herausragenden Rieslings hochgeschätzt.
Baden: nicht nur von der Sonne verwöhnt
So mancher erinnert sich noch an den Slogan, mit dem das Anbaugebiet jahrelang für seine Weine geworben hat. Die viele Sonne als besonderes Merkmal der Region hat in den Zeiten des Klimawandels deutlich an Glanz verloren. Dabei kann das drittgrößte Anbaugebiet, zudem das südlichste und vielleicht „französischste“ mit noch ganz anderen Tugenden punkten. Dies sind vor allem die mineralisch geprägten Böden, oftmals vulkanischen Ursprungs wie beispielsweise rund um den Kaiserstuhl. Warmes Klima und die besonderen Böden haben unmittelbar Einfluss auf die Rebsorten, die im Anbaugebiet Baden anzutreffen sind. So taucht die deutsche Paraderebsorte schlechthin, der Riesling, in Baden nur unter ferner liefen auf.
Klare Nr. 1 in Baden ist nämlich mit dem Spätburgunder eine rote Rebsorte. Nicht selbstverständlich im Weißweinland Deutschland. Doch die rote Burgunderrebsorte fühlt sich in der Region – wie übrigens auch seine weißen Brüder – ausgesprochen wohl und bringt hochklassige Weine hervor. Noch wiegt das Müller-Thurgau sprich Rivaner-Erbe in Baden schwer, doch der Siegeszug von Grauburgunder und Weißburgunder in den vergangenen Jahren lässt keine Zweifel, dass der Grauburgunder in absehbarer Zeit den Rivaner als weiße Nummer 1 in Baden ablösen wird. Über die besondere Geschichte des Grauburgunders in Baden und der Pfalz plaudern übrigens Tobias, der Weinlakai, und mein Kollege Michael ganz kenntnisreich in ihrem Podcast „Bei Anruf Wein“.
Württemberg: rote local heroes
Rund zehn Prozent der deutschen Anbaufläche entfallen auf das Anbaugebiet im Südwesten. Und obgleich die meistangebaute Rebsorte der Riesling ist, befindet sich das Anbaugebiet Württemberg fest in roter Hand. Trollinger (Vernatsch) und Lemberger (Blaufränkisch), aber auch Schwarzriesling (Pinot Meunier) und Spätburgunder (Pinot Noir) heißen die Local Heroes in Württemberg.
Franken: Heimat des Silvaners
Ein Bocksbeutel ist ein Bocksbeutel ist ein Bocksbeutel. Die Franken leisten sich ihre eigene, unverwechselbare Flaschenform, um auf die besondere Herkunft hinzuweisen. Wen wundert es, die Nr. 1 im Anbaugebiet Franken ist der Silvaner, denn hier hat diese Rebe ihre deutsche Heimat. Müller-Thurgau/Rivaner, Bacchus und Riesling folgen auf den Plätzen.
Nahe: wieso in die Ferne schweifen
Auch die Nahe zählt sozusagen zu den „weißen Flecken“ auf der deutschen Weinlandkarte. Vor allem Riesling, aber auch Müller-Thurgau sowie der Graue und der Weiße Burgunder sind an den beiden Ufern des Flusses zu finden. Seit der Römerzeit ein Weinbaugebiet, aber erst gut 50 Jahre eine eigenständige Herkunftsbezeichnung.
Rheingau: das Zwei-Reben-Land
Eigentlich ganz einfach. Im Rheingau gibt es im Prinzip nur ganz viel Riesling und etwas Spätburgunder. Alles andere ist zu vernachlässigen. Zumal ein Blick auf die Geburtsurkunde des Rieslings eines klarstellt: Der Rheingau ist die Herzkammer der Rebsorte. Dreviertel der Weine aus diesem Anbaugebiet hören auf den Namen Riesling.
Saale-Unstrut: der deutsche Wein-Norden
Müller-Thurgau/Rivaner, Weißburgunder und Riesling heißen die Rebsorten im nördlichsten der 13 Weinanbaugebiete. Versteht sich fast von selbst – hier haben die weißen Rebsorten das Sagen. Drei von vier Weinflaschen aus dem Anbaugebiet Saale-Unstrut kommen weiß daher.
Ahr: wo man sein rotes Wunder erlebt
Unerwartet, dass so weit im Norden ein Paradies für Rotwein zu finden ist. Aber Spätburgunder aus dem Anbaugebiet Ahr ist eine Klasse für sich. Die Rebsorte bringt in den Steillagen am kleinen Fluss viel Mineralik zum Vorschein und je nach Lage und Mikroklima mit ganz unterschiedlichen Noten. Für alle die Zahlen mögen: zwei von drei Ahrweinen sind Spätburgunder. Ansonsten lohnt es sich nach den fabelhaften Frühburgundern von der Ahr Ausschau zu halten.
Sachsen: der Osten ist weiß
Sachsen ist das östlichste der deutschen Weinbaugebiete und eines der kleinen obendrein. Daher sind Weine aus Sachsen fast eine Seltenheit. Schade, denn an der Elbe und ihren Nebentälern werden ausgezeichnete Weißweine gekeltert. Müller-Thurgau/Rivaner, Riesling sowie der Weiße und der Graue Burgunder geben in den Weingütern zwischen Dresden und Meißen den Ton an.
Mittelrhein: Romantik, Rhein und Reben
Zu beiden Ufern des Rheins über fast 100 Kilometern zwischen Bingen und dem Siebengebirge erstreckt sich das Anbaugebiet Mittelrhein. Da kommen einem zuerst Burgen, romantische Flusspanoramen und der Titel UNESCO Weltkulturerbe in den Sinn. Aber der Mittelrhein ist auch die Heimat außergewöhnlicher Rieslinge und Spätburgunder – beide Rebsorten zusammen machen Dreiviertel der Bestände aus.
Hessische Bergstraße: klein aber fein
Zwischen Darmstadt und Heppenheim befindet sich mit der Hessischen Bergstraße das kleinste deutsche Weinbaugebiet. Auf der rechten Rheinseite gelegen neigen sich beste Weinberge dem Rheintal zu. Weißweine – vor allem Riesling, Grauburgunder und Müller-Thurgau/Rivaner – sind hier zuhause. Bei den roten Rebsorten ist es der Spätburgunder, der die Hessische Bergstraße auszeichnet.
Nicht nur deutsche Reben: Mehr internationale Vielfalt
Noch ein Trend ist in den vergangenen Jahren bemerkbar. Internationale Rebsorten finden zunehmend auch in Deutschland eine neue Heimat. Für Weißweine greifen die Winzer immer öfter auch auf Chardonnay und Sauvignon Blanc. Und bei den Rotweinen machen beispielsweise Bordeaux Cuvées aus der Pfalz und von der Nahe von sich Reden, sprich auch Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc sind auf dem Vormarsch.
Qualitätspyramide und VDP
International eher ungewöhnlich sind die Qualitätsbezeichnungen, die in Deutschland Verwendung finden. Neben der geschützten Herkunft – also dem klar abgegrenzten Anbaugebiet – spielt in Deutschland noch das in Oechsle gemessene Mostgewicht eine Rolle. Der unterschiedliche Gehalt an Zucker – und anderen nicht löslichen Stoffen – in Trauben ist es nämlich, der Kabinett und Spätlese von Auslese und Beerenauslese sowie Trockenbeerenauslese und Eiswein unterscheidet. Mehr über die deutsche Eigenheit im Vergleich zu anderen Weinländern gibt der Beitrag „Was bedeutet Qualität im Wein“ preis.
Wenn es schon um Qualität und mutmaßlich die besten Weine aus Deutschland geht, darf der Hinweis auf den VDP nicht fehlen. Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter misst die Qualität von Wein in einem anderen Maß: Hier wird die Herkunft bis auf die Einzellage heruntergebrochen. So erklärt sich die viergeteilte Abstufung von Gutswein, Ortswein, Erster Lage und Großer Lage.
Tatsächlich müsste man noch ein Wort über Sekt verlieren, wenn es um das Weinland Deutschland geht. Denn der Schaumwein Made in Germany gehört einfach zum heimischen Rebenkult dazu. Nur würde dies den Beitrag endgültig sprengen, daher nur der Hinweis auf den Beitrag „Sekt – prickelnd echt nur aus Deutschland“ von Kollegen Jürgen Overheid.