Ruländer, Pinot Gris oder doch Pinot Grigio? Die Weißwein-Rebsorte Grauburgunder mit ihren rötlich-grauen Beeren kennt man unter verschiedenen Bezeichnungen. Doch immer steht sie für Weine mit attraktivem Bukett und einer Säure, die abhängig von der Reife der Trauben mal zurückhaltend, mal besonders frisch ausfällt. Unser Weinfreund Sven Reinbold hat sich mit der immer populärer werdenden Rebsorte beschäftigt.
Seien wir doch mal ehrlich: Beim Blick auf die weiße Weinauswahl in einem Restaurant haben viele Weinfreunde das Gefühl, mit der Bestellung eines Grauburgunders keinen Fehler zu machen. Und das ist wenig erstaunlich, denn die Rebsorte lässt in der Regel sehr gefällige, fruchtbetonte und wenig säureintensive Weine entstehen – gleich ob der Wein aus Italien (grau = grigio), Frankreich (grau = gris) oder als Grauburgunder aus Deutschland stammt.
In Deutschland hat die Rebsorte eine lange Tradition. In früheren Zeiten füllten ihn die Winzer oft unter dem Synonym Ruländer auf die Flaschen – häufig auch als edelsüßer Wein, da die Rebsorte aufgrund ihrer dicht stehenden Beeren sehr gut auf Edelfäule (Botrytis) anspricht. Der Weißweintrend geht aber schon lange in Richtung trockener oder nur wenig restsüßer Weißweine, so dass man heutzutage auch in Deutschland vor allem trockene Grauburgunder trinkt. Aber der Reihe nach.
Woher stammt die Rebsorte?
Wie der Name schon sagt, stammt der Grauburgunder aus der französischen Region Burgund – wie auch der Weißburgunder (Pinot Blanc) und der Spätburgunder (Pinot Noir). Dabei spielt auch die Bedeutung des Bodens, auf dem die Rebe wächst eine wichtige Rolle. Nicht jede Rebsorte mag jeden Bodentyp, damit fängt es an. Doch auch auf die Mineralität eines Weines und sogar die Ausbildung von Fruchtaromen hat der Boden Einfluss. Auf einmal interessiert man sich für Ausrichtung und Höhe der Lage und nicht zuletzt für den Winzer und seine Art Wein zu machen. Da die Sorte kalkige und steinige Untergründe bevorzugt, eignen sich aber auch viele Anbaugebiete in Deutschland hervorragend.
Doch gelangte die Rebsorte nicht direkt aus Frankreich nach Deutschland, sondern die Historiker vermuten, dass sie im 14. Jahrhundert mit dem Umweg über die Schweiz und Ungarn bei uns ankam. Man kann also getrost behaupten, dass es sich bei Grauburgunder um eine schon sehr lange in Deutschland kultivierte Rebsorte handelt. Und das hat sie insbesondere ihrer hohen Qualität zu verdanken und der Tatsache, dass sie sich im Weinberg vergleichsweise widerstandsfähig präsentiert.
Vom Ruländer zum deutschen Grauburgunder
In Deutschland feierte der Grauburgunder ein Comeback – unter neuem Namen und in neuem Stil. Die Rebsorte ist hierzulande auch als Ruländer bekannt und die passende Geschichte dazu ist die von Johann Seger Ruland. Geschehen ist diese vor über 300 Jahren in Speyer in der schönen Pfalz. Dort erwirbt der Kaufmann und Apotheker Ruland einen verwilderten Weingarten. Als er den Wein aus ihm unbekannten Rebstöcken ein Jahr später im Glas hat, ist er geradezu begeistert. Nicht nur als Weinfreund, sondern auch als Kaufmann. Der Wein ist so „süß und lieblich“, dass er nicht nur eine besondere Qualität ins Glas bringt. Johann Seger Ruland wittert darüber hinaus ein Geschäft mit der tollen Rebe.
Was der findige Mann aus Speyer unter seinen Reben „entdeckt“ hat, ist nichts anderes als den Grauburgunder. Doch das Süße und Liebliche der Weine sowie der eifrige Herr Ruland sorgen dafür, dass der Ruländer zum deutschen Synonym für süß ausgebauten Grauburgunder wird. Von den trockenen, frischen Grauburgunder-Weinen heutiger Zeit will man in Riesling-Deutschland bis in die 1990er Jahre hinein nicht viel wissen. Doch dann wendet sich das Blatt und es ist vom Grauburgunder und nicht mehr vom Ruländer die Rede. Die Trauben werden nun früher gelesen, um dem Wein mehr Säure und Frische mitzugeben, ohne die Fruchtaromen zu vernachlässigen. Der neue Grauburgunder ist geboren.
Grauburgunder – auch international eine Größe
Im internationalen Maßstab holt der Grauburgunder kontinuierlich auf. Zwar kann er bei der Anbaufläche mit Chardonnay und Sauvignon Blanc (noch) nicht mithalten, doch in der weltweiten Top 5 der weißen Rebsorten ist Grauburgunder angekommen. Obgleich der Grauburgunder aus Frankreich stammt (Pinot Gris), ist Italien die Numero Uno beim Pinot Grigio. In Venetien und Friaul sowie Trentino und Südtirol zählt Pinot Grigio zu den Protagonisten des Anbaugebiets. In Deutschland wächst die Rebfläche mit Grauburgunder seit rund 30 Jahren kontinuierlich an und nimmt mittlerweile knapp acht Prozent in den landesweiten Weinbergen ein (Stand 2023). Damit ist er die drittbeliebteste weiße Rebsorte nach Riesling und Müller-Thurgau/Rivaner. In Fläche umgerechnet entsprechen die knapp acht Prozent etwas mehr als 8.000 Hektar. Die wichtigsten deutschen Anbaugebiete für die Rebsorte sind gleichzeitig auch die größten in Deutschland: Baden, Rheinhessen und die Pfalz stellen zusammen rund 85 Prozent des Grauburgunder-Bestands. Nicht zu vergessen, dass in den vergangenen Jahren Grauburgunder auch in den USA, in Australien und Südafrika deutliche Zuwächse zu verzeichnen hat.
Vom Literwein bis VDP klassifiziert
Die Grauburgunder aus Baden gelten als eher voluminös und dennoch vielschichtig. Die Böden und das warme Klima lassen grüßen. Auch in der Pfalz kommen die vielen Sonnenstunden dem Grauburgunder entgegen. An der Nahe geht es dagegen etwas eleganter und kühler zu. Eigentlich schon genug Anregung, um der deutschen Grauburgunder-Vielfalt nachzugehen, oder?
Aber noch etwas muss gesagt sein. Die Rechnung wird nicht ohne den Winzer gemacht. Er entscheidet letztlich, was mit seinem Grauburgunder geschieht. Wird der Ertrag reduziert, um die Aromen stärker hervorzuheben. Landet der Wein im Stahltank, im großen Stückfass oder gar im kleinen Barrique? Welche Qualität sucht der Winzer, welche Genussmomente hat er sich für uns ausgedacht? Schließlich gibt es den Grauburgunder als einfachen Literwein oder als VDP Gutswein. Auch Bio ist kein Problem und gehört zur neuen Karriere, ganz nach dem Motto Grauburgunder aus einem Guss.
Wie schmeckt ein Grauburgunder?
Die Charakteristik ist – wie bereits beschrieben – sehr stark davon abhängig, wann die Trauben geerntet werden und wie viel Reife der Winzer dem Wein „mit auf den Weg“ geben möchte. Zudem spielt eine Rolle, ob der Wein – wie meist üblich – nur im Stahltank ausgebaut wird oder – seltener der Fall – mit Holz in Kontakt kommt. Dazu ein Beispiel: Wo besonders reife Grauburgunder mit etwas Zeit im großen Holzfass sehr intensiv nach Birnen sowie Ananas duften und nur wenig Frische ausdrücken, kann ein Wein aus etwas früher geernteten Trauben und Ausbau im Stahltank auch Noten von grünem Paprika und Zitrusfrüchten aufweisen. Letztere Stilistik begleitet Fisch und Meeresfrüchte ganz hervorragend. Die reiferen, „fetteren“ Varianten des Grauburgunders eignen sich ebenfalls als Essensbegleiter. Fruchtig-süße Spätlesen passen zu Käse und Desserts mit Mandeln und Marzipan während ein in Barrique-Fässern gereifter Grauburgunder auch deftige Gerichte wie Lamm und Wild harmonisch ergänzt. Ein Wein der Rebsorte lässt sich aber bestens auch ohne Speisen genießen.
Drei weinfreundschaftliche Tipps: Grauburgunder zum Kennenlernen
Unsere Empfehlungen, wenn man den die Rebsorte kennenlernen möchte. Drei unterschiedliche Weine, die alle auf ihre eigene Art überzeugen.
Frisch und Kräuterig
Die Brüder Andreas und Christoph Hothum gehören zu den Bio-Weinpionieren in Deutschland und drücken mit ihrem Bio or Bust Grauburgunder ihre kompromisslose Leidenschaft zur Natur aus. Dieser präsentiert sich frisch, mineralisch und kräuterbetont. Trotzdem besitzt er eine tolle Frucht, die vor allem an Aprikose, gelber Apfel und Melone erinnert.
Gefällig und Fruchtbetont
Über diesen Grauburgunder berichteten wir bereits. Er entstammt einem Projekt der TV- und Kino-Promis Matthias Schweighöfer und Joko Winterscheidt. Aromen von Äpfeln, Birnen und Pfirsichen strömen aus dem Glas und der Restzuckergehalt von knapp sieben Gramm pro Liter macht den Wein besonders gefällig: ein idealer Sommerwein!
Reif und Harmonisch
Vom Kaiserstuhl in Baden stammt dieser Grauburgunder von Thomas Düringer, der vor allem von den vulkanischen Böden geprägt ist. Er besitzt eine gute, aber noch moderate Säure und praktisch überhaupt keinen Restzucker. Aromatisch erinnert der Wein am ehesten an grüne Äpfel und besitzt zudem eine sehr feine Haselnussnote.