Aus Alt mach Neu? Weine aus der Alten Welt und Neuen Welt
Am 25. August 2020 · von Stefan BehrDie Herkunft eines Weines wird häufig durch zwei Begriffe unterschieden: Alte Welt und Neue Welt. Dabei kennzeichnet insbesondere letztgenannter Begriff nicht nur einen geographischen Ursprung, sondern in vielen Fällen trifft Neue Welt auch eine Aussage über die Stilistik des Weines. Kollege Stefan sagt uns, ob es sich dabei um alten Wein in neuen Schläuchen handelt.
Begriffe existieren in der Weinwelt viele. Nicht selten tragen sie eher zur Verwirrung bei, als Weinfreunden wirklich weiterzuhelfen. Die Bezeichnungen „Alte Welt“ und „Neue Welt“ dagegen finde ich persönlich durchaus erhellend. Sofern man weiß, was sich genau dahinter versteckt.
Neue Welt gegen Alte Welt: Was ist der Unterschied?
Die Definition der Weinregionen der Alten Welt beruht auf den Gebieten, in denen die moderne Weinbautradition ihren Ursprung hat. Dabei kann man es sich recht einfach machen und die Weine Europas mit der Alten Welt gleichsetzen. Denn vor allem von hier stammen Weine, Trauben, Winzer und Traditionen, die letztlich in Länder außerhalb Europas exportiert wurden. Mehr noch: die in Übersee liegen.
Zudem werden die beiden Begriffe verwendet, um stilistische Unterschiede zwischen Alter Welt und Neuer Welt aufzuzeigen. Dies mündet zwar in einer Verallgemeinerung, die nicht immer zutreffend ist, dennoch lässt sich festhalten, dass Regionen der Neuen Welt häufig von einem wärmeren Klima geprägt sind, als es in der gemäßigteren Alten Welt zu finden ist.
Daher im Folgenden ein Überblick, der beispielsweise in einer Blindverkostung durchaus hilfreich sein kann, um eine erste Zuordnung des probierten Weines vornehmen zu können.
Weinstilistik Alte Welt vs. Neue Welt
Alte Welt | Neue Welt | |
Körper | leicht bis mittel | mittel bis hoch |
Alkoholgehalt | niedrig bis mittel | mittel bis hoch |
Säure | mittel bis hoch | niedrig bis mittel |
Frucht | wenig bis mittel | mittel bis viel |
Wie bereits angedeutet, lässt sich diese Einteilung aber nicht pauschalisieren. Insbesondere vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels gerät die bequeme Unterscheidung zwischen Alter und Neuer Welt etwas ins Wanken. Als Beispiel: Italien gehört zwar offiziell zur Alten Welt, doch gibt es zahlreiche warme Regionen, in denen kräftige und fruchtige Weine entstehen. Wir denken nur an Primitivo aus dem süditalienischen Apulien.
Aber welche Länder verbergen sich nun hinter den beiden Begriffen und welche Weine lassen sich dort finden? Die nachfolgende Übersicht hilft weiter.
Die Alte Welt
Natürlich repräsentiert das bekannteste Weinland der Welt auch den Begriff Alte Welt treffender als jedes andere in Europa. Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Pinot Noir und Chardonnay haben hier ihren Ursprung, werden aber mittlerweile auf der ganzen (Neuen) Welt angebaut. Sie gelten schon lange als „internationale Rebsorten“.
Aber auch französische Cuvées (Bordeaux, Côtes-du-Rhône etc.) sind seit Jahrhunderten Sinnbild für ausgewogene Weine. So lässt sich ohne Zweifel sagen, dass französischer Wein seit jeher – und auch heute noch – die Weinherstellung auf der ganzen Welt nachhaltig prägt.
Die Vielschichtigkeit dieses Weinlandes ist beeindruckend und Italien zieht vor allem deutsche Weinfreunde in seinen Bann. Aber auch die Neue Welt wurde durch italienische Winzer nachhaltig geprägt. Insbesondere Auswanderer aus Italien haben den Weinbau in Kalifornien zu dem gemacht, was er heute ist.
Von hier stammen nicht nur hervorragende Portweine oder der Inselwein Madeira – das dürfte Weinfreunden schon lange klar sein. Zudem sorgt das warme Klima nicht selten dafür, dass der von hier stammende Rotwein aufgrund seiner vollen Struktur und der intensiven Frucht für einen Wein aus der Neuen Welt gehalten wird.
Spanien verfügt über eine riesengroße Anzahl einheimischer Rebsorten. Zudem ist die Rebfläche des Landes unheimlich groß. Das Ergebnis ist eine enorme Vielfältigkeit – von Klassikern bis hin zu experimentellen Weinen wiederentdeckter, autochthoner Rebsorten.
Auch wenn Deutschland für viel mehr als nur Riesling und Spätburgunder steht, ist das Weinland noch ein vergleichsweise klassischer Vertreter der Alten Welt. Grund dafür ist das gemäßigte Klima, das trotz des fortschreitenden Temperaturanstiegs in Mitteleuropa noch besonders säurebetonte und mineralisch geprägte Weine hervorbringt.
Die Neue Welt
Nordamerika
Kalifornien steht vor allem für die Rebsorten Cabernet Sauvignon und Chardonnay. Aus ihnen werden im Sunny State Weine produziert, die es zu Weltruhm gebracht haben. Oregon eignet sich aufgrund der nördlicheren Lage am Pazifik ideal für Pinot Noir und der teils heiße, kontinentale Washington State ist vor allem für Merlot sowie Syrah bekannt. Sehr guter Riesling stammt von den Finger Lakes in New York und noch weiter nördlich – in Kanada – herrschen exzellente Voraussetzungen für die Herstellung von Eiswein.
Südamerika
Argentinien und Chile sind die wichtigsten Weinländer Südamerikas, auch wenn mittlerweile auch aus Brasilien und Uruguay gute Weine stammen. Der argentinische Malbec und Carménère aus Chile sind dabei sicherlich die bekanntesten Weine. Durch die extremen Höhenlagen in vielen Regionen, erinnert die Stilistik der Weine nicht selten an die Alte Welt.
Syrah wird hier Shiraz genannt, das wissen die meisten Weinfreunde. Diese Namensunterscheidung macht auch Sinn, da sie dem großen stilistischen Unterschied Rechnung trägt. Ein typischer Shiraz von hier ist Neue Welt in Reinkultur, wohingegen ein Syrah von der nördlichen Rhône ganz klassisch die Alte Welt repräsentiert.
Sauvignon Blanc und Pinot Noir sind hier die vorherrschenden Rebsorten. Nicht ohne Grund, denn das Klima des Inselstaats hat eigentlich nichts mit der Kategorie Neue Welt zu tun. Der Vergleich mit Loire und Burgund ist eigentlich deutlich passender.
In Bezug auf den Begriff Neue Welt ist Südafrika wiederum ein recht passender Vertreter. Auch wenn hier kühlere Regionen existieren, stehen vor allem Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Pinotage für einen typischen Neue Welt Charakter. Vor dem Hintergrund, dass in Südafrika bereits seit dem 17. Jahrhundert Wein angebaut wird, mutet Neue Welt dennoch seltsam an.
Mittlerweile kann man dieses Land in einer solchen Aufzählung nicht mehr auslassen. Und in Bezug auf Wein trifft auf China vielleicht Neue Welt noch am ehesten zu – auch wenn Chinas Geschichte mit Gärung und Fermentierung von Früchten und Lebensmitteln weiter zurück reicht als in allen Ländern dieser Übersicht. Vor allem die Expertise von erfahrenen Önologen aus Frankreich lässt China immer bessere Weinqualitäten erzeugen.
Alte Welt: geht’s noch älter?
Wenn man in die Antike blickt, wird relativ schnell klar, dass die Wiege des Weins nicht in den Ländern liegt, die wir heute als Alte Welt bezeichnen. Vielmehr sind es Länder wie die Türkei, Armenien, Libanon, Georgien, Israel, Iran, Ägypten, Syrien, Irak, Aserbaidschan, Jordanien, Zypern und Griechenland, die auf eine Jahrtausende alte Weinbautradition zurückblicken. Und auch wenn heute noch aus einigen dieser Länder gute Weine stammen, so haben sie auf dem Weltmarkt nur eine geringe Bedeutung.
Alte und Neue Welt: die Jahreszeiten
Eine Sache dient vielleicht der zusätzlichen Abgrenzung der zwei Begriffe: Bis auf Nordamerika liegen alle Weinländer der Neuen Welt auf der südlichen Erdhalbkugel. Wenn in der Alten Welt die Ernte in der Regel in den Monaten August und September stattfindet, beginnt die Lese in der Neuen Welt bereits im März und April. Daher ist es keine Seltenheit beispielsweise einen neuseeländischen Sauvignon Blanc bereits im Jahr der Lese einschenken zu können – während in unseren Breiten noch die Weinlese läuft.
Abschließend ist es mir wichtig zu betonen, dass die Begriffe Alte und Neue Welt keinerlei wertenden Charakter haben sollten. Sie sollen lediglich der Orientierung dienen. Diese ist zwar durchaus als grob zu bezeichnen, doch ist man in dem teils unübersichtlichen Dschungel der Weinwelt ja über jede Hilfestellung dankbar.