Weinfreund Jürgen Overheid nimmt uns mit auf eine kleine Reise entlang der Rhône. Denn auf der Strecke von Vienne nach Valence reihen sich die renommierten Grand Crus Appellationen wie Perlen aneinander. Hier spielen vor allem die rote Rebsorte Syrah und der weiße Viognier eine tragende Rolle.
 Jeder, der schon einmal die Autoroute du Soleil von Lyon in Richtung Avignon befahren hat, kennt sie: die in steilen Lagen thronenden Rebgärten. Denn die A7 erlaubt nicht nur wunderbare Seitenblicke auf die gemächlich dahinziehende Rhône, sondern sie führt ab Vienne auch vorbei an den großen Appellationen der nördlichen Côtes du Rhône. Richtung Süden öffnet sich das Tal der Rhône immer mehr und die zu beiden Seiten sich erhebenden Gebirgszüge sind weiter vom Fluss entfernt. Hier im Norden der Groß-Appellation prägen jedoch die kleinen Terrassen mit den niedrigen Steinmauern – chayées genannt – das Bild.

Das Weinanbaugebiet der nördlichen Rhône ist durch bergige Steillagen geprägt, die für eine ordentliche Portion Mineralität in den Weinen sorgen.
Nahezu symbolisch zeigen sie einige typische Kennzeichen der nördlichen Rhône auf. Das Terrain ist dort deutlich bergiger und weist Steillagen von bis zu 60 Grad auf. Granit, Glimmerschiefer und Gneis prägen in unterschiedlicher Abfolge die Böden, deren seit Jahrtausenden anhaltende Verwitterung den Weinen eine gute Portion Mineralität mitgibt. Durch den sich zersetzenden Felsen suchen sich die Wurzeln der Reben den Weg zu Feuchtigkeit und Nährstoffen. Generell sind die Einzelappellationen im Norden kleiner, was die Weine seltener und „kostbarer“ macht.
Meine große Liebe zu den Weinen der südlichen Rhône habe ich im Magazin der Weinfreunde bereits gestanden. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht auch die Rotweine und Weißweine aus den nördlichen Weinbaugebieten zu schätzen weiß. Ganz im Gegenteil, die namhafteren, renommierteren Appellationen finden sich eigentlich am oberen Lauf der Rhône. Gemeint sind damit die sogenannten Grand Crus der nördlichen Rhône, zu denen ich eine knappe Übersicht liefern möchte.
Côte-Rôtie: Wo Syrah und Viognier zusammenfinden
Beginnen wir im Norden und auf der flussabwärts betrachtet, rechten Seite der Rhône. Dort findet sich mit der Côte-Rôtie gleich eine der ganz renommierten Grand Cru Appellationen. Steil abfallende Weinberge, die Rebanlagen sämtlich in Terrassenbauweise angelegt: Es braucht viel Arbeit, um in der Côte-Rôtie Wein zu machen. Zwar herrscht hier noch das gemäßigtere Kontinentalklima, aber die Südausrichtung der Rebflächen und die in ihrem Rücken gelegenen Bergzüge, die vor kalten Nordwinden schützen, bescheren dem Gebiet heiße Sommer mit hohen Temperaturen. So heiß, dass man glauben könnte, die Landschaft würde gebraten – auf Französisch „rôtie“.
Auch aus diesem Grund warten die Weine der Côte-Rôtie mit einer Überraschung auf. Denn der dominierenden roten Rebsorten von der nördlichen Rhône, dem Syrah, fügt man hier geringe Anteile des weißen Viognier bei. So gewinnen die Weine mehr Frische und Aromatik. Ein Grand Cru von der Côte-Rôtie zeigt sich mit kräftigen Eindrücken von roten und schwarzen Früchten, besticht aber auch mit Noten von Veilchen und Gewürzen.
Condrieu: ganz in weiß
Ganz auf die weiße Rebsorte Viognier setzt die südlich der Côte-Rôtie gelegene Appellation Condrieu. Bereits zu Zeiten der römischen Herrschaft an der Rhône galten diese Weine als etwas ganz besonderes und die Linie der Condrieu-Fans setzt sich über das Mittelalter und die Päpste aus Avignon bis zu zeitgenössischen Weinkritikern und Weinfreunden eindrucksvoll fort.
Die Böden ähneln dort, wo es bergig und steil ist, jenen der Côte-Rôtie. Andere Teile sind geprägt von den Flussablagerungen der Rhône aus Urzeiten: Dieses Gelände ist flacher und sehr steinig. Das Klima ist noch kontinental geprägt, was allerdings heiße Sommer nicht ausschließt, denn der Fels heizt sich unter der Sonne auf und fungiert als riesiger Wärmespeicher. Der Name der Appellation leitet sich von der kleinen Stadt Condrieu ab, deren Schloss aus dem 12. Jahrhundert bis heute einen Besuch lohnt.
Ein typischer Viognier Weißwein aus Condrieu besticht schon allein mit seiner goldgelben Farbe im Glas. Fruchtaromen von weißen Pfirsichen und von Aprikosen verleihen ihm seinen Charme. Wer die ganze Fülle des Sommers schmecken will, ein Viognier aus Condrieu bringt ihm das Genusserlebnis frei Haus.
Château-Grillet: nur ein Weißwein und ein Weingut
Runde, volle Weißweine, die mit Noten von Pfirsich und Aprikose und einem blumigen Duft locken, das sind die Viognier Weine aus Château-Grillet. Ebenso bemerkenswert: Mit rund 3,5 Hektar sprechen wir über das kleinste Anbaugebiet an der nördlichen Rhône, dessen AOC-Weine zudem von nur einem Weingut stammen. Wer Weingut und Appellation auseinanderhalten will, achtet auf den feinen Unterschied des Bindestrichs: Die Appellation schreibt sich mit, das Weingut ohne Bindestrich.
Das Grillet im Namen weist erneut auf die hohen Temperaturen im Sommer hin. Wird die Landschaft der Côte-Rôtie metaphorisch „gebraten“, so wird sie in dieser Appellation schlichtweg „gegrillt“. Der Weißwein aus Viognier ist eine absolute Empfehlung, allerdings sind die Weine aufgrund der geringen Erntemengen auch nicht ganz günstig zu erwerben.
Saint-Joseph: Mönche, Weltliteratur und Wein
Steile Hänge und die auf Terrassen kultivierten Reben prägen auch das Anbaugebiet Saint-Joseph. Bekannt wurden diese Weine unter der Bezeichnung „Vin de Mauves“ und unter diesem Namen erscheinen sie auch in Victor Hugos weltberühmten Roman „Les Misérables“. Die herausragende Lage für den „Wein aus Mauves“ – einem kleinen Ort der Gegend – lag aber schon damals nahe einem Kloster. Die Mönche, die in den Weinbergen arbeiteten, tauften den Hügel Saint Joseph und stifteten so den Namen für die spätere Appellation.
Wie alle bislang vorgestellten Anbaugebiete liegt auch Saint-Joseph am rechten Ufer der Rhône. Rund 50 Kilometer lang folgt das Gebiet dem Lauf des Flusses und erstreckt sich dabei nur wenige Kilometer ins Landesinnere. Aus Saint-Joseph kommen großartige Syrah-Weine mit Kraft und Struktur, die die typischen Pfeffernoten der Rebsorte aufweisen und mit sanften Aromen von Veilchen brillieren. Die Weißweine werden aus den Rebsorten Marsanne und Rousanne hergestellt.
Crozes-Hermitage: Seitenwechsel und Ruf von Welt
Endlich wechseln wir einmal die Flussseite. Am linken Ufer erwarten uns mit Crozes-Hermitage und Hermitage zwei weltbekannte Appellationen. Crozes-Hermitage ist das größte Anbaugebiet an der nördlichen Rhône und das Renommee seiner Weine geht vor allem auf den Rotwein aus Syrah Trauben zurück. Es erstreckt sich nördlich, östlich und südlich des Dorfes Tain-l’Hermitage.
Es sind üppige und dennoch elegante Rotweine, mit einer feinen Balance von Frucht und Tannin, die als Prachtexemplare der Appellation gelten. Die Weißweine – vinifiziert aus den Rebsorten Marsanne und Roussanne – weisen wunderbare, blumige Noten auf und geben sich allgemein trocken und ausgewogen.
Die Böden in Crozes-Hermitage sind wieder ausgesprochen vielfältig und das Klima wendet sich nun deutlich der mediterranen Zone zu. Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei der Wind. Wind aus Norden bedeutet Eiseskälte im Winter, aber erholsame Abkühlung im Sommer. Der Südwind trägt im Winter wärmere Luft heran, dafür plagt er im Sommer mit hoher Luftfeuchte und starker Gewitterneigung.
Hermitage: Eremit im Syrah-Paradies
Westlich von Tain-l’Hermitage schließt sich die Appellation Hermitage an. Der Name leitet sich von einem Eremiten ab, der wohl eher ein kampfesmüde gewordener Kreuzritter war. Dieser lässt sich auf einem Granithügel nieder, um der Welt fromm zu entsagen. Um seinen Rückzugsort herum pflanzt er die ersten Weinreben: So zumindest die „legendäre“ Geburtsstunde des Weins, die nur außer Acht lässt, dass dort schon lange vor Kreuzritter Gaspard de Stérimberg Reben kultiviert wurden.
Rein geographisch betrachtet, sind es erneut die besonders vielfältigen Böden sowie die vor den Nordwinden geschützte Lage, die aus dem Anbaugebiet ein Paradies für den roten Syrah machen. Hier findet er jene Voraussetzungen, die ihn zu einem ebenso kraftvollen wie ausgewogenen und eleganten Rotwein machen. Weltklasse!
Einigen Rotweinen wird noch ein Anteil der weißen Rebsorten Roussanne oder Marsanne mitgegeben, was die Weine etwas weicher und runder macht und vor allem bei älteren Jahrgängen für zusätzliche Finesse und Harmonie sorgt. Dabei kommen Roussanne und Marsanne auch solo gut aus. Die Weißweine aus Hermitage sind sehr geschmeidige Tropfen, die mit der Zeit Aromen von Honig und Nuss zu den Aprikosen- und Pfirsichnoten beitragen.
Cornas: von wegen verbrannte Erde
Nun aber zurück auf die rechte Rhôneseite: in die Appellation Cornas. Die Tradition der Weine aus Cornas ist beeindruckend und reich gespickt mit Namen von Königen, Fürsten, Bischöfen und weiterer historischer Prominenz. Einer soll jedoch namentlich genannt werden, denn angeblich zählte auch Karl der Große zu den Liebhabern des Weins aus Cornas, nachdem er ihn sogar vor Ort verkostet haben soll.
Die Kraft und Struktur der Rotweine aus Syrah – keine andere Rebsorte ist in der Appellation für AOC-Weine zugelassen – und ihre tiefdunkle Farbe verleihen Cornas seinen Ruhm in der internationalen Gilde roter Spitzengewächse. Grund ist das warme bis heiße Mittelmeer-Klima, dass auf die steilen Hänge mit ihren Rebflächen trifft, die allesamt nach Süden blicken. Aus der Sonne kommt also die Kraft, aber manchen war es wohl zu viel damit. Der Name der Appellation leitet sich nämlich von der keltischen Bezeichnung für „verbrannte Erde“ ab.
Saint-Péray: Es kann nur einen geben
Die letzte nördliche Appellation, bevor wir in den südlichen Teil des riesigen Anbaugebiets kommen, ist Saint-Péray. Eigentlich ein Grund mit einem Schaumwein anzustoßen, denn die Regularien des Anbaugebiets verleihen dem nach der „méthode traditionelle“ hergestellten Mousseux nicht nur höchste AOC Weihen. Es gibt einfach keine andere Appellation an der Rhône, die mit einem Schaumwein aufwarten kann.
Der Schaumwein wie auch die Stillweine in dem durch und durch „weißen“ Anbaugebiet sind zumeist aus Marsanne und gelegentlich aus der Rebsorte Roussanne hergestellt. Sie wirken blasser im Glas als die Weißweine aus Condrieu oder Château-Grillet, aber bestechen zugleich durch blumige Noten und feine Mineralität. Und wenn die Appellation Saint-Joseph mit Victor Hugo wuchern kann, so darf Saint-Péray die großen Literaten Guy de Maupassant und Charles Baudelaire zu seinen Befürwortern zählen.
Weiteres Kennzeichen der Region ist die hohe Unterschiedlichkeit der Böden, da hier die geologischen Veränderungen verschiedener Zeitalter zusammenfallen: Reste von Magma aus Vulkanen, Kalkschichten aus dem Jura, uralte Meeresablagerungen, all das kommt in Saint-Péray zusammen.
Wer nun immer noch nicht genug hat von den Weinen der Côtes-du-Rhône, dem sei noch einmal weinfreundschaftlich mein Beitrag über die Anbaugebiete im Süden ans Herz gelegt. Und wem die Autobahn nicht recht gefällt, dem sei der Radwanderweg ViaRhona empfohlen, um die Fahrt entlang der Appellationen zu machen.
Côte-Rôtie |
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Fläche | 300 Hektar |
Rebsorten | Syrah (rot) | Viognier (weiß) |
AOC | seit 1940 |
Gut zu wissen | mehr als 70 Einzellagen innerhalb der Appellation |
Condrieu |
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Fläche | 110 Hektar |
Rebsorten | ausschließlich Viognier (weiß) |
AOC | seit 1940 |
Gut zu wissen | die Weinberge zählen zu den steilsten in Europa |
Château-Grillet |
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Fläche | 3,5 Hektar |
Rebsorten | ausschließlich Viognier (weiß) |
AOC | seit 1936 |
Gut zu wissen | kleinste Appellation, in der nur ein Weingut den AOC Wein produziert |
Saint-Joseph |
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Fläche | 900 Hektar |
Rebsorten | Syrah (rot) | Marsanne, Roussanne (weiß) |
AOC | seit 1956 |
Gut zu wissen | Früher als „Vin de Mauves“ bekannt |
Crozes-Hermitage |
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Fläche | 1300 Hektar |
Rebsorten | Syrah (rot) | Marsanne, Roussanne (weiß) |
AOC | seit 1937 |
Gut zu wissen | das größte Anbaugebiet der nördlichen Rhône |
Hermitage |
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Fläche | 140 Hektar |
Rebsorten | Syrah (rot) | Marsanne, Roussanne (weiß) |
AOC | seit 1937 |
Gut zu wissen | zählt über 20 Einzellagen |
Cornas |
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Fläche | 125 Hektar |
Rebsorten | Syrah (rot) |
AOC | seit 1938 |
Gut zu wissen | sehr langlebiger Rotwein, der auch lange Flaschenreife benötigt |
Saint-Péray |
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Fläche | 75 Hektar |
Rebsorten | Marsanne, Roussanne (weiß) |
AOC | seit 1936 |
Gut zu wissen | der einzige AOC-Schaumwein an der Rhône |