Was ist eine Beerenauslese?
Am 9. April 2025 · von Jürgen OverheidMit Beerenauslese werden Qualitätsweine deutscher und österreichischer Herkunft bezeichnet, die aus überreifen, gesunden oder meist mit Edelfäule (Botrytis) befallenen Trauben erzeugt werden. Eine Beerenauslese ist immer ein süß ausgebauter Wein.
Aufgrund des Reifegrades des Leseguts und der Höhe des Restzuckergehalts der rosinierten Traube, kommt es zu einer Konzentration der Flüssigkeit und einer Intensivierung der Aromen. Der Begriff Beerenauslese steht außerdem für eine genau definierte Prädikatsstufe im deutschen Weinrecht.
Klima: die Grundlage für eine Auslese
Die Rebflächen in der EU sind, klimatischen Kriterien folgend, in sieben Zonen eingeteilt. Deutschland liegt in der Weinbau-Zone A, das ist die kühlste. Warum muss man das erwähnen? Weil es hierzulande – insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten – nicht selbstverständlich war, dass die Beeren vollständig ausreifen. Deshalb wurde in Deutschland der Zuckergehalt der Trauben zum zentralen Qualitätsfaktor. In deutlich wärmeren Zonen, wie der Zone C II – hier liegt unter anderem Südfrankreich – geht es mehr um die physiologische oder phenolische Reife der Trauben, etwa die Reife der Kerne. Ein höherer Zuckergehalt ist hier, dank des warmen bis heißen Klimas, gewissermaßen gesetzt. Der Klimawandel mischt aber auch in Deutschland die Karten neu, die vollständige Reife wird praktisch immer erreicht – und das nicht nur im Süden.
Auslese: Für dieses Prädikat braucht es Oechsle
Dadurch kann sich zur Qualitätsbestimmung mehr auf Herkunft und Terroir konzentriert werden. Für edelsüße Weine spielt dabei der Restzuckergehalt naturgemäß nach wie vor eine große Rolle. In Deutschland wird das Mostgewicht in „Grad Oechsle“ gemessen, in Österreich in der Maßeinheit „Klosterneuburger Mostwaage“ oder „KMW“. Das Mostgewicht gibt Aufschluss über den Anteil der im unvergorenen Traubenmost gelösten Stoffe (mehrheitlich Zucker) und ist darum ein wichtiger Maßstab für die Qualität des Süßweins.
Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) sieht folgende Prädikate für frucht- und edelsüße Weine vor (mit aufsteigendem Restzuckergehalt): Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein.
In diesem Text soll es vor allem um das Prädikat Beerenauslese (BA) gehen. Wie viel Grad Oechsle muss eine Beerenauslese auf die Mostwaage bringen? Die Antwort lautet: mindestens 125° Oechsle. In Baden, dem einzigen deutschen Anbaugebiet, das in der Weinbau-Zone B liegt, müssen es je nach Rebsorte 127° oder 128° Oechsle sein.
Beerenauslese: Aus Fäule wird Genuss
Wie bekommt man nun so viel Zucker in die Traube? Dabei helfen verschiedene Faktoren. Am wichtigsten ist eine ideale klimatische Balance aus Wärme und Feuchtigkeit. Bevorzugt im Herbst und in der Nähe von Gewässern, bildet sich auf den Traubenschalen der sogenannte Botrytis-Pilz, auch Edelfäule genannt. In Deutschland ist besonders die Mosel-Saar-Ruwer-Region für ihre edelsüßen Weine berühmt. Seltener, aber umso begehrter, sind Beerenauslesen aus der Pfalz und aus Franken.
Der Botrytis-Pilz perforiert die Haut der Traube und ernährt sich vom Zucker und der Säure im Fruchtfleisch. Durch die jetzt löchrig gewordene Traubenschale verdunstet die Flüssigkeit: Der Traubensaft wird konzentriert und dadurch süßer. Die Herausforderung besteht darin, dass nicht alle Trauben eines Rebstocks gleichermaßen von der Edelfäule befallen sind. Winzer und Erntehelfer müssen bei der Ernte die perfekten Botrytis-Trauben selektieren, genauer gesagt auslesen – daher der Name. Wieder und wieder muss das Ernte-Team durch die Rebzeilen gehen, immer gebückt und mit fokussiertem Blick. Ein weiterer Grund für die hohen Preise dieser besonderen Weine.
Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese – was ist der Unterschied?
Diese drei Auslese-Stufen unterscheiden sich zunächst einmal durch ihren Süßegrad oder genauer gesagt, durch den Zuckergehalt. Wie schon erwähnt, muss eine Beerenauslese 125° Oechsle auf die Mostwaage bringen. Bei der Auslese sind es 95° (in Baden 105°) und bei der Trockenbeerenauslese beeindruckende 150° Oechsle.
Beerenauslesen müssen nicht ausschließlich aus Botrytis-Beeren erzeugt werden. Sie können auch aus rosinierten, aber äußerlich gesunden Trauben bereitet werden. Auslese-Weine werden aus vollreifem Lesegut erzeugt, das nicht von Edelfäule befallen sein muss. Bei der Trockenbeerenauslese (TBA) ist das zwar auch so, doch in der Praxis werden nur stark von Botrytis befallene Trauben verwendet, die so wenig Flüssigkeit enthalten, dass sie eher Rosinen ähneln. In den Trauben steckt also noch viel unvergorener Fruchtzucker. Das Resultat ist dann eine Kreszenz mit einem Alkoholgehalt von höchstens fünf bis acht Prozent Alkohol.
Ein Wein, der bloß süß ist, wirkt plump und wenig spannend. Ein Süßwein benötigt daher ein Gegengewicht aus Säure. Deswegen sind Rebsorten mit deutlicher Säurestruktur am besten für die Erzeugung von Beerenauslesen geeignet. In Deutschland ist das hauptsächlich Riesling. Auch Beerenauslesen aus Scheurebe oder Rieslaner können hervorragende Ergebnisse erzielen.
BA, TBA, Eiswein – bedrohte Arten?
In früheren Zeiten, als es noch kein Überangebot von Schokolade und anderen Süßigkeiten gab, war eine Beeren- oder Trockenbeerenauslese mitunter die einzige Art von süßer Delikatesse, die man (zumindest als einigermaßen wohlhabender Mensch) genießen konnte. Dementsprechend gesucht und kostbar waren diese Elixiere. Vielleicht ist die grenzenlose Verfügbarkeit von Süßem einer der Gründe, warum das Interesse an Dessert- und Likörweinen etwas zurückgegangen ist. Man muss an dieser Stelle betonen, dass Beerenauslesen „natursüß“ sind. Hier wurde, entgegen manchem Vorurteil, kein Sack mit Zucker ins Fass gekippt. Die Süße stammt ausschließlich von der Frucht.
Man sollte sich gelegentlich das Erlebnis gönnen, eine gereifte Beerenauslese zu genießen, oder besser: zu zelebrieren. Wenn dieses bernsteinfarbene Elixier im Glas steht und Aromen von exotischen Früchten, Honig und Gewürzen verströmt, wenn man beim Schwenken erkennt, wie träge der sirupartige Wein im Glas schwappt, dann ist das schon etwas anderes, als in einen schnöden Schokoriegel zu beißen!