Terroir: die DNA eines Weines

Am 4. Februar 2022 · von Sven Reinbold

Häufig ist zu lesen, ein ganz besonderes „Terroir“ präge einen Wein stilistisch. Dabei denken viele Weinfreude zunächst einmal an den Boden, auf dem der Wein wächst. Doch mit Terroir ist viel mehr gemeint und das weiß uns glücklicherweise Kollege Sven zu berichten.

Von vielen Weinliebhabern wird der Begriff Terroir – gesprochen „Ter-roa“ – mit einer gewissen Unschärfe verwendet. Auch ich wusste lange Zeit nicht genau, wofür er steht. Der häufigste Irrtum besteht darin, die Bedeutung auf die Beeinflussung des Weines durch die Bodenbeschaffenheit zu reduzieren. Abgeleitet von dem lateinischen Begriff Terra ist dieser Fehler verständlich und zudem hat der Boden tatsächlich etwas mit dem Terroir zu tun – doch nur zum Teil.

Denn der Begriff Terroir steht für mehrere, ineinandergreifende Komponenten, die den fertig produzierten Wein beeinflussen, ihm ihren Stempel aufdrücken: Klima, Bodentyp, Lage und – jetzt wird es spannend – der menschliche Einfluss finden im Terroir zusammen. Im Folgenden möchte ich durch die Betrachtung dieser einzelnen Bestandteile möglichst nachvollziehbar Klarheit schaffen.

Terroir – Klima

Nicht wenig überraschend spielt das Klima eine entscheidende Rolle beim Zustandekommen von gesundem und reifem Traubenmaterial. Hier reicht aber nicht nur ein Blick auf die Großwetterlage – das Makroklima – sondern auch das spezifische Klima einzelner Weinlagen – das Mikroklima – sorgt für große Unterschiede innerhalb weniger Kilometer Entfernung. Dabei drückt das Mikroklima nicht nur Vorzüge einer Lage aus, sondern kann es auch für eine Häufigkeit negativer Wetterphänomene wie etwa Hagel stehen. Zudem lässt sich verallgemeinernd festhalten, dass ein vorwiegend warmes Klima für reife und somit alkoholreiche Weine sorgt und ein milderes Klima eher alkoholarme Weine mit einer guten Säurestruktur hervorbringt.

Terroir – Bodentyp

Geologisch betrachtet existieren hunderte verschiedener Bodentypen. Sie unterscheiden sich insbesondere in der Fähigkeit Wasser zu speichern, aber auch durch Art und Menge der Nährstoffe. Zudem ist wichtig, ob der Boden mit vielen oder eher wenigen Steinen durchsetzt ist. Dabei wirkt der Boden wie eine Art Kaffeefilter für das durchfließende Wasser. Nach einem Regen versickert das Wasser im Boden und dieses angereicherte Wasser wird dann von den Wurzeln der Reben aufgenommen. So ernährt sich die Pflanze nicht nur mit Nährstoffen, sondern die vom Boden geprägte Versorgung entwickelt auch eine mineralische Note im Wein. Es ist demnach nicht schwer nachzuvollziehen, dass der Boden einen signifikanten Einfluss auf den fertigen Wein hat.

Rebstöcke

Der Boden und die Lage sind maßgeblich Bestandteile des Terroirs und beeinflussen den Geschmack der Trauben.

Terroir – Lage

Die Topographie eines Weinbergs, auch als Lage bezeichnet, macht ebenfalls deutlich, wie sehr sich die Bedingungen von Weinberg zu Weinberg unterscheiden. Je höher die Lage über Normalnull, desto stärker wird sie nachts abkühlen und dadurch die traubeninterne Säure bewahren. Aber auch eine Hanglage sorgt für einen Unterschied in Bezug auf die Exposition zu der Sonne. Zudem hat die Nähe zu einem Gewässer – sei es ein Fluss, ein See oder das Meer – Einfluss auf den Wein. Insbesondere durch kühlende Winde aus Richtung des Wassers.

Terroir – menschlicher Einfluss

Für viele Weinfreunde dürfte es überraschend sein, dass auch der Mensch ein Teil des Terroirs ist. Doch bei genauerem Nachdenken ergibt es Sinn: Es ist schließlich nicht die Natur, sondern erst der Winzer, der aus Trauben Wein macht. So ist es zum einen die Arbeit im Weinberg, die durch den Winzer geprägt wird, aber vor allem ist es die Weinbereitung im Weinkeller, die Vinifikation, welche die Einflussnahme des Menschen nachhaltig unterstreicht. Neben der persönlichen Handschrift des Winzers, seines Stils, ist es oft auch das Verfolgen gewisser Traditionen, die für Weine vielerorts Gültigkeit haben. Denken Sie nur an das über Jahrhunderte bewahrte Pressen der Trauben mit den Füßen am Douro in Portugal.

Sonstige Faktoren – Rebsorte und Jahrgang

Die wichtigsten Bestandteile des Begriffs Terroir habe ich nun erläutert, doch muss man noch zwei weitere ergänzen, wenn man es ganz genau nimmt:

Auch die verwendete Rebsorte spielt eine nicht unwichtige Rolle. Sie sollte zu Klima, Bodentyp und Lage besonders gut passen. Anderenfalls scheitert die Produktion eines hochqualitativen Weines bereits an der Grundvoraussetzung.

Zudem entscheidet auch der jeweilige Jahrgang, wie sich ein Wein in der Flasche präsentiert. Denn die Bedingungen im Vegetationszyklus eines Jahres sind immer anders, bewirken Jahr für Jahr für individuelle Unterschiede.

Es ist letztlich also das Zusammenspiel mehrerer Komponenten, das im Wein als Terroir zum Ausdruck kommt. Es ist seine Herkunft, seine ureigene DNA. Doch bedeutet dies nicht gleichermaßen, dass jeder Wein Terroir „mitbringt“? Ich glaube nicht. Denn nur Produzenten mit der Wertschätzung für Terroir und jedem einzelnen Bestandteil davon, können Weine entstehen lassen, die grundehrlich ihre Herkunft reflektieren. In hochtechnologischer Massenproduktion ist dies nur schwer möglich – selbst dann, wenn die abgefüllten Weine nicht von schlechter Qualität sind.

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