Deutschland, deine Reben
Am 18. Mai 2020 · von WeinfreundeSven stellt uns die alten Lieblinge und die neuen Stars unter den Rebsorten Deutschlands vor. Dabei fällt sein Blick nicht nur in die einschlägigen Statistiken, sondern vor allem auch ins eigene Glas. Zeig uns deine regionalen Lieblingsrebsorten unter #regionalehelden auf Instagram.
Natürlich sind die offiziellen Zahlen eine Quelle, wenn es um die Frage nach den beliebtesten Rebsorten in Deutschland geht. Doch eigentlich braucht es dann schon zwei Zahlenwerke: eine Aufstellung der meist angebauten Rebsorten und eine der meist getrunkenen Rebsorten. Beide Ranglisten stimmen nämlich nicht sauber überein. Die Weingeschmäcker ändern sich halt schneller als es die Rebflächen abbilden können. Viel einfacher erscheint es, die persönlichen Favoriten zu benennen. Dann kommen nicht nur die üblichen Verdächtigen zum Zuge, sondern es bleibt auch Platz für die Rebsorten aus der zweiten Reihe, die allemal eine Entdeckung wert sind.
Einige Dinge gilt es zunächst geklärt, bevor es zu den Top 5 der weißen und roten Rebsorten kommt. In aller erster Linie ist Deutschland ein Weißweinland. Rund zwei Drittel der insgesamt 103.079 Hektar Rebfläche nehmen Riesling & Co. ein – Tendenz sogar leicht wachsend. Für die Herstellung von Wein und Sekt stehen nach Zählung des Deutschen Wein Instituts dafür rund 140 weiße und rote Rebsorten zur Verfügung. Davon sind es allerdings nur etwas mehr als 20, die auch in nennenswerter Menge den Weg in die Flasche finden.
Meine Top 5: weiße Rebsorten
Wenn nach der Nr. 1 der weißen Reben hierzulande gefragt wird, gibt es natürlich kein Streiten und kein Zögern. Weltweit gilt der Riesling als „die“ deutsche Rebsorte schlechthin. Der internationale Siegeszug des Rieslings nimmt Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Anfang, als die Rhein-Romantik und die Begeisterung für den „Sparkling Moselle“ den Ruhm der Rebe bis in den hintersten Winkel der kolonialen Welt trägt. Gern als Heimat des Rieslings apostrophiert wird das Rheingau, doch auch in anderen Anbaugebieten wie Mosel oder Pfalz gibt es eine Riesling-Hochkultur. Viel Frucht und Frische heißen die Haupttalente des Rieslings. Im Vordergrund stehen Apfel und Limette, aber auch Nektarine und Aprikose. Süß ausgebaute Rieslinge wissen mit diesem Säurespiel besonders delikat umzugehen. Und gereifte Weine entwickeln gar Aromen von Petroleum.
Bei der Nr. 2 handelt es sich um eine Rebsorte, die keine deutsche ist, aber sehr überzeugend zeigt, wie sehr sie sich bei uns Zuhause fühlt. Eigentlich sind es sogar zwei Rebsorten, denn für mich gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen dem Grauburgunder und dem Weißburgunder. Als Pärchen landen sie auf dem zweiten Platz. Grauburgunder ist der Aufsteiger unter den weißen Rebsorten, bereits im sechsten Jahr in Folge wächst die Größe der Rebflächen. Feine Aromatik, dabei leichtfüßig und zugänglich, das sind die beiden weißen Burgunder-Brüder. Zitrone und Limette, Apfel und Melone, Pfirsich und Aprikose: Sie haben was zu bieten.
Meine Nr. 3 trägt gleich zwei Namen. Als Müller-Thurgau feierte die Neuzüchtung erst grandiose Erfolge, aber mittlerweile ist sie weniger prominent unterwegs und hat sich einen neuen Namen zugelegt: Rivaner. Neu ist er, der Name, doch er beruht auf der falschen Annahme, es handele sich um eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner. Es sind aber Riesling und Madeleine Royal die Eltern der Neuzüchtung. Die aromatisch durchaus eindringliche Rebsorte feiert inzwischen bei einigen Winzern eine Wiederauferstehung. Sie interpretieren den Stil der alten Jahre neu und bringen unkomplizierte, sehr eingängige Weißweine auf die Flasche. Wohlgemerkt, noch sind in Deutschland gut fast 12.000 Hektar mit dieser Rebsorte bestockt.
An einer weißen Rebsorte kommt man in Deutschland nicht vorbei – Bocksbeutel hin, Bocksbeutel her: Silvaner. Diese Rebsorte hat ihren deutschen Ursprung bis heute in Franken und vom VDP-Weingut bis zum Nachwuchswinzer wird das Erbe bis heute lebendig gehalten. Eigentlich von österreichischer Herkunft trifft er im mit so vielen unterschiedlichen Böden ausgestatteten Rheinhessen auf beste Bedingungen. Und auch in der Pfalz fühlt sich der Silvaner besonders wohl. Diese Vielfalt tut ihm sichtlich gut. Von fast cremig zarten Charmeuren bis zu zart fruchtigen, eleganten Weinen reicht das Spektrum. Unbedingt auf die nächste Bestellung setzen. Meine Nr. 4.
Was zählt schon der Name, möchte man bei meiner Nr. 5 der weißen Rebsorten aus Deutschland meinen. Die Scheurebe taucht in der Liste der meist angebauten Rebsorten weit hinten auf. Doch es ist diese wenig bekannte Neuzüchtung deutscher Herkunft, die für bezaubernd frische und feinfruchtige Weißweine mit guter Säure steht. Als deutscher Sauvignon Blanc preist sie mancher Kritiker sogar an. Dabei muss man auf die Frage „Wer hat es erfunden?“ ehrlicherweise gestehen: Ein Schweizer namens Georg Scheu entwickelte diese Neukreuzung in Rheinhessen!
Meine Top 5: rote Rebsorten
Bei den roten Rebsorten fällt die Frage nach der Nr. 1 gleichfalls deutlich aus, wenn auch nicht so souverän. Die Entdeckung Deutschlands als Weinheimat von komplexen Rotweinen mit internationalem Anspruch liegt noch nicht lange zurück. Dafür verantwortlich zeichnet der Spätburgunder, unbestritten eine der Königsdisziplinen im Rotweingeschäft. Feine Aromen von Erdbeere, Kirsche, Himbeere und Cranberry sowie würzige Note wie Nelke machen die aromatische DNA aus. Je nach Ausbau und Reife entwickelt der Spätburgunder dabei jene Vielfalt und dichte Eleganz, die zur hohen Kunst des Weinmachens zählt. Übrigens ist der Spätburgunder auch flächenmäßig die Nr.1 in Deutschland.
In der Flächenstatistik folgt mit etwas Abstand der Dornfelder. Seine besten Tage scheint er schon hinter sich zu haben, doch wie beim weißen Rivaner sind die Winzer auch beim roten Dornfelder, der Nr. 2, dabei, mit neuen Stilen, dem alten Liebling zu neuem Glanz zu verhelfen. Die Weine bestechen mit dunkler Farbe im Glas, Aromen von dunklen Beeren und Sauerkirsche und geben sehr milde, bekömmliche Rotweine mit wenig Alkohol ab.
An seinem Ruf erfolgreich gearbeitet hat bereits der Lemberger. Seit Jahren wachsen auch wieder – wenn auch nur in geringem Maße – die Anbauflächen. In seiner Heimat in Württemberg ist unsere Nr. 3 nicht wegzudenken. Er eignet sich für leichte, eher fruchtbetonte Weine, aber kann auch in der entsprechenden Qualität zu überraschend extrakt- und tanninreichen Rotweinen ausgebaut werden. Brombeeren, Kirsche, Johannisbeere, aber auch vegetative Noten zeigen sich dann in den Top-Lembergern.
Überhaupt ist Württemberg als rote Weinregion noch einen Blick in die zweite Reihe wert. Denn mit dem Trollinger und dem Portugieser stehen gleich zwei weitere Rebsorten im Südwesten der Republik hoch in der Gunst. Deshalb verdient sich dieses rote Paar auch den Platz Nr. 4 in dem Ranking. Dabei steht der Portugieser für unkomplizierte Rotweine, die frisch und süffig ausfallen. Auch für die Herstellung von sommerfrischen Roséweinen ist er ausgesprochen gut geeignet. Ähnliches gilt für den Trollinger, den man in Südtirol unter dem Namen Vernatsch kennt. Er braucht gute Bedingungen, um voll auszureifen, liefert dann aber mit Aromen von Kirsche sowie blumigen Noten großen Spaß ins Glas.
Die Nr. 5 im roten Ranking ist eine Art Wildcard für die vielen neuen Weine, die mit klassischen französischen Rebsorten wie Merlot und Cabernet Sauvignon aufwarten. Oft werden sie als Cuvée mit deutschen Rebsorten vermählt wie beim legendären „Ursprung“ von Markus Schneider. Im aktuellen Jahrgang finden Merlot, Cabernet Sauvignon und Portugieser zusammen. Mit Spannung und stiller Vorfreude können wir deshalb ganz neuen roten Rebsorten entgegensehen, die in Zukunft in unsere Rangliste noch weiter nach oben wollen.