Wein olfaktorisch beurteilen: Arbeit für die Nase

Am 26. Juli 2024 · von Jürgen Overheid

Nach dem Auge kommt die Nase an die Reihe, wenn es um das Beschreiben und Beurteilen eines Weins geht. Was in einem Wein zu riechen ist, wie man die Aromen unterscheidet und was das mit Qualität zu tun hat – übersichtlich erklärt.

Einen Wein mittels Riechens zu entdecken, ist stets ein Abenteuer – bei großen, vielschichtigen Weinen umso mehr. Leider unterschätzen Weinfans die Bedeutung der Nase, wie das Riechen am Wein in Verkostungsnotizen genannt wird, wenn sie Wein einfach nur trinken. Nach dem Beurteilen des Weins mit dem Auge folgt mit den zu riechenden Aromen nämlich die erste Offenbarung des Weins im Glas. Gern dürfen dabei spontane Assoziationen von Früchten, Kräutern oder Blumen den Auftakt geben. Darin liegt schließlich das besagte, sinnliche Abenteuer.

Wein Vielschichtigkeit: eine ganze Palette für die Nase

Allerdings geht es nicht nur um Fruchtnoten oder Eindrücke der Reife, wenn die Nase ihre Arbeit aufnimmt. Das aus dem Französisch entlehnte Wort „Bouquet“ drückt dies besonders gut aus. Bouquet meint nämlich im ursprünglichen Sinne einen Strauß, der aus unterschiedlichen Blumen gebunden ist und daher verschiedene Düfte kombiniert. Ähnlich setzen sich bei einem Wein die per Nase wahrgenommenen Eindrücke aus verschiedenen Arten von Aromen zusammen. Daher unterscheiden die Profis beim Wein Verkosten grundsätzlich drei Arten von Aromen, die sich alle mit etwas Übung unterscheiden lassen. Die Ausprägung dieser Aromen, sagt sowohl etwas über den Stil eines Weins aus als auch über die Entwicklungsphase, in der er sich gerade befindet.

Wein Primäraromen: Aromen von Anfang an

Die Beeren mit ihrem Fruchtfleisch, der Schale, aber auch den Traubenkernen tragen Aromen ein, die meist schnell zu erkennen sind. Die typischen Kirschnoten bei Pinot Noir, Grenache oder auch Tempranillo sind solch ein Fall. Rebsorten, die ihre Fruchtnoten besonders intensiv vortragen, heißen Bukettrebsorten. Abgeleitet vom französischen Bouquet, sprich der Nase. Um dies riechend zu verstehen, genügt ein Glas Sauvignon Blanc oder Scheurebe, ein Muskateller oder Gewürztraminer. Der Duft der Weine kann geradezu opulent ausfallen. Solche Fruchtaromen fallen unter die Primäraromen.

Primäraromen sind Eindrücke, die Boden, Rebsorte, aber auch die alkoholische Gärung, quasi die Umwandlung von Most in Wein, mitgeben. Bei den meisten Weinen meint dies Fruchtaromen, aber auch Gewürznoten wie schwarzem Pfeffer (Grüner Veltliner) oder Muskat (Muskateller). Auch kräuterige Töne (Trebbiano di Lugana) sowie florale und vegetabile Noten wie grüne Paprika (Cabernet Sauvignon) zählen dazu. Die Fermentation des Mostes zu Wein verstärkt durch die Ausbildung von Alkohol diese Wahrnehmungen fügt aber auch eigene hinzu.

Holzfässer

Besonders interessant für das Aroma des Weins ist der Ausbau im Holzfass.

Wein Sekundäraromen: Winzerhandwerk zum Riechen

Alle Geschmacks- und Geruchsstoffe, die durch die Weinerzeugung nach der alkoholischen Gärung entstehen – Stichwort Weinstilistik – bezeichnen die Profis als Sekundäraromen. Sie gesellen sich hinzu und haben so auch Einfluss auf die olfaktorische Wahrnehmung der Primäraromen. Greifbares Beispiel sind die Noten, die durch den Ausbau im Holzfass den Wein bereichern. Sie tragen Vanille, Kakao oder Toast zum Bouquet an der Nase bei. Toast-, Biskuit- und Hefetöne empfängt der Wein durch eine lange Zeit auf der Hefe. Hat der Wein etwas von Joghurt oder Sahne im Geruch, weist dies dagegen auf die Malolaktische Gärung, auch Biologischer Säureabbau (BSA) genannt, hin.

Wein Tertiäraromen: Faktor Zeit wittern

Tertiäraromen entstehen durch die Reife des Weins. Dabei verändern sich die Primäraromen im Wein. Beispielsweise sorgt eine längere Reife im Fass für eine Reaktion mit Sauerstoff, was etwa den Fruchtaromen die Frische nehmen kann und sie in Richtung Trockenfrüchte oder eingekochte Früchte verschiebt. Spielt bei der Reife der Einfluss des Sauerstoffs eine Rolle, beschreibt man die zu riechenden Aromen als oxidative Noten. Reift der Wein dagegen lange in der Flasche, die nur wenig Sauerstoff enthält, reden die Profis von reduktiven Noten. Typisch für reduktive Noten sind Eindrücke von Benzin – die berühmte Petrolnote – aber auch von Honig und Pilzen. Die oxidativen Noten zeigen sich dagegen eher als Kaffee-, Toffee oder Karamelltöne.

Wein Entwicklungsstadium: Lebenszyklus in der Nase

Im Laufe seines Lebens wandelt sich die aromatische Prägung eines Weins. Zu Beginn dominieren die Primär- und Sekundäraromen, die zudem deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Die Eindrücke beispielsweise von roten Beerenfrüchten und den Holztönen des Fassausbaus lassen sich gewissermaßen nebeneinander riechen und sind noch nicht miteinander vermengt. Daher bezeichnen Weinprofis einen Wein, bei dem Primär- und Sekundäraromen vorherrschen als jugendlich. Stellen sich bereits Tertiäraromen ein, liest man in der Verkostungsnotiz von ersten Reifenoten. Rücken die Tertiäraromen in den Vordergrund, redet die Experten von voll gereift. Als müde oder als den Höhepunkt überschritten gelten Weine, bei denen sich erste unangenehme Noten an der Nase einstellen.

Sommelier riecht sinnlich an Rotwein

Die Nase kommt in den Genuss von Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen.

Wein Reintönigkeit: ganz sauber oder mit Fehltönen

Offenbart der Wein ausschließlich Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen an der Nase, sprechen Profis von einem reintönigen Wein. Lassen sich dagegen Fehltöne wie beispielsweise ein Korkfehler oder flüchtige Säuren riechen, bezeichnet man den Wein als unsauber oder fehlerhaft. Beim Korkfehler riecht der Wein etwa nach nasser Pappe und flüchtige Säuren verraten sich an der Nase durch Essigtöne oder gar den Eindruck von Nagellackentferner. Mehr über diese Weinfehler lässt sich an anderer Stelle im Magazin nachlesen.

Ausprägung: Wein, mehr oder weniger duftend

Nicht zu vergessen, dass sich auch die Intensität des Duftes beurteilen lässt. Strömen einem die Aromen bereits ohne großes Schwenken des Glases und gezieltes Riechen entgegen, gilt die Nase als ausgeprägt. Das Gegenteil sind die verhaltenen Weine, für die bereits intensives Riechen notwendig ist, um ihre Aromen wahrzunehmen. Zudem gibt es zwischen den beiden Extremen ein mittel, das die Profis sogar noch mit einem mittel (-) und mittel (+) umrahmen.

Nase: Wein olfaktorisch beurteilen

Infografik Weingeruch

Wie man den Geruch von Wein richtig einordnen kann.

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