Rothschild im Bordeaux: Aller guten Dinge sind drei

Am 5. Februar 2025 · von Cédric Garraud

Wer Bordeaux sagt, muss auch Rothschild sagen. Die Familie mit den deutschen Wurzeln zählt zu den ersten Adressen an der Gironde und hat gleich zwei Premier Grand Cru Classé Weingüter aufzubieten. Eine verzweigte Familiengeschichte voller großer Namen.

Ohne Zweifel fallen die Namen Mouton und Lafite als Erstes, wenn die Rede auf die Bedeutung der verzweigten Familie in der Weinregion Bordeaux geht. Beide Châteaux zählen zu den insgesamt nur fünf Premier Grand Cru Classé Weingütern im Bordeaux. Beide liegen bei Pauillac im Haut-Médoc, am linken Ufer der Gironde und damit in der eigentlichen Herzkammer der weltberühmten Weinregion. Doch im strahlenden Licht der beiden Top-Châteaux gerät schnell aus dem Blick, dass dies längst noch nicht alles ist, was die Familie links und rechts der Gironde aufzubieten haben. Dabei beginnt die Geschichte der Rothschilds im Bordeaux erst Mitte des 19. Jahrhunderts.

Rothschild & Wein, Gironde & Main

Es sind drei Familien aus zwei Familienzweigen, die mit Spitzenweinen aus Bordeaux zu tun haben. Ihr gemeinsamer Anfang liegt in Frankfurt am Main. Von dort entsendet Bankier Amschel von Rothschild vier seiner fünf Söhne an die damals wichtigsten Finanzplätze Europas – einer bleibt in Frankfurt. In London, Paris, Wien und Neapel entstehen daraufhin vier neue Familienzweige. Geht es um Wein aus Bordeaux, beschränkt es sich auf den englischen und den französischen Familienzweig.

Im Jahr 1853, das ist zwei Jahre vor der offiziellen Klassifizierung der Weingüter im Médoc in die heute noch geltenden fünf Qualitätsstufen, ersteht Nathaniel de Rothschild das Weingut Mouton, das er alsbald in Château Mouton-Rothschild umbenennt. Nathaniel entstammt dem englischen Zweig der Familie und ist ein Enkel des Frankfurter Gründers Amschel.

Nathaniels Onkel und Schwiegervater aus dem französischen Familienzweig, James Mayer Rothschild, erwirbt erst 13 Jahre später Château Lafite, das fortan Château Lafite-Rothschild heißt. Zu diesem Zeitpunkt, 1866, gilt die neue Einstufung der Weingüter von Premier Grand Cru Classé bis Cinquième Grand Cru Classé bereits seit elf Jahren. Der Kauf von Château Lafite stellt nicht nur eine kluge Entscheidung in Hinblick auf Wein dar, sondern ist auch eine sichere Investition mit Weitblick. Denn Lafite-Rothschild ist Premier Grand Cru Classé, während die englischen Verwandten „nur“ als Deuxième Grand Cru Classé in der Klassifizierung rangieren.

Viel mehr als Premier Grand Cru Classé

Erst 1973 sorgen Staatspräsident Georges Pompidou und sein aufstrebender Landwirtschaftsminister Jacques Chirac dafür, dass Mouton-Rothschild zum Premier Grand Cru Classé-Weingut aufsteigt – bis heute die einzige Änderung in der 1855er-Klassifizierung. Ebenfalls in den 1970er Jahren macht sich Edmond de Rothschild daran, dem Familienvorbild zu folgen. Edmond zählt zum französischen Zweig und ist damit ein Nachfahre von James Mayer.

Dies erklärt auch, warum Edmond Miteigner des berühmten Château Lafite-Rothschild ist. Doch irgendwann genügt ihm diese passive Teilhaberschaft nicht mehr und er erwirbt eigene Weingüter im Médoc, aber auch in der Appellation Saint-Émilion. Seitdem spielen gleich drei Familienzweige beim Bordeaux-Wein eine große Rolle. Denn neben den bereits genannten großen Namen sind dies längst nicht alle, die zum Weinimperium der Familien zählen.

Rothschild im Bordeaux

Mouton-Rothschild & Philippe de Rothschild

Die Hochstufung von Mouton-Rothschild ist eine Auszeichnung für das Schaffen von Philippe de Rothschild. 1922 im Alter von nur 20 Jahren übernimmt er die Verantwortung auf dem Weingut und dringt mit Investitionen in Keller und Rebflächen in neue Qualitätsdimensionen vor. Beispielsweise führt er die ausschließliche Flaschenabfüllung im Château ein und bricht mit der langen Tradition des Weinverkaufs in Fässern.

Philippe macht für seine Weine das Etikett zum Kunstwerk. Seit 1945 veredelt ein international renommierter Künstler das Label des Grand Vin von Château Mouton-Rothschild jeden Jahrgang aufs Neue. Von Dalí bis Picasso, von Roberto Matta bis Andy Warhol, die Liste der Künstler – die übrigens stets in Naturalien vergütet werden – liest sich wie ein Who’s Who der jüngeren Kunstgeschichte. Zu den deutschen Künstlern, die sich auf diese Weise verewigt haben, zählen Gerhard Richter (2015) und Georg Baselitz, der im Mauerfall-Jahr 1989 die große Ehre hatte.

Lafite-Rothschild & Éric de Rothschild

Eine ähnliche Bedeutung wie Philippe für Château Mouton-Rothschild nimmt Éric de Rothschild für Château Lafite-Rothschild ein. Ab 1974 leitet er die Geschicke des Weinguts sowie der anderen Weingüter der Domaines Barons de Rothschild, kurz DBR genannt. Zum Wein-Unternehmen DBR zählen beispielsweise noch Château Duhart-Milon Rothschild (4ème Grand Cru Classé) ebenfalls aus Pauillac sowie Château Rieussec (Sauternes), Château Paradis Casseuil (Entre-deux-Mers) und Château l’Évangile (Pomerol).

Château Clark & Edmond de Rothschild

Zu den Weingütern Baron Edmond de Rothschild zählen Château Clarke (Listrac) und Château Malmaison (Moulis) im Médoc sowie Château des Laurets und Château Malengin am rechten Ufer (Saint-Émilion). Doch längst hat die Familie die Grenzen des Bordeaux überschritten. Edmond de Rothschild ist wahrlich ein Weinland, in dem die Sonne niemals untergeht. Das sind nicht nur das Champagnerhaus und das Rosé-Weingut Château Roubine in der Provence. Seit den 1990er-Jahren wächst der Familienzweig international. Aktuell sind die Franzosen mit Las Flechas de los Andes in Argentinien, mit Akarua in Neuseeland und Rupert & Rothschild in Südafrika in der Neuen Weinwelt vertreten.

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Rothschild International: alle Weinkontinente

Bei den Verwandten ist es nicht anders. Die Mutter von Château Lafite-Rothschild, Domaines Barons de Rothschild, kurz DBR genannt, hat mit Viña Los Vascos in Chile und Bodega Caro in Argentinien gleichfalls zwei exzellente Adressen in Südamerika vorzuweisen. Zudem ist DBR auch in China zu finden, 2018 gründete das Familienunternehmen die Domaine de Long Dai. Die Familie von Philippe, sprich Mouton-Rothschild, ist gleichfalls in Chile und China präsent. Zu nennen ist zudem die legendäre Zusammenarbeit von Philippe mit dem amerikanischen Weinmacher Robert Mondavi, die der Weinwelt den legendären „Opus One“ beschert.

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Ein Wappen für alle

Drei Familienzweige, eine Vielzahl von Weingütern auf fast allen Weinkontinenten, da verliert sich schnell der Überblick. Eines jedoch lässt sich einfach merken: alle drei Weinfamilien zeigen, woher sie kommen. Auf den Etiketten ihrer wichtigsten Weine findet sich das Wappen mit den gebündelten fünf Pfeilen, die für die fünf Brüder stehen, die einst in die Welt auszogen. Denn von ihnen stammen sie alle ab, gleich ob aus der englischen Nathaniel-Linie oder der französischen James-Linie mit Edmond in der Verlängerung. Nicht umsonst heißt das Weingut von Baron Edmond de Rothschild in Argentinien Las Flechas de los Andes, die Pfeile der Anden.

Zweitweine, Internationales und „Wein des Jahres“

Es muss nicht gleich ein Premier Grand Cru Classé von Mouton oder Lafite sein, um mit den Rothschilds in Tuchfühlung zu kommen. Die verschiedenen Châteaux im Bordeaux bieten nicht nur ihren Premier Vin an, sondern machen auch günstigere Zweitweine. Das ist bei Lafite-Rothschild der Carruades de Lafite und bei Mouton-Rothschild Le Petit Mouton. Wem auch diese Investition noch zu hoch ist, sollte mit dem Mouton Cadet beginnen. Dessen Trauben stammen zwar nicht aus den Spitzenlagen des Bordeaux, es sind aber die gleichen Önologen, die sowohl den kleinen Mouton Cadet als auch den großen Mouton-Rothschild machen. Zudem gilt an dieser Stelle der Aufruf zur Grenzüberschreitung. Raus aus dem Bordeaux, raus aus Frankreich, um die Weine der Familie aus der Neuen Welt zu entdecken. Wenn es aber unbedingt ein Bordeaux sein muss, mit dem man sich den Weinen der Familie annehmen möchte, ist der Wein des Jahres 2025 von Weinfreunde.de zu nennen. Der Les Pins von Baron Edmond de Rothschild stößt das Bordeaux-Fenster weit auf.

Mouton Cadet Bordeaux 2020
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