Mouton oder Lafite: Hauptsache Rothschild

Am 12. Mai 2020 · von Cédric Garraud

Selbst Menschen, denen der rechte Sinn für Wein abgeht, verbinden mit dieser Familie absolute Weinprominenz: Rothschild. Um so mehr, da es nicht nur ein Weingut gibt, in dem der berühmte Name auftaucht. Bordeaux-Experte und Weinfreunde-Geschäftsführer Cédric Garraud über die vielleicht berühmteste Familie unter den Spitzenweingütern.

Es gibt einige Familien wie die Antinoris aus der Toskana, die wesentlich länger im Weingeschäft sind als die Rothschilds. Es gibt sogar Weindynastien, deren Besitztümer größer ausfallen, als die der Rothschilds, und doch hat der Name in der internationalen Weinwelt unübertroffenen Klang. Dafür gibt es gleich zwei Gründe: der eine heißt Château Mouton-Rothschild und der andere Château Lafite-Rothschild.

Beide Château zählen zu den insgesamt nur fünf Premier Grand Cru Classé-Weingütern im Bordeaux. Beide liegen bei Pauillac im Haut-Médoc, am linken Ufer der Gironde und damit in der eigentlichen Herzkammer der weltberühmten Weinregion. Dennoch gehören die beiden Rothschild Château nicht zusammen. Das war tatsächlich einmal anders – bis 1720 oder 1725, da sind sich die Quellen nicht einig – hat aber wiederum nichts mit der Familie Rothschild zu tun. Deren Geschichte beginnt erst Mitte des 19. Jahrhunderts.

Zwei Familienzweige, zwei Weingüter

Im Jahr 1853, das ist zwei Jahre vor der offiziellen Klassifizierung der Weingüter im Médoc in die heute noch geltenden fünf Qualitätsstufen, ersteht Nathaniel de Rothschild das Weingut Mouton, das er alsbald in Château Mouton-Rothschild umbenennt. Nathaniel de Rothschild entstammt dem englischen Zweig der Familie und ist ein Enkel des Frankfurter Gründers der Finanz-Dynastie, Mayer Amschel Rothschild.

Sein Onkel und Schwiegervater aus der französischen Rothschild-Linie, James Mayer Rothschild, erwirbt erst 13 Jahre später Château Lafite, das fortan Château Lafite-Rothschild heißt. Zu diesem Zeitpunkt, 1866, gilt die neue Einstufung der Weingüter von Premier Grand Cru Classé bis Cinquième Grand Cru Classé bereits seit elf Jahren. Das erklärt, warum der Kauf von Château Lafite nicht nur eine kluge Entscheidung in Sachen Wein ist, sondern auch eine sichere Investition mit Weitblick darstellt. Denn während James Mayer Rothschild das Château bereits als Premier Grand Cru Classé eingestuftes Weingut kauft, erwirbt sein englischer Neffe und Schwiegersohn schon zwei Jahre vor der Klassifizierung Château Mouton-Rothschild. Als jedoch die Einteilung der Weingüter 1855 veröffentlicht wird, findet sich überraschenderweise Château Mouton-Rothschild nicht unter den vier Weingütern mit Premier Grand Cru Classé-Status. Wider aller Erwartung – vor allen der von Nathaniel de Rothschild – landet Mouton in der zweiten Klasse.

Man mutmaßt, es hätte daran gelegen, dass es eigentlich Engländer seien, denen das Weingut gehört. Doch das ist Politik, die Experten erkennen die besondere Qualität der Weine dessen ungeachtet an. Sie titulieren Château Mouton-Rothschild fortan als „Premier des Seconds“, als den Ersten unter der 2er Grand Cru Classé. Doch damit ist diese Geschichte noch nicht an ihr glückliches und gerechtes Ende gekommen. Denn 1973 wird Château Mouton-Rothschild als bislang einziges Weingut seit Einführung der Klassifizierung hochgestuft und zum fünften Premier Grand Cru Classé ernannt. Kein Wunder also, dass der damalige französische Präsident Georges Pompidou, der das Upgrade persönlich anordnete auf Mouton-Rotschild bis heute mit einem großen Portrait in Ehren gehalten wird.

Charismatischer Macher mit Kunstsinn: Philippe de Rothschild

Die Hochstufung ist zugleich eine Auszeichnung für das Schaffen von Philippe de Rothschild. 1922 im Alter von nur 20 Jahren übernimmt er die Verantwortung auf dem Weingut und dringt mit Investitionen in Keller und Rebflächen in neue Qualitätsdimensionen vor. Beispielsweise führt er die ausschließliche Flaschenabfüllung im Château ein und bricht mit der langen Tradition des Weinverkaufs in Fässern. Nur so, weiß Philippe de Rothschild, kann er die Qualität der Flaschenweine bis ins letzte gewährleisten.

Rothschild, der ein ebenso passionierter Rennfahrer und Segler ist, macht für seine Weine sogar das Etikett zum Kunstwerk. Seit 1945 veredelt ein international renommierter Künstler das Label des Château Mouton-Rothschild, jeden Jahrgang aufs Neue. Von Dalí bis Picasso, von Roberto Matta bis Andy Warhol, die Liste der Künstler – die übrigens stets in Naturalien bezahlt werden – liest sich wie ein Who is Who der jüngeren Kunstgeschichte. Zu den deutschen Künstlern, die sich auf diese Weise verewigt haben, zählen Gerhard Richter (2015) und Georg Baselitz, der im Mauerfall-Jahr 1989 die große Ehre hatte.

Domaines Barons de Rothschild: mehr als nur ein Château

Eine ähnliche Bedeutung wie Philippe für Château Mouton-Rothschild nimmt Éric de Rothschild für Château Lafite-Rothschild ein. Seit 1974 leitet er die Geschicke des Weinguts sowie der anderen Weingüter der Domaines Barons de Rothschild, kurz DBR genannt. Zum Wein-Unternehmen DBR zählen beispielsweise noch Château Duhart-Milon-Rothschild (4er Grand Cru Classé) ebenfalls aus Paulliac sowie Château Rieussec (Sauternes), Château Paradis Casseuil (Entre deux Mers), Château l’Évangile (Pomerol) und Domaine d’Aussieres (Languedoc).

Während Château Lafite-Rothschild sich über die DBR auch in Chile (Viña Los Vascos) und Argentinien (Bodega Caro) engagiert, ist der Nachbar Château Mouton-Rothschild in Chile und China präsent. Zu nennen ist an dieser Stelle auch die Zusammenarbeit von Philippe de Rothschild mit dem amerikanischer Weinmacher Robert Mondavi, die der Weinwelt den legendären „Opus One“ bescherte.

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Zum Einstieg ein Zweitwein

Der Hinweis auf weitere Weine und Weingüter der Rothschilds ist um so wichtiger, als nicht jeder Weinfreund direkt in den Premier Grand Cru Classé von Lafite-Rothschild investieren will. An erster Stelle sind da die Zweitweine der beiden Weingüter zu nennen. Das ist bei Lafite-Rothschild der „Carruades de Lafite“ und bei Mouton-Rothschild „Le Petit Mouton“. Wem auch diese Investition noch zu hoch ist, sollte mit dem Mouton Cadet beginnen. Dessen Trauben stammen zwar nicht aus den Spitzenlagen des Bordeaux, es sind aber die gleichen Önologen, die sowohl den kleinen Mouton Cadet als auch den großen Mouton-Rothschild machen. Und irgendwann muss man ja mal mit einem Rothschild-Wein anfangen. Santé!

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