Supertoskaner – Vom Rebellen zum internationalen Weinstar
Am 24. Juni 2022 · von Sven ReinboldDie Supertoskaner erzählen eine der großen Erfolgsgeschichten in der Weinwelt. Sven erinnert an die Geburt der Supertoskaner vor rund 50 Jahren und fasst zusammen, was einen Supertoskaner eigentlich ausmacht.
Das Weinland Italien ist bekannt für seine vielen heimischen Rebsorten, zahlreiche Weinregionen von Ruf, aber auch für traditionelle Herstellungsverfahren wie Amarone und Ripasso. Schon in vorrömischer Zeit gilt der italienische Stiefel als das Weinland schlechthin. Da verwundert es ein wenig, dass dem allen plötzlich Weine den Rang ablaufen, deren Name eher an einen Comic-Helden erinnert: Supertoskaner.
Supertoskaner: die Anfänge
Zählt die Geschichte des Weins in Italien weit über zweitausend Jahre, bringen die Supertoskaner gerade mal 50 Jahre auf die historische Wage. Umso mehr verblüfft, wie schnell diese Weine den Weg zum Weltruhm gefunden haben. Der englische Begriff Supertuscans, deutsch Supertoskaner, zählt zum Basisvokabular internationaler Weinkritik. Doch wer oder was ist ein Supertoskaner?
Die Geschichte des Superweines aus der Toskana beginnt, als Anfang der 1970er-Jahre ein Weingutsbesitzer und sein Weinmacher beschließen, die offiziellen Vorgaben der Weinbehörden zu ignorieren und ihre eigene Vorstellung von Qualität dagegenzusetzen. Damit stellen sie die 1967 gegründete DOC Chianti (Denominazione di Origine Controllata) infrage. Kein Geringerer als Marchese Piero Antinori und sein Önologe Giacomo Tachis sind diese Geburtshelfer des Supertoskaners. In einer Hochburg italienischer Weinkultur, dem Chianti, begehen sie den Frevel und halten den Anteil von Sangiovese in ihrem Wein namens Tignanello unter dem vorgegebenen Mindestmaß. Stattdessen mehr Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc als erlaubt.
Supertoskaner: die großen Weine
Das ist 1971, ein erster Schritt, denn noch immer ist der heimische Sangiovese die prägende Rebsorte im Tignanello. Als Antinori 1978 den Solaia vorstellt, besteht der Wein zu 80 Prozent aus Cabernet Sauvignon und 20 Prozent Cabernet Franc. Inzwischen hat der Sangiovese in kleinen Anteilen wieder in die Cuvée zurückgefunden. Auch außerhalb des Chianti, im Weingebiet Bolgheri, verfolgt Antinori diesen Kurs. So besteht der Guado al Tasso ausschließlich aus den Bordeaux-Rebsorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Auch am Sassicaia aus Bolgheri ist Piero Antinori in den Anfangsjahren beteiligt. Er ist der Neffe des Besitzers Marchese Mario Incisa della Rocchetta und Cousin von Nicolò della Rocchetta, der seinem Vater in der Leitung des Weinguts folgte.
Aber um das Hohelied der Supertoskaner zu singen, fehlen noch Namen. Zum Beispiel Frescobaldi, denn mit dieser Weindynastie verbinden sich Weine wie der Ornellaia und der Luce – der in Zusammenarbeit mit Kultwinzer Robert Mondavi aus Napa Valley entstand. Auch der Ornellaia setzt exklusiv auf bordelaiser Reben, hingegen der Luce den heimischen Sangiovese allein mit Merlot vermählt.
Supertoskaner: die Formel
Da all diese Weine nicht die DOC- oder gar DOCG-Auflagen erfüllen, werden sie offiziell als schlichte IGT-Weine klassifiziert. Ungeachtet erzielen diese „Landweine“ Preise und Punktebewertungen, auf die ein klassischer DOCG Chianti nur neidisch schauen kann. Grund für das IGT sind die Bordeaux-Rebsorten, die in den Cuvées mit der Edelrebe der Toskana, dem Sangiovese, eher mehr als weniger vertreten sind. Dieses Merkmal zählt zur Supertoskaner-Formel.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Reife der Weine in Barriques – wie eben im Bordeaux üblich. Dominierte anfangs noch der Einsatz neuer Fässer, um eine deutliche Holznote in den Wein zu tragen, gehen die Weingüter in der Toskana indessen etwas feinfühliger vor. Aber die Barrique-Reife ist dennoch fester Bestandteil der Supertoskaner-Formel.
Supertoskaner: nachhaltiger Einfluss
Das Paradox der Supertoskaner ist, dass ihre Rebellion gegen die offiziellen Vorgaben der Denominazione di Origine Controllata letztlich der Toskana eher genutzt hat. Die Konkurrenz mit den Supertoskanern, das Lernen von ihren Methoden in Weinberg und Keller, hat auch den traditionellen Chianti-Weinen einen Qualitätssprung verschafft. Selbst in anderen Regionen setzt sich der Impuls, den die Weine mit dem Plus an französischen Reben gesetzt haben, fort. Doch wo Erfolg sich zeigt, ist Kritik nicht weit. Die Supertoskaner machten zu viel Kult um die Rebsorten-Cuvée und vernachlässigten darüber die Besonderheiten der Lage, also Boden, Ausrichtung und Mikroklima. Nun denn, es musste gesagt sein. Aber gleichwohl gehört der eine oder andere Supertoskaner unzweifelhaft zu einer glückseligen Weinkarriere einfach dazu. Für alle, die diesen Schritt tun wollen, gibt es eine Auswahl von Supertoskanern in unserem Shop.