ABC für die Weinverkostung
Am 15. Dezember 2023 · von Daniel MünsterMal so richtig Auftrumpfen bei einer Weinverkostung? Das gelingt selbst mit ungefährlichem Halbwissen, wenn man nur die richtigen Vokabeln kennt und das Ganze als amüsante Note versteht. Gesagt, getan meint Daniel Münster und schafft mit seinen Favoriten des kultivierten Weinsprechs erste Grundlagen. Er liefert uns ein ABC der Weinverkostung.
Wer von Freunden zu einer Weinverkostung eingeladen wird, will sich selbstverständlich nicht blamieren. Dabei hilft, sich ein wenig Weinsprech anzueignen, um mit den passenden Begriffen seine ganze Expertise unter Beweis zu stellen. Allen, die Spaß verstehen und die sich beim nächsten Weintrinken unter Gleichgesinnten als Vollprofi ausgeben möchten, sei daher unser kleines ABC der Weinverkostung ans angeberische Herz gelegt.
Aerator
Ein Aufsatz für die Flasche, der beim Ausgießen zusätzlich Luft an den Wein bringt. Etwas bescheidener auch als Belüfter bekannt. Ein Aerator ist eine pragmatische Alternative zu Dekantieren und Karaffieren.
Aromen
Klingt erst richtig gut, wenn es in Kombination als primäre -, sekundäre – oder tertiäre Aromen verwendet wird. Primäraromen kommen aus der Frucht und dem Gärprozess, Sekundäraromen spiegeln die Weinbereitung wie zum Beispiel die Reife im Holzfass wider und Tertiäraromen entstehen durch die Reife des Weines.
Avinieren
Besonders wichtig, wenn mehrere Weine bei einer Verkostung nacheinander ins gleiche Glas kommen. Avinieren meint das Ausschwenken des Glases mit einer geringen Menge des neuen Weines, um die Eindrücke des Vorgängers auszukehren. Sehr distinguiert und vorbildlich.
Babymord
Dieser Vorwurf ist entweder mit spöttischem oder bedauerndem Unterton vorzubringen. Hier geht es um einen richtig guten Wein, der ins Glas kommt, bevor er die notwendige Reife auf der Flasche erfahren hat. Er hatte doch sein ganzes Leben noch vor sich!
Bouquet
Altmodischer Ausdruck für die per Nase wahrgenommenen Aromen eines Weins. Klingt nicht nur schöner als Nase oder Geruch, sondern hat auch die schönere Herleitung. Ein Bouquet bezeichnet ursprünglich einen gebundenen Strauß aus unterschiedlichen Blumen. Also, sagt es durch die Blume.
Brett
Eigentlich Brettanomyces. Eine Hefegattung, die besonders animalische Noten – Leder, Pferdeschweiß – oder auch chemische Töne – Vinyl, Nagellack – in den Wein einträgt. Gilt manchen als Weinfehler, in Maßen bei gewissen Weinen aber durchaus eine charakterbildende Zutat.
Dekantieren
Wird gern mit Karaffieren verwechselt, also aufgepasst. Beim Dekantieren füllt man den Wein aus der Flasche in einen Dekanter um, damit Ablagerungen, Sedimente in der Flasche verbleiben und später nicht ins Glas gelangen. Mehr nicht.
Extrakt
Ein Sammelbegriff für alles im Wein ist, wenn man Wasser und Alkohol weglässt, der beim ABC der Weinverkostung nicht fehlen darf. Das sind in erster Linie Säure und Restzucker, aber auch alle anderen natürlichen Inhaltsstoffe wie Gerbstoffe (Tannin), Farbstoffe und Aromenstoffe.
Karaffieren
Besonders länger gereifte Weine benötigen etwas mehr Luft, um sich komplett zu öffnen. Dies geschieht, indem der Wein in eine Karaffe umgefüllt wird und dort vorab genügend Zeit bekommt, um zu „atmen“. Unbedingt die Gastgeber auch interessiert nach der Dauer des Karaffierens erkundigen und niemals mit Dekantieren verwechseln.
Kirchenfenster
Gemeint sind die Schlieren an der Glasinnenwand, die sich nach dem Schwenken des Glases bilden. Dort zeigen sich dann Formen, die an ein gotisches Kirchenfenster erinnern. Klingt feierlicher als der Begriff Tränen, der gleichfalls in Umlauf ist. Zur wissenschaftlichen Erklärung: Viskosität.
Komplex
Mit diesem Stichwort spielt man geschickt auf Zeit und drückt seinen Respekt vor der Vielschichtigkeit eines Weins aus. Denn es braucht eine Weile, bevor man die verschiedenen Fruchtaromen, die floralen und würzigen Töne sowie die Eindrücke der Reife auseinandersortiert hat.
Oxidativer Ausbau
Generell werden die Weinfässer komplett gefüllt, um den Kontakt mit Sauerstoff während der Reife zu unterbinden. Manchmal ist dieser Austausch jedoch gewollt, um bestimmte Aromen wie Trockenfrüchte oder Nüsse zu gewinnen. Siehe Aromen.
Pirat
Der Schrecken aller selbsternannten Expertinnen und Experten. In eine blinde Verkostung zu einer Region oder Rebsorte wird ein Wein eingeschmuggelt, der eben nicht aus dieser Region stammt oder nicht aus dieser Rebsorte erzeugt wurde. Wer den Wein nicht erkennt, wird geentert.
Sur Lie
Am besten zuerst auf dem Etikett verifizieren, dann nachschmecken. Meint, dass ein Weißwein nach der Gärung nicht sofort von der Hefe getrennt wird, sondern (bis ins folgende Frühjahr) „auf der Hefe“, französisch sur lie, reift.
Trinkfenster
Zeigen sich gereifte Weine verschlossen und nicht so elegant und balanciert wie erhofft, hat man anscheinend das Trinkfenster verpasst oder noch nicht erreicht. Denn die Reife der Weine verläuft nicht linear, sondern kennt weniger gute und richtig gute Phasen – die Trinkfenster eben. Zu den großen Anbaugebieten gibt es daher auch Tabellen mit den Trinkfenstern der einzelnen Jahrgänge.
Terroir
Die Gelegenheit, mit genauem Wissen zu brillieren. Denn in vielen Fällen wird Terroir mit Lage oder Boden verwechselt. Aber beim Terroir geht es nicht nur um Höhe und Ausrichtung eines Weingartens sowie um die Beschaffenheit des Bodens und die klimatischen Verhältnisse. Terroir schließt das Einwirken des Menschen auf Weinberg und Reben ausdrücklich mit ein.
Viskosität
So lautet der Fachbegriff für die Kirchenfenster oder Tränen im Weinglas. Verantwortlich dafür ist der Alkohol, genauer gesagt Glycerin, und teilweise auch der Restzuckergehalt. Sie lassen den Wein „zähflüssiger“ werden als beispielsweise Wasser, was die Formenbildung beim nach unten Fließen erklärt.
Zapfenheber
Eher humoristischer Beitrag für die Runde, der das ABC der Weinverkostung komplettiert. Zapfenheber ist das in Österreich und in der Schweiz gebräuchliche Wort für einen Korkenzieher. Kommt das Gespräch auf die besten Korkenzieher, sollte man sich stets für das klassische Kellnermesser aussprechen.