Raki, Ouzo und noch mehr Anisschnaps
Am 2. März 2023 · von Jürgen OverheidWer A wie Anis sagt, muss auch Raki und Ouzo, Sambuca, Anisado und Anisée sagen. Weinfreunde-Kollege Jürgen folgt der mediterranen Fährte der Anisspirituosen und sucht im Genuss die Völkerverständigung.
Es gibt ja diese Ursprungsrivalitäten in der Spirituosenwelt – natürlich nicht nur da. Aber auffällig ist schon, dass sich immer wieder Paarungen finden, die sich über den einzig echten und wahren Ursprung einer Spirituose traditionell nicht einigen wollen. So zeigt es sich bei den Schotten, den Iren und dem Whisky respektive Whiskey oder auch bei den Russen, den Polen und ihrem Wodka. Nicht anders gebären sich Türken und Griechen, wenn es um Raki und Ouzo geht. Aber wenden wir uns dem Wesentlichen zu.
Anisée: aller Anfang ist Anis
Simpel gesprochen gibt es so etwas wie Anisschnaps und Anislikör. Der Unterschied liegt im Zucker- und im Alkoholgehalt, doch eines zeichnet beide Spielarten einer Anisspirituose aus: die deutliche geschmackliche Prägung durch Anis, der gern auch als Lakritz wahrgenommen wird. Noch etwas haben die Spirituosen gemeinsam, den sogenannten Louche-Effekt, bei dem sich das Getränk durch Zugabe von Wasser nebelig, trüb und milchig färbt. Aber auch dieser hochgeistige Taschenspieler-Trick geht letztlich wieder auf den Anis zurück. Der enthält nämlich ätherische, nicht wasserlösliche Öle, die diesen optischen Effekt hervorrufen.
Die Spirituose hört auf viele Namen. Im Französischen unterscheidet man feinsinnig zwischen Anisée, dem mit Anis aromatisierten Brand, und Anisette, das sind die süßen, likörigen Anisspirituosen. Doch auch Anisado und Sambuca fallen in dieselbe Kategorie. Frankreich, Spanien und Italien – und natürlichen Griechenland und die Türkei: Die mit Anis aromatisierten Hochprozentigen sind eine wahre Mittelmeerspirituose. Allein diese Vielfalt sollte aufhorchen lassen.
Raki: Traubenbrand trifft Anissamen
Der Raki beginnt eigentlich wie ein Wein. Denn zunächst kommen Trauben oder auch Rosinen zum Einsatz, die die gleiche alkoholische Gärung durchlaufen wie ein Weiß- oder Rotwein. Der „Wein“ wird jedoch anschließend destilliert und dann mit Anissamen aromatisiert. Wichtig ist, dass dieses Gemisch noch einmal destilliert wird, um den Brand zu verfeinern und die ehedem starken Anisnoten zu zähmen.
Mit Wasser verdünnt, erhält der Brand seine Trinkstärke. Beim Raki sind 45 und mehr Prozent Alkoholvolumen keine Seltenheit. Dagegen rangiert der griechische Ouzo meist um die 40 Prozent. In der gleichen Promille-Region und etwas darunter rangieren italienische Anisliköre wie Sambuca oder die spanischen Anisados. Vorsicht trockene Varianten fallen oft stärker aus als süße.
Aperitif oder Digestif: Anisschnaps kann alles
Zumindest der türkische Raki kommt traditionell eher als Aperitif zum Einsatz. Deshalb spielt das gewürzige Pairing von Anis- und Lakritzaromen mit deftigen Salaten, Käse von Schaf und Ziege oder gegrilltem Lamm durchaus eine Rolle. Der Raki öffnet den Magen und stimmt auf die Küche ein. Da ähnelt er ein wenig dem französischen Pastis.
Dagegen stehen die süßen Varianten der Anisspirituosen eher als Begleiter zum Nachtisch und klassisch zum dunklen Kaffee hoch im Kurs. Beim Sambuca zelebriert man diese Kombination sogar mit Kaffeebohnen im Glas. Aber auch der Raki kennt seine protokollarischen Feinheiten. Zunächst den Raki ins Glas geben, dann erst das Wasser und ganz zum Schluss einen Eiswürfel – wenn man denn will. Kühle Gläser reichen da meist vollkommen aus.
Mixability: Anis und Wasser
Louche-Effekt heißt die Eintrübung der Anisspirituose, sobald man Wasser hinzugibt. Dabei gilt die Faustregel, dass sich der Drink umso milchiger zeigt, je mehr Anisée er enthält. So kann man sich eine Anisspirituose auch optisch für einen Longdrink oder einen Cocktail zunutze machen. Sensorisch ist jedoch Vorsicht geboten, denn der starke Anis-Einschlag ist gut einzufangen, um einem Cocktail Balance und Finesse zu geben.
Mit dem Anis-Wasser-Mix macht man prinzipiell nichts falsch. Zudem lässt sich dadurch auch ganz „smooth“ der Alkoholgehalt des Drinks steuern, ohne an den geschmacklichen Parametern zu drehen. Denn immerhin reden wir hier über Spirituosen. Maßvoller Genuss ist angesagt!
Angeberwissen für Anistrinker: Marseille auf der Kiste
Der türkische Raki verdankt sich wortgeschichtlich dem arabischen „araq“, dem Branntwein. Interessanterweise scheint dagegen der griechische Ouzo auf das türkische Wort für Traube, also „üzüm“, zurückzugreifen. Aber es gibt auch noch eine französisch-italienische Koproduktion der Begriffsgeschichte. Demnach stand auf den Frachtkisten mit dem griechischen Branntwein der Ziel-Ort Marseille – allerdings auf Italienisch. Aus dem „uso Massilia“ habe sich dann der verkürzende Ouzo ergeben, der bis heute die gesamte griechische Anisfamilie bezeichnet.