Wermut: süß oder trocken, Hauptsache bitter
Am 3. November 2023 · von Theresa WeberWermut ist weder Wein noch Spirituose, teilt aber so einiges mit Portwein, Sherry und sogar Absinth. Klingt verwirrend, aber Kollegin Theresa Weber schafft Abhilfe, und klärt über das Getränk mit dem prägenden Wermutkraut auf.
Apéro oder Aperitif, der Wermut hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Comeback hingelegt. Gerade die Nähe zum Wein ließ in den verschiedensten Weinregionen neue Wermut Kreationen entstehen, die in Cafés, Bars und den eigenen vier Wänden stetig wachsenden Zuspruch ernten. Was macht die wiedererweckte Faszination am Wermut aus? Warum ist der mal süße, mal trockene, aber immer bittere Likörwein so gefragt?
Wermut: Cocktail und solo
In der gut sortierten Bar hatte der Wermut durchgehend seinen Platz. Zu wichtig ist er für verschiedene großartige Cocktails der Barhistorie. Kein Negroni, aber auch kein Dry Martini – gleich ob geschüttelt oder gerührt – finden ohne Wermut den Weg ins Glas. Dabei machen die beiden Cocktails bereits eines deutlich: Wermut gibt es in süß und in trocken und beide Ausführungen sind gefragt. So verlangt ein Negroni nach einem süßen Wermut, während für den Dry Martini eben nur ein Dry Vermouth infrage kommt. In beiden Fällen verleiht der Wermut den Cocktails sowohl Tiefe als auch eigene Geschmacksnuancen.
Pur ist es im Prinzip dasselbe. Es gibt die süßen und die trockenen Drinks, je nach Vorliebe, Laune und Anlass. Ein trockener Wermut ist ein exzellenter Aperitif, der mit seinen bitteren Tönen und den Kräuternoten, die Türen für ein gutes Essen weit aufstößt. Die süßeren Varianten geben sich sanfter, erfüllen aber denselben Zweck. Nicht zu vergessen, dass sich ein Wermut auch für Spritz-Getränke eignet.
Verstärkter Wein mit Wermutkraut
Wein ist die Basis eines Wermuts. Doch vergleichbar einem Portwein oder Sherry erhält ein Wermut durch die Zugabe von hochprozentigem Alkohol zusätzliches Alkoholvolumen. Beim Portwein und Sherry sind dies Branntweine, im Fall eines Wermuts verwendet man meist landwirtschaftlich hergestellten Alkohol. Zwischen 14,5 und 25,0 Prozent Alkoholvolumen, und damit spürbar mehr als ein Wein, weist ein Vermouth – so die Schreibweise im Englischen und Französischen – auf. So erklärt sich mit „verstärkten Weinen“ auch der Name der Kategorie. Klingt nicht hübsch, weshalb auch gern der Begriff Likörwein verwendet wird.
Eine weitere, geschmacklich sehr prägende Beigabe ist das Wermutkraut. Die Pflanze mit dem verrufenen Wirkstoff Thujon sorgt für die spürbaren Bitternoten. Daneben gibt es weitere Botanicals, die wie beim Gin mittels Mazeration ihre Geschmacksnoten einbringen. Die Beispiele der Zitrusfrüchte, von Kardamom und Zimt, Enzian und Angelikawurzel zeigen, dass Gin und Wermut in Teilen sogar dieselben Zutaten verwenden. Noch ein Verwandter des Wermut ist zu nennen, nämlich Absinth. Die zeitweise verbotene Kräuterspirituose setzt nämlich gleichfalls vor allem auf das Wermutkraut. Wermutkraut ist also das „Leit-Botanical“ beim Wermut wie der Wacholder beim Gin. Das lässt jede Menge geschmacklichen Spielraum.
Wermut-Sorten: Farbe mal Süße
Wermut gibt es in allen Weinfarben, also Vermouth in Weiß, Rosé und Rot stehen zur Wahl, wobei roter Wermut gern etwas fruchtiger und häufig lieblicher ausfällt als sein weißer Bruder. Anhand der Farbe lassen sich so schon einmal drei Sorten unterscheiden. Ebenso ausschlaggebend ist jedoch die Restsüße des Wermuts. Da reicht das Spektrum von Extra Dry, was weniger als 30 Gramm Zucker pro Liter entspricht, bis zu Sweet mit 130 bis 150 Gramm Zucker. Da ist man vom Süßegrad schon nahe am Likör. In der Kombination von Farbe und Süße lassen sich alle Sorten verlässlich beschreiben, gleichzeitig geben diese Faktoren wider, was man grundsätzlich von diesem Wermut zu erwarten hat.
Wermut Geschichte: von Turin in die weite Welt
Ob es den einen Menschen gibt, der den Wermut in die Welt gebracht hat, ist fraglich. Schließlich wussten bereits Ägypter, Griechen und Römer, ihrem Wein mit Kräutern und Gewürzen eine Extraportion Geschmack einzuhauchen. Teilweise wohl auch aus Qualitätsgründen, aber davon lässt sich bei den „modernen“ Wermuts sicherlich absehen. Ein Name muss allerdings schon fallen: Antonio Benedetto Carpano. Bis heute ist er Namenspatron für einen der bekanntesten Wermuts im Bar-Regal, den Carpano Antica Formula. Die Rezeptur geht auf das Jahr 1786 zurück, als Carpano seine Interpretation des Drinks schnell als stilbildend durchsetzen konnte. Gleichzeitig war dies der Startschuss für viele weitere Kreationen, die bis heute Namen mit Klang abgeben – Stichwort Martini.
Neben Italien hat auch Frankreich seinen Anteil an der Wermut-Historie. Aus Marselan im Languedoc stammt etwa der berühmte Noilly Prat, der unter den weißen, trockenen Wermuts eine Ausnahmestellung einnimmt. Doch jenseits der großen Namen lohnt ein Blick in die Weinregionen. Das gilt ganz besonders für Spanien, wo die Wermut-Kultur seit Jahren boomt. Aber nicht nur dort, denn auch in deutschen Weinlanden sind solche Wermuts zu finden, allen voran der Würzgarten Vermouth von Top-Winzer Ernst Loosen an der Mosel. Er schlägt sich mit einem restsüßen RieslingKabinett aus der VDP Großen Lage Ürziger Würzgarten als Grundwein und auf die charmante, liebliche Seite des Wermuts.
Jetzt eigene Wermut Vorlieben entdecken
Mehr Mut zu Wermut braucht es gar nicht. Die Wiederentdeckung des Klassikers nimmt längst ihren Lauf. Wer sich bisher nicht an dem Likörwein mit den unterschiedlichen Gesichtern versucht hat, sollte die Kostprobe nicht länger aufschieben. Der nächste Aperitif oder Apéro kommen bestimmt. Zudem gehört ein Vermouth einfach in ein kultiviertes Barsortiment – Widerspruch ausgeschlossen.