Klimawandel und Weinbau: Was heißt das konkret?
Am 9. Juni 2023 · von Theresa WeberWärmere Temperaturen, mehr Trockenheit und extreme Wettervorfälle. Was Klimawandel bedeutet, erleben die Weingüter hautnah. Theresa berichtet, wie sie mit den Veränderungen umgehen.
Menschen, die nicht überzeugt sind, dass wir objektiv einen Wandel des Klimas beobachten, müssen jetzt erst recht weiterlesen. Alle anderen selbstverständlich auch, gerade sie wird interessieren, was Winzerinnen und Weinmacher zum Klimawandel sagen. Vor allem aber, wie sie auf die Veränderungen reagieren. Doch vielleicht vorab noch ein paar grundsätzliche Worte.
Klima & Wein: offensichtliche Angelegenheit
Als unstrittig unter Weinfreundinnen und Weinfreunden gilt, dass das Klima einen maßgeblichen Einfluss auf den Weinbau hat. Das beginnt damit, dass Weinbau nur in bestimmten Breitengraden möglich ist – bislang. Alle Weinregionen des Globus befinden sich zwischen dem 30. und dem 50. Breitengrad, sowohl auf der Nord- wie auf der Südhalbkugel. Dabei gilt die Regel: Je näher am Äquator, desto wärmer und je weiter davon entfernt, desto kühler das Klima.
Unabhängig von Region und Kontinent sprechen wir in der Weinwelt von drei Klimazonen. Gemeint ist damit eine Gemengelage aus Temperatur, Niederschlägen und dem Einfluss des Meeres sowie anderen Großfaktoren wie Gebirgszüge, aber auch die Höhe über Meeresspiegel. Das ist simpel ausgedrückt, hilft aber zu verstehen, was kontinentales, maritimes und mediterranes Klima voneinander unterscheidet. Dabei gilt der inzwischen immer öfter verwendete Begriff des „cool climate“ als ein positives Merkmal einer Region. Selbst bei der Unterscheidung von Rebsorten findet der Begriff Anwendung: Riesling vs. Tempranillo gewissermaßen.
Immer öfter & extrem: die Formel Klimawandel
Versuchen wir das, was sich da im Weinberg verändert, mal greifbar zu machen. Also nicht nur über ansteigende Durchschnittstemperaturen und ausbleibenden Regen so ganz abstrakt zu reden, sondern auf den Punkt zu bringen, was die Weinregionen beschäftigt. Nahezu durchgehend lässt sich dabei feststellen, dass extreme Wetterverhältnisse immer häufiger auf dem Plan stehen. Gab es früher ein, zwei trockene, heiße Jahre in einer Dekade, sind es mittlerweile drei, vier oder sogar mehr. Gleiches gilt für Fröste im späten Frühjahr, für besonders heftige Regenfälle oder Hagel-Unwetter im Sommer. Dagegen fehlt es dem Winter immer öfter an deutlich niedrigeren Temperaturen.
Schlussendlich heißt das für die meisten Weinregionen, mehr widrige Verhältnisse und ein höheres Risiko die Trauben zu verlieren. Doch auch der abstrakte Durchschnitt bereitet Sorgen. Vom früheren Austreiben der Reben – mit entsprechend größerem Schaden bei Frost – und der schnelleren Reife der Trauben berichten ganz viele Winzerinnen und Winzer aus den unterschiedlichsten Regionen. Reife zumindest im Sinne von Zuckerbildung in den Beeren. Spät reifende Rebsorten, die mehr Zeit benötigen, um auch reife Kerne auszubilden, geraten da in die Bredouille.
Rebsorten & Lage: alles im Fluss
Der Klimawandel fordert den Weinbau heraus, nicht nur akute Maßnahmen zu finden, sondern auch an ein paar grundsätzlichen Schrauben zu drehen. Ist die Südausrichtung einer Lage immer noch die beste? Bis zu welcher Höhe reifen die Trauben mittlerweile problemlos aus? Überhaupt, was ist mit den angestammten Rebsorten einer Region, die schließlich unter die Regularien eines Anbaugebiets oder einer Appellation fallen? Haben da jetzt andere Reben eine Chance?
An diesen Fragen lässt sich erkennen, dass manche Weinregionen mit dem Klimawandel besser umgehen können als andere oder sogar Vorteile aus dem Klimawandel ziehen. So berichten die Weinbauern von der Loire, dass es Schwierigkeiten mit der perfekten Reife kaum noch gebe – selbst bei Rotweinen – und auch die geringeren Niederschläge eher den Pilzdruck senkten als Nachteile brächten. Also alles halb so schlimm?
Cabernet Sauvignon & Deutschland: nachhaltig anders
Die Geschichte lässt sich aber auch andersherum erzählen. Als der Weinfreunde-Podcast „Bei Anruf Wein“ beim VDP-Weingut Burggarten zu Gast war, berichtete Winzer Paul Schäfer von den Schwierigkeiten, unter denen der Frühburgunder an der Ahr leide. Frühe Reife und deshalb besonders der Sonne exponierte Lagen – das war früher. Inzwischen seien andere Ausrichtungen und sogar Senken gefragt, um dem Frühburgunder gerecht zu werden. Hingegen der Spätburgunder durchaus von den veränderten Jahresverläufen profitiere. Alles nachzuhören in unserem Podcast Bei Anruf Wein.
Damit nicht genug, gibt es Winzer wie Christian Peth aus Rheinhessen, die inzwischen auch typische Bordeaux-Reben wir Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc anbauen und daraus exzellente Weine bereiten. Ähnliches Experimentieren mit eigentlich gebietsfremden und wärmeliebenden Reben finden sich aber auch in vielen anderen Weinregionen. Da ist etwas in Bewegung geraten.
Rebschnitt, Schatten & Co.: noch konkreter
Auf andere Rebsorten zu setzen, Lagen neu zu bewerten oder gar neue, bessere zu finden – das bedeutet einen großen Einschnitt in die Tradition der Weinregionen. Doch es gibt auch Maßnahmen im Weinberg selbst, die auf die Veränderungen des Klimas reagieren. Zum Beispiel bei der Laubarbeit. War es früher auch in den warmen Regionen üblich, die Trauben freizulegen, damit sie mehr Sonne abbekommen, wird mittlerweile das Blattwerk oft so beschnitten, dass es den Trauben zu den heißesten Stunden eher Schatten gibt. Auch Bäume werden mit in den Rebflächen gepflanzt, deren wandernder Schatten, den Reben Erholung verschafft.
Die Ressource Wasser ist ebenfalls sorgsamer zu handhaben. Bei heftigen Regenfällen ist der Boden davor zu schützen, weggespült zu werden. Dagegen ist man bemüht, das auf einmal in großer Menge vorhandene Wasser so zu führen, dass es besser versickern kann oder man versucht gar, es aufzufangen und für andere Arbeitsschritte zu nutzen. Das gilt übrigens auch für den Wasserverbrauch in der Kellerei. Erst recht, wenn sich um Nachhaltigkeit im Weinbau bemüht.
Ende offen: jedes Jahr neu lernen
Kompliziert wird der Umgang mit dem Klimawandel dadurch, dass er eben nicht eine gleichmäßige Entwicklung beschreibt, sondern große Schwankungen bereithält. Auf extrem warme Jahre folgt wieder ein ganz normales oder auch kühles. Das erfordert von den Winzern noch mehr Flexibilität bei der Arbeit und noch mehr Aufmerksamkeit während der einzelnen Vegetationsphasen. Was dieses Jahr richtig ist, ist vielleicht im kommenden Jahr nicht mehr passend. Umso mehr verdienen die Winzerinnen und Weinmacher unseren Respekt für ihre Arbeit, die wegen des Klimawandels deutlich schwieriger geworden ist.