Freund oder Feind: Zuviel Alkohol im Wein?

Am 28. Dezember 2018 · von Daniel Münster

Kaum ein anderes Thema wird in der Weinwelt so kontrovers und leidenschaftlich diskutiert als der über die vergangenen Jahrzehnte immer weiter ansteigende Alkoholgehalt in Weinen. Doch was bewegt Winzer dazu, alkoholreichere Weine zu produzieren und warum stößt diese Entwicklung auf Kritik bei Genießern leichter Weine? Daniel Münster hat hochprozentig recherchiert.

Das Thema Klimawandel ist in aller Munde und in Bezug auf Wein ist dies wortwörtlich zu verstehen: Winzer haben nicht etwa aus freien Stücken entschieden, ihre Weine mit mehr Alkohol als noch vor 20 Jahren auf die Flasche zu füllen. Sie haben aufgrund der immer weiter ansteigenden Temperaturen in aller Welt schlichtweg keine andere Möglichkeit.

Alkohol im Wein

Mehr Zucker = mehr Alkohol

Doch warum bringen höhere Temperaturen mehr Alkohol in den Wein? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Mehr Sonnenstunden und höhere Temperaturen lassen in den Trauben mehr Zucker entstehen, sie werden reifer und süßer. Der höhere Zuckergehalt sorgt wiederum dafür, dass im Zuge der alkoholischen Gärung auch mehr Ethanol, so genannter „Trinkalkohol“, entsteht. Denn die durch Hefen ausgelöste, alkoholische Gärung wandelt Zucker in Alkohol um – als Nebenprodukte entstehen zudem Kohlendioxid und Wärme. Wenn man nun das Ziel verfolgt, einen trockenen Wein zu produzieren, hat man keine andere Wahl als den Zucker komplett in Alkohol umzuwandeln.

Alkohol im Wein

Hoher Alkoholgehalt: Sind alle Weinländer betroffen?

Versteht man diese Ausführung, wird klar, dass besonders warme Weinländer vor größeren Herausforderungen stehen als Länder mit gemäßigtem Klima. Wo man sich in Ländern wie Spanien, aber auch Chile und Argentinien noch mit der Verlagerung der Rebflächen in höhere Lagen behelfen kann, wird es in Ländern wie Australien sehr schwer mit der extremen Hitze umzugehen.

Nicht nur ist der künstliche Wasserbedarf enorm, auch die superreifen Trauben lassen teils Rotweine mit über 17% natürlichem Alkoholgehalt entstehen, die zudem kaum mehr erfrischende Säure enthalten. Oft „müssen“ sich die Winzer dann mit den (legalen) Maßnahmen der Entalkoholisierung und der Zugabe von Säure („Säuerung“ durch Weinsäure) behelfen.

Aber auch im Weinland Deutschland sind die Effekte des Klimawandels schon lange spürbar. Musste früher in besonders unfreundlichen Jahrgängen dem Most noch Zucker für die Vergärung zugegeben werden, lassen sich aktuell in eigentlich allen deutschen Weinregionen vollreife Trauben ernten. Mehr noch: In den südlichen Weinregionen wie Baden und Pfalz sind ein hoher Alkoholgehalt und ein niedriger Säuregehalt schon jetzt ein Problem.

Alkohol im Wein

Alkohol im Wein: eine Frage der Rebsorte

Aber nicht nur das Klima nimmt Einfluss auf den Alkoholgehalt des fertigen Weins. Auch die Rebsorte ist ein ausschlaggebender Faktor. Wie von anderen Früchten bekannt, gibt es in Bezug auf die Süße und Reifeentwicklung auch bei Trauben von Sorte zu Sorte teils erhebliche Unterschiede.

So lässt zwar ein niedriger Alkoholgehalt (unter 10%) zunächst auf einen restsüßen Wein schließen, bei dem der Zucker nicht komplett in Alkohol umgewandelt wurde, doch wird beispielsweise ein Riesling auch unter identischen Entwicklungsbedingungen immer weniger Zucker bzw. Alkohol produzieren als z.B. ein Chardonnay. Ähnliches gilt für einen Pinot Noir bzw. Spätburgunder, der durch seine spezifische Rebsortenbeschaffenheit immer ein leichter und alkoholärmer sein wird als beispielsweise ein Syrah oder Primitivo.

Alkohol im Wein

Schadet mehr Alkohol dem Wein?

So müssen wir uns wohl daran gewöhnen, dass ein durchschnittlicher Rotwein heutzutage keine 12 bis 13% Alkohol mehr enthält, sondern eher 14 bis 15% Alkohol. Und auch trockene Weißweine kommen nur noch selten unter 13% Alkohol daher – Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Ein trockener Weißwein von der Mosel kann aus einem eher kühlen Jahrgang nach wie vor einen Alkoholgehalt von nur 10,5% haben.

Aber es ist nicht nur entscheidend darauf zu achten, aus welcher geografischen Lage ein Wein stammt und wie die Jahrgangsumstände waren, man sollte auch eine gewisse Grundoffenheit gegenüber Weinen mit höherem Alkoholgehalt haben. Denn: Zwei, drei Prozent mehr bedeuten nicht zwangsläufig einen Wein mit stärkerem Alkoholgehalt. Sicherlich führt man seinem Körper mehr Alkohol zu, doch ist der Unterschied aus gesundheitlichem Blickwinkel meist marginal.

Wichtiger ist zu verstehen, dass ein unangenehmer, alkoholischer Eindruck des Weins nicht nur von dem Alkoholgehalt selbst abhängt. So können auch Weine mit wenig Alkohol „spritig“ wirken, sobald der Alkohol durch Komponenten wie Tannine und Säure nicht ausreichend ausbalanciert wird. Der gültige Umkehrschluss wurde mir persönlich schon unter Beweis gestellt: Ein australischer Shiraz mit satten 16% Alkohol wirkte auf mich bei einer Verkostung keineswegs alkoholisch. Durch seinen kräftigen Körper, die intensive Frucht und noch ausreichend Säure spielte sich der Alkohol zu keinem Zeitpunkt in den Vordergrund.

Und eines muss noch erwähnt werden: Alkohol ist auch ein Geschmacksträger, der andere aromatische Eigenschaften des Weins betont. Darüber hinaus ist der Alkohol unverzichtbar, wenn es um eine längere Reife geht. Alkohol ist nämlich ein natürliches Konservierungsmittel. Auch das gilt es zu berücksichtigen, wenn über das Wohl und Wehe des Alkohols im Wein diskutiert wird.

Alkohol im Wein

Alternative alkoholreduzierter oder alkoholfreier Wein?

Immer mehr Menschen möchten zwar Wein genießen, sich aber nicht mit den Auswirkungen des Alkoholkonsums konfrontieren. Daher lassen sich mittlerweile viele alkoholreduzierte (Weiß-)Weine im Weinhandel finden. Diesen enthalten meistens genau 9% Alkohol, denn unter diesem Wert darf sich das Getränk nicht mehr als Wein bezeichnen.

Aber auch „Weine“ ganz ohne Alkohol werden immer populärer. Technisch betrachtet wird dieser „Antialkoholiker“ erst einmal als normaler Wein hergestellt. Anschließend wird ihm unter Vakuum der Alkohol entzogen. Dieses spezielle Destillationsverfahren kann bei sehr niedrigen Temperaturen (unter 30 Grad Celsius) durchgeführt werden, so dass die Aromastoffe des Weines größtenteils erhalten bleiben.

Weinfreundschaftliche Tipps zum Thema Alkohol

Wer einmal Weine ganz ohne Alkohol probieren möchte, kann jetzt unsere speziell zusammengestellte Auswahl aus dem Weinfreunde-Shop probieren. Ein garantiert unbeschwerter Genuss.

Hier geht es zu unseren alkoholfreien Weinen.

Aber auch die Erfahrung einen Wein mit durchaus selbstbewusstem Alkoholgehalt zu probieren ist mehr als nur interessant. Folgende Empfehlung beweist, dass ein vergleichsweise hoher Alkoholgehalt kein negatives Attribut sein muss sofern der Wein dadurch nicht dominiert wird.

 

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Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang noch eine Servierempfehlung auszusprechen, die mir auch abseits vom Thema Alkoholgehalt wichtig ist: Servieren Sie Rotweine leicht gekühlt. 16 bis 18 Grad Celsius machen jeden Rotwein gefälliger. Moderne Zimmertemperaturen von 21 bis 22 Grad Celsius hingegen sorgen insbesondere dafür, dass der Alkohol stärker in Erscheinung tritt.

Mehr zu dem Thema beim Weinfreunde Podcast „Bei Anruf Wein“

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