Was ist eine Steillage?
Am 2. Mai 2023 · von WeinfreundeEine Steillage bezeichnet Weinberge, die mehr als 30 Prozent Neigung aufweisen. Mit optimaler Ausrichtung und einer ganz besonderen Thermik bieten sie beste Bedingungen für die Reben. Allerdings stehen Steillagen auch für viel händische Arbeit im Weinberg.
Finn R. aus Magdeburg hat das Wort „Steillage“ auf dem Etikett seines Moselrieslings entdeckt und will nun wissen, was diese Vokabel genau bedeutet. Tatsächlich, mit Steillage, Hanglage, Terrassenlage geistern so einige Begriffe durch die Weinlandschaft, die auf Rebflächen mit einer großen Neigung hinweisen. Neigung, noch solch ein Begriff, der für Verwirrung sorgen kann, definieren manche die Neigung in Grad, andere dagegen in Prozenten. Ein wenig Aufklärung tut Not, um den Wissensstand – sagen wir mal – geradezurücken.
Steillage im Weinbau: Prozente oder Grad?
Etwas Physik kann helfen, um erst einmal eine Vorstellung von Hangneigung und Steillage zu gewinnen. Nebenbei erleichtert dies auch das Verstehen der Verkehrszeichen im Gebirge, die ebenfalls mit Prozentangaben arbeiten. Nicht zuletzt fällt es auf diesem Weg einfacher, Angaben in Grad und Prozenten auseinanderzuhalten. Wenn ein Berg senkrecht abfällt, liegen 90 Grad vor. Für einen steilen Hang ist jedoch eine andere Definition maßgeblich. Hier gilt, 100 Prozent entsprechen 45 Grad, und weist ein Weinberg mehr als 30 Prozent Neigung respektive Steigung auf, wird er als Steillage bezeichnet. Übersetzt in Grad entspricht dies 13,5. Alles darunter ist eine simple Hanglage.
Übrigens entfallen in etwa 60 Prozent aller Rebflächen in Deutschland auf Hang- und Steillagen. Die restlichen 40 Prozent machen – Achtung noch ein Begriff – die sogenannten Flachlagen aus. Die simple Hanglage ist noch nicht das Besondere, das wirklich Außergewöhnliche ist die Steillage. Doch was genau unterscheidet die Steillage von der Hang- und der Flachlage? Warum ist sie überhaupt so vorteilhaft für den Weinbau?
Die Ausrichtung und Thermik
Letztlich geht es immer um das Wohlergehen der Trauben, darum, dass sie perfekt reifen. Da hat nun die Steillage einige Vorteile aufzubieten. Etwa ihre optimale Ausrichtung zum Lauf der Sonne. Sie sorgt dafür, dass in steilen Lagen die Reben mehr Sonne abbekommen als in Flachlagen – allein, weil sich die Rebzeilen nicht gegenseitig beschatten. An der Mosel ist beispielhaft zu beobachten, wie trotz nördlichen Klimas und des spät reifenden Rieslings die Steillage für Weine von Weltruf sorgt. Immerhin finden sich rund ein Viertel aller deutschen Steillagen an der Mosel. Auch im noch nördlicheren Anbaugebiet Ahr und beim Spätburgunder kann beobachtet werden, was Steillagen bewirken.
Die Exposition, so der Fachbegriff für die Ausrichtung des Weinbergs zur Sonne, ist das eine. Das andere ist die Zirkulation der Luft in einer Steillage. Am Abend fällt die kühle Luft hinab und verschafft so den Trauben notwendige Erholung. Am Morgen erwärmt sich die Luft erneut und wandert den Hang hinauf. In der Folge steigt die Temperatur moderater an als in einer Flachlage. Ein Effekt, der an der Mosel bemerkbar ist, noch viel mehr jedoch in der portugiesischen Weinregion am Douro. Weiterer Vorteil dieser besonderen Thermik ist, dass Steillagen allgemein weniger anfällig für Frostschäden sind.
Steillage: ohne Fleiß kein Preis
Noch einmal zurück zur Physik. Ein Arbeiten mit schwerem Gerät oder gar Vollerntern ist in einer Steillage schlichtweg nicht möglich. So werden vom Rebschnitt und der Bodenpflege bis zur Lese sämtliche Arbeitsschritte per Hand – und Fuß – sowie entgegen der Schwerkraft geleistet. Maschinelle Unterstützung stellen nur Monorackbahnen und Seilzüge in Aussicht, die Lasten entlang einer fixen Strecke herunter und wieder hinauf transportieren. Abgesehen davon, dass es mittlerweile schwer ist, Mitarbeiter für die Bewirtschaftung einer Steillage zu finden. Aufgrund der händischen Mehrarbeit im Weinberg kostet ein Wein aus einer Steillage einfach mehr.
Nicht umsonst ist die „Steillage“ oder der „Steillagenwein“ ein Herausstellungsmerkmal, das auch auf dem Flaschenetikett erscheint. Vorgeschrieben sind die bereits erklärten 30 Prozent Neigung. Dies hat sich übrigens mit dem neuen deutschen Weingesetz nicht geändert, vielmehr dürfen seit 2021 auch Schaumweine, die von Reben in einer Steillage stammen, diese besondere Herkunft auf dem Etikett vermerken.
Terrassenwein mal anders: Steillage in der Fläche
Um in steilem Gelände Wein anzubauen, setzt man bereits seit der Antike auf das Terrassieren der Hänge. Dadurch gewinnen die Winzerinnen und Winzer kleine Parzellen von halbwegs ebenem Grund, der dennoch in extremer Hanglage situiert sein kann. Die Vorteile der Ausrichtung mögen dadurch eingeschränkt sein, die günstige Thermik gilt aber auch für diese Lagen.
Mag ein ebener Weingarten im Hang auch einfacher zu bearbeiten sein. Die Schwierigkeiten beim Transport von Gerät und Trauben sind nahezu die gleichen. Zudem sind auch der Erhalt und die Renovierung der Trockensteinmauern, die die Terrassen begrenzen, mit beträchtlichem Aufwand verbunden.
Steillage: Pro & Contra
Vieles spricht für die Steillage, wenn allein die Qualität eines Weines zählt. Arbeit und Aufwand sind jedoch nicht zu unterschätzen. Nicht umsonst wird der Erhalt oder die Neubepflanzung von Steillagen gesondert gefördert. Bereits die Römer prägten den Merksatz „Bacchus amat colles“ – der Weingott Bacchus liebt die Hügel. Aber die Steillage birgt auch einige Risiken. So droht bei starken Regenfällen Erosion, die den Boden abträgt. Liegen Steillagen zeitweise brach, verbuschen und verwildern die Parzellen schnell – noch mehr Arbeit also, wenn man diese Lagen wieder für den Weinbau nutzen will.
Viel Mühe haben die Winzerinnen und Winzer mit einer Steillage, aber der Aufwand lohnt unbedingt. Gerade das neue Weingesetz, das stärker auf die Herkunft setzt und die Qualität einer Lage noch mehr berücksichtigt, macht die Steillagen attraktiver.
Steillagen international: je nach Neigung
Berühmt für seine Steillagen sind auch die österreichische Wachau und die Region Dézaley in der Schweiz. In Frankreich sind zuerst die Anbaugebiete von Condrieu, Côte-Rôtie, Hermitage und Cornas an der nördlichen Rhône zu nennen. In Italien besucht man am besten die Cinque Terre, wenn Steillagen gewünscht sind. Die vielleicht bekanntesten Steillagen Deutschlands sind der Calmont an der Mosel (78 Prozent), der Engelsfelsen in Baden (75 Prozent) und der Rüdesheimer Schlossberg im Rheingau (70 Prozent).