Heuriger und Buschenschank: Österreichs Weinkultur
Am 29. Dezember 2023 · von Sven ReinboldÖsterreich hat nicht nur wunderbare Weine aufzubieten, sondern auch eine ursprüngliche Art Weinkultur genüsslich zu zelebrieren. Sven Reinbold wirbt aus voller Überzeugung für Heurigen und Brettljause, Buschenschenke und Kellergassen – die Weinkultur in Österreich.
Weine aus Österreich gehören zu den Gewinnern der vergangenen Jahre. Grüner Veltliner und Gemischter Satz, aber auch Blaufränkisch alias Lemberger und Blauer Zweigelt erfreuen sich unter deutschen Weinfreunden immer größerer Beliebtheit. Umso irdischer ist deren Glück, wenn sie das Nachbarland bereisen und die österreichische Weinkultur in allen Belangen erkunden. Hier kommen ein paar Tipps, die Österreich auf die Liste für die nächste Reise bringen.
Besuche vor Ort: Weingüter und Kellergassen
Selbstverständlich zählt der Besuch von Weingütern vor Ort zum Pflichtprogramm – gleich in welcher Weinregion Österreichs man zu Gast ist. Dabei gilt es seine Favoriten kennenzulernen oder auf Empfehlung neue Winzerinnen und Winzer zu entdecken. Eine typisch österreichische Art dies zu tun ist das Abtauchen in den Kellergassen. In vielen Weinregionen erzeugte man früher den Wein in außerhalb des Weinguts gelegenen Presshäusern. In manchen Gegenden wie dem Weinviertel bilden diese Presshäuser geradezu eigene Dörfer.
Mittlerweile erzeugen und lagern die Winzerinnen und Weinmacher ihre Weine meist direkt im Weingut. Dennoch sind die Kellergassen nicht aus der Mode gekommen. Vielmehr haben sie sich zu Weinbegegnungsstätten gewandelt. Verkostungen und Führungen, Feste und Kultur-Events – falls es in der Region Kellergassen gibt, unbedingt über deren Angebot informieren. Es lohnt sich!
Wein, Kultur, Landschaft: Weinstraßen
Um die Region mit dem Fahrrad oder in kleineren Etappen zu Fuß zu erkunden und sich dem Wein auch von seiner landschaftlichen Seite zu nähern, gibt es zahlreiche Weinstraßen und Themenwanderwege vom Burgenland bis zur Steiermark. Dabei lässt sich erfahren, wie sehr Wein immer schon ein Kulturbegleiter des Menschen war. Das zeigen die ost-steirische Römerweinstraße oder der Bernstein-Trail im Burgenland, der eben auch Weinhandelsweg war. Noch mehr Kultur gibt es, wenn man an Stationen wie dem berühmten Stift Klosterneuburg unweit der Hauptstadt Wien oder der Abtei Melk (Stift Melk) in der Wachau Halt macht. Einige Regionen wie Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark haben sogenannte Gebietsvinotheken eingerichtet, wo man sich einen ersten Überblick ertrinken kann – natürlich auch unter Anleitung.
Heuriger und Buschenschank: Weinkultur in Österreich
Die Kaffeehauskultur genießt man in Österreich in den Städten, wer Weinkultur erleben will, muss eine Heurigenschänke oder ein Buschenschank besuchen. Verwandt sind die beiden mit der Straußenwirtschaft, die wir von Baden bis Pfalz und Rheinhessen kennen. Die Grundidee ist dieselbe: Zu bestimmten Zeiten bietet ein Weingut eigene Weine und einfache Speisen an. Pop-Up-Gastronomie heißt das auf Neudeutsch. Der „Strauß“ im deutschen Begriff entspricht dabei dem „Buschen“ im Österreichischen. Gemeint ist ein Büschel Zweige über dem Tor oder der Tür, der anzeigt, dass die Wirtschaft geöffnet ist. Passend dazu ist auf einem Schild oft vermerkt „ausgsteckt is“ oder einfach nur „ausgsteckt“.
Neuer Jahrgang & Lagerräumung: Ursprünge des Heurigen
Die ursprüngliche Idee hinter Buschenschank und Heurigenschänke ist eine Art traditionelle Form der Promotion und Absatzförderung. Den Weinbauern wurde erlaubt, zu eingeschränkten Zeiten ihre Weine zu verkaufen, um sie zu unterstützen. Dabei ging es einerseits um das Vorzeigen der neuen Weine aus dem aktuellen Jahr. Heuriger leitet sich nämlich von dem süddeutschen „heuer“ ab, was soviel wie „aus diesem Jahr“ bedeutet. Gemeint ist also der neue Wein aus dem gleichen Jahr, weshalb der Ausschank bis zum Martinstag am 11. November beschränkt war.
Oftmals gab es noch einen zweiten Termin im Jahr, an dem quasi das Lager für die anstehende Lese aufgeräumt wurde und so einige Weine in den offenen Verkauf kamen. Bis heute üblich ist es, dass sich die Weingüter der Gegend absprechen, damit die Grundversorgung an Buschenschenken gewährleistet ist und alle Weinbauern etwas davon haben.
Weingastronomie à la Österreich: Brettljause
Unter die Einschränkungen für einen Buschenschank fällt auch, dass traditionell nur einfache, kalte Speisen zum Wein gereicht werden dürfen. Ein 5-Gänge-Menü ist also nicht zu erwarten, dafür aber eine deftige Brettljause. Das sind meist auf einem Brett gereichte Wurstwaren, Schinken und Speck, Käse und eingelegtes Gemüse. Hier und da bietet die Buschenschanke aber auch süße Varianten der Essensbegleitung an.
Gerade diese Einfachheit haben einige Heurigenlokale zu einer eigenen Kunstform entwickelt. Beste Produkte aus der Region in überraschend raffinierten Varianten zu einem Wein, der längst nicht mehr nur aus dem aktuellen Jahr stammt – hier lädt vielmehr Weinhochkultur zum Anfassen zu Tisch.