Trends im Weinbau: Technische Helfer
Am 15. August 2023 · von Sven Reinbold„Besser, weil schneller und günstiger“ heißt oft das Argument, wenn es um Technikeinsatz im Weinberg geht. Allerdings mit Qualitätseinbußen, erwidern die Kritiker. Weinfreund Sven verschafft einen kleinen Überblick über Technik-Trends für die eigene Meinung.
Das Bild von den Winzerinnen und Winzern, die sich im Weinberg um das Wohl der Reben und Trauben kümmern, wird nur zu gern romantisiert. Wein zu machen ist nämlich harte Arbeit, die man sich mithilfe von Maschinen und Technik deutlich erleichtern kann. Der landwirtschaftliche Anteil am Weinmachen ist nicht zu unterschätzen. Doch welchen Einfluss haben die verschiedenen technischen Hilfsmittel auf die Qualität von Wein? Eine Frage, die kontrovers diskutiert wird. Umso wichtiger ist es, sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen.
Maschinen im Weinberg
Während sich niemand daran stößt, dass der Traktor beim Transport von Gerät, Material und Trauben zum Einsatz kommen, rümpfen viele beim Vollernter, der die Lese komplett maschinell erledigt, die Nase. Bei temperaturkontrollierten Edelstahltanks sind sich wiederum alle einig, dass sie zu einem generellen Qualitätssprung bei der Weinerzeugung beigetragen haben.
Gibt es im Weinbau also gute und böse Technik? Und woran machen die Kritiker den Unterschied fest? Tatsächlich sind es Qualitätsmerkmale, die für die Grenzziehung herangezogen werden. Das Befahren der Rebanlagen mit schwerem Gerät hat beispielsweise Einfluss auf den Boden. Er wird durch das Gewicht verdichtet und verliert damit an der lockeren, auch für Wasser besser durchlässigen Struktur, die als ideal für die Reben gilt.
Vollernter: schneller und flexibler
Der Vollernter liefere bei der Lese weniger gute Ergebnisse wie die Lese von Hand, weil er die Trauben nicht so gut selektiere wie geschulte Hände, lautet ein Vorwurf. Denn ein Vollernter fährt durch die Rebzeilen und schüttelt die Trauben mit vibrierenden Glasfaserstäben von den Reben ab. Ein Vollernter ist besonders hoch gebaut, sodass er mit dem Aufbau über die Reben hinwegfahren kann. Früher vornehmlich im flachen Gelände einsetzbar, meistern sie jetzt auch steilere Lagen. Dabei weiß ein guter Vollernter durchaus zu selektieren. Beispielsweise entfernt ein Gebläse Blätter und Insekten und eine Sortieranlage kümmert sich um faule und zu kleine, noch nicht reife Trauben. Die Lese landet direkt in Kisten und steht damit für den Transport in den Keller sofort zur Verfügung. Mitunter geschieht dies komplett automatisch.
Abgesehen davon, dass es überhaupt immer schwieriger wird, genügend fleißige Hände für die Lese zu organisieren, ist dies auch eine Frage von Verfügbarkeit, Zeit und Geld. Der Vollernter steht immer zur Verfügung und benötigt für die Lese von einem Hektar ungefähr drei Stunden. Menschliche Erntehelfer schlagen für dieselbe Fläche mit etwa 250 Stunden zu Buche – so Pi mal Daumen. Damit kommen auch die Trauben schneller und „frischer“ in den Keller. Der Vollernter erlaubt es den Winzerinnen und Winzern zudem sehr flexibel zu agieren. Das Zeitfenster mit einem optimalen Lesezeitpunkt ist nur kurz offen und fällt bei verschiedenen Lagen und Rebsorten sehr unterschiedlich aus. Das lässt sich mit dem Vollernter einfacher umsetzen. Auch wenn besondere Wetterverhältnisse während der Lese schnelles Handeln erforderlichen machen, hat der Vollernter seine Vorteile.
Trends über den Reben: Helikopter und Drohnen
Geht es um Pflanzenschutz und das Besprühen der Reben, kommen in manchen Regionen auch Helikopter zum Einsatz. Sie können einerseits im großen Stil Fläche abarbeiten, sind aber beispielsweise in steilen, nur schwer zugänglichen Weinbergen oft das Mittel der Wahl. Kritik fährt der fliegende Pflanzenschutz ein, weil er mehr chemische Mittel versprüht, da nicht nur die Reben selbst, sondern die komplette Parzelle behandelt wird. Zudem schränkt der Wind mitunter seine Treffsicherheit ein und die versprühten Pflanzenschutzmittel landeten gar nicht nur auf den Rebflächen. Seit etwa zwei Jahren greifen Winzer mit Steillagen für diesen Zweck nun auch auf Drohnen zurück. Sie arbeiten günstiger, emissionsärmer, zielgenauer und benötigen weniger Pflanzenschutzmittel oder Dünger als der Hubschrauber.
In welchen Lagen Hubschrauber und Drohne mitarbeiten dürfen, ist genau festgelegt. Auch für den Einsatz selbst gibt es strenge Vorschriften. Aber Drohnen sind auch gute Beobachter aus der Vogelperspektive, die einen schnellen Überblick über den Zustand der Weinberge und der Reben geben. Exakte Navigation nach vorgegebenen GPS-Koordinaten, zusätzliches Datensammeln, der Einsatz von Drohnen im Weinbau verspricht, noch eine interessante Entwicklung zu nehmen.
Schüsse im Weinberg: Störgeräusche gegen Diebe
Kurz vor der Lese, wenn die Trauben schon reif sind, machen sich in manchen Weinregionen Vogelschwärme mit Vorliebe über die Früchte her. Früher standen tatsächlich Menschen im Weinberg, um sprichwörtlich mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, dann haben sogenannte Schussapparate den Job übernommen. Mit Luft- oder Gasdruck geben sie in unregelmäßigen Abständen Knallgeräusche ab – also nicht erschrecken beim Spaziergang. Bei einem Winzer im Nordwesten Spaniens gibt es dagegen eine Anlage, die verschiedene Vogelgeräusche abspielt. Zum einen den Ruf von Raubvögeln, aber auch die quälenden letzten Töne geschlagener Vögel. Mit guten Resultaten übrigens.
Trends im Weinanbau: Low Tech, High Tech & No Tech
Der Technikeinsatz im Weinbau wird sich weiterentwickeln, allein weil es genügend Perfektionisten gibt, die nicht aufgeben, mit allen Mitteln an der Qualität der Weine zu schrauben. Ebenfalls in Nordwestspanien, im Anbaugebiet Rías Baixas in Galizien, hat sich ein Winzer eine Kombination aus großem Heizlüfter und Windrad ausgedacht, mit der er die ab Spätsommer aufkommenden Nebel aus seinen Weingärten verscheucht. Mag solche Low Tech veraltet anmuten, funktionieren tut sie allemal. High Tech kommt dagegen bei einem toskanischen Weingut ins Spiel, das mit einer automatischen, optisch gesteuerten Selektieranlage arbeitet. Die Technologie stammt ursprünglich aus dem Obstanbau, genauer gesagt aus der Qualitätskontrolle für Beerenfrüchte.
Aber der Technik werden auch bewusst Grenzen gesetzt. Beispielsweise schreiben die VDP-Statuten für die Große Lage und die Erste Lage die Lese per Hand schlichtweg vor. Da ist No Tech eine klare Qualitätsanforderung. Zudem müssen noch die Winzerinnen und Winzer genannt werden, die bewusst auf Technik im Weinberg verzichten. Sie setzen auf Pferd statt Maschine und lassen sich auch mal von Schafen helfen, wenn es darum geht, die Vegetation kleinzuhalten. Ganz ohne Technik kommen selbst diese Weinerzeuger aber nicht aus. Welche technischen Helfer zum Einsatz kommen, entscheidet nicht zuletzt die Philosophie eines Weinguts, aber auch die Größe des Erzeugers. Die eine technische Lösung für alle Weinqualitäten wird es daher auch in Zukunft nicht geben.