Das Carnuntum – von Römern, Rubin und Rotwein
Am 15. Dezember 2017 · von Daniel MünsterEtwas weniger als die Hälfte misst die österreichische Rebfläche im Vergleich zu den deutschen Anbaugebieten. Auf rund 45.000 Hektar wächst bei unseren Nachbarn Wein und 65 Prozent der Reben sind weiß. Regionen wie die Wachau haben sich bereits länderübergreifend einen Namen gemacht, doch es lohnt mittlerweile, auch bei den kleineren Anbaugebieten genauer hinzuschauen. Unser Weinfreund Alex Huber hat ein Faible für die Weine aus dem Carnuntum. Carnuntum? Genau! Der Kollege war vor Ort, um uns über diese Gegend aufzuklären.
Nur etwa eine Viertelstunde dauert die Fahrt vom Wiener Flughafen Schwechat und schon befindet man sich in einer anderen Welt, nämlich inmitten der Weinregion Carnuntum. Das Carnuntum ist Teil des größten Anbaugebiets des Landes, Niederösterreich, doch mit gerade einmal 910 Hektar Rebfläche nur der zweitkleinste Bestandteil der Großregion.
Das Carnuntum zieht sich östlich von Wien bis an die Landesgrenze der Slowakei. Damit liegt es zwischen den Alpen und den Karpaten und wird zudem nördlich durch die Donau und südlich durch den Neusiedlersee begrenzt. Man muss kein Weinexperte sein, um zu verstehen, dass diese geographische Lage für ein ganz spezifisch ausgeprägtes Klima sorgt. So liegen die Weinberge im Carnuntum zwar nicht höher als 200 Meter, doch sind es die großen Unterschiede zwischen heißen Sommern und kalten Wintern sowie die fetten, reichhaltigen Böden, die ideale Voraussetzungen für Wein bieten. Vor allem für Rotwein. Und das in dem für seinen Grünen Veltliner bekannten Niederösterreich.
Ungewöhnlich. Gut. Rotwein aus dem Carnuntum
Im erst seit 1993 eigenständigen Carnuntum überzeugt mich insbesondere der Blaufränkisch. Auch der manchmal etwas schlicht wirkende Zweigelt läuft hier zu Hochform auf – insbesondere als Bestandteil hochwertiger Cuvées. Der „Grüne“, aber auch Weißburgunder, Chardonnay, ja sogar Sauvignon Blanc lassen zwar tolle, vergleichsweise säurearme Weißweine entstehen, doch sind es die Roten, die es mir persönlich angetan haben.
Vor allem die „Rubin Carnuntum“ Weine finde ich besonders erwähnenswert. Nicht nur wegen der guten Weinqualität dieses Labels, sondern vor allem, weil diese Bezeichnung eine Eigenkreation der gut 40 Winzer des Gebiets ist. Es handelt sich also nicht um eine Qualitätsbezeichnung des offiziellen Weinverbands, sondern um einen selbstaufgelegten Standard für Rotweine, der für ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis steht: Immer zu 100 Prozent aus Zweigelt und immer mit einem sanften Ausbau im Holzfass. Die Weine kosten zwischen 8,50 und 12 Euro pro Flasche und stellen in der Tat eine günstige Möglichkeit dar, das Weinbaugebiet Carnuntum kennenzulernen. Für mich wirklich eine clevere Idee, die hier die Winzer hatten.
Wer hat’s erfunden? Carnuntum und die Römer
Aber wer oder was verbirgt sich eigentlich hinter dem ungewöhnlichen Namen Carnuntum? Richtig, wie sich bereits an der Namensendung vermuten lässt, sind es mal wieder die Römer, die hier ihre Finger im Spiel hatten. Carnuntum war der Name einer Römersiedlung, die Legionäre im Jahr 6 nach Christus als befestigtes Winterlager anlegten und die sich in den folgenden Jahrhunderten zu einer der bedeutendsten Städte des römischen Imperiums entwickelte. Unter Kaiser Marc Aurel war Carnuntum sogar zwischen 171 und 173 mit 50.000 Einwohnern römische Kaiserresidenz.
Diesen glorreichen Geschichten kann man im Carnuntum im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gehen. 1992 fand man bei Ausgrabungen neben römischen Goldmünzen und anderer Handwerkskunst auch die Grundmauern eines Legionärslagers inklusive einer großen Therme. Bei den Ausgrabungen wollte man es damals nicht belassen. Vielmehr wollten die Forscher die römische Vorgeschichte erlebbar machen. Und zwar einem extremen Pragmatismus folgend: Auf den gefundenen Mauern baute man die Gebäude mithilfe moderner 3D-Computersimulationen wieder auf. Und dass mit der größten Realitätsnähe, nämlich ganz ohne Strom und nur mit Materialien, die auch schon die Römer verwendet hatten. So taucht man während eines Besuchs in der „Römerstadt Carnuntum“ sofort in die Welt der damaligen Zeit ein. Der Besuch ist somit wärmstens empfohlen.
Aber zurück zum Wein. Wenn man vor Ort über Carnuntum spricht, fällt ganz schnell der Name Göttlesbrunn. In diesem, zunächst recht verschlafen wirkenden Ort mit etwas über 1000 Einwohnern ist die Winzerdichte besonders hoch und auch touristisch wird hier einiges geboten. Neben dem kleinen, liebevoll geführten Gästehaus im Weingut Edelmann finden sich in Göttlesbrunn direkt zwei Restaurants auf erstaunlich hohem Niveau: Der Jungwirt und das Vinarium Bittermann sind stets gut besucht, verfügen über Weinkarten mit praktisch allen Weinen der Region und bieten extrem schmackhaftes Essen. Der gute Wein und die Nähe Wiens sorgen für viele Ausflügler und der kurze Weg zum Flughafen macht einen Kurztrip aus Deutschland in die Gegend äußerst unaufwendig.
Carnuntum par excellence: die Weingüter Grassl und Netzl
Uns Weinfreunde interessieren in Göttlesbrunn besonders zwei Weingüter: Grassl und Netzl. Diese haben nicht nur das „l“ am Ende des Namens gemeinsam, sondern auch die sehr hohe Weinqualität.
Philipp Grassl ist 39 Jahre alt und hat das elterliche Weingut bereits Ende der 90er-Jahre übernommen. Zuvor war er unter anderem in Kalifornien, um sich in Sachen Wein fortzubilden. So ist der dynamische Philipp Grassl trotz seines jungen Alters bereits ein alter Hase. Man merkt ihm seine Leidenschaft für die Materie sofort an, wenn er über den „reinigenden Effekt“ Mitte der Achtziger Jahre redet. Er spricht es zwar nicht aus, aber er meint den Glykolskandal, der nicht nur in Deutschland, sondern vor allem in Österreich das Image der dort produzierten Weine von jetzt auf gleich ruinierte. Vorher, da ist Philipp Grassl ganz ehrlich, habe man Wien mit „teils unsäglicher Qualität“ beliefert. Davon kann jetzt bei Grassl nicht mehr die Rede sein. Die 25 Hektar Rebfläche des Weingutes werden biologisch bewirtschaftet, allerdings ohne offizielle Zertifizierung. Schlichtweg, da man bei drohender Fäule mit minimalen Eingriffen handlungsfähig bleiben möchte anstelle die hohe Qualität einfach zu opfern. „Carnuntum ist sowieso komplett insektizidfrei und Naturnähe macht für die Region auch Sinn, denn nur so kann sie ihre Identität ungeschminkt in den Weinen zeigen“, führt Philipp Grassl weiter aus. Im Weinfreunde-Sortiment finden sich ein Rubin Carnuntum sowie der Topwein, eine Cuvée aus der Einzellage „Bärnreiser“.
Franz Netzl ist auf den ersten Blick eher ein Winzer vom „alten Schlag“. Doch wenn man sich mit dem 56-jährigen ernsthaft unterhält, flammt auch bei ihm Begeisterung auf und seine Augen beginnen zu leuchten. Er steht zwar für Weinbautradition, doch ist er offen für Neues, sofern es der Qualität seiner Weine dient. So hat Franz Netzl in den vergangenen Jahrzehnten einen gemischten Landwirtschaftsbetrieb zu einem der renommiertesten Weingüter der Gegend entwickelt. Er steht aber auch innerhalb der engen Gemeinschaft der Carnuntum-Weingüter jederzeit als erfahrener Ansprechpartner zu Verfügung. Wie in der Gegend üblich, hält auch Franz Netzl nichts von Eigenbrötlerei, sondern spricht sich als Vize-Präsident der Rubin Carnuntum Weingüter vehement für eine gemeinsame Erfolgsstrategie aus. Seine 26 Hektar Rebfläche sind zu 75 Prozent mit roten Rebsorten bepflanzt, so dass auch bei Netzl die Rotweine klare Präferenz haben.
Link-Tipp
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