Fassreife von Wein: eine holzige Angelegenheit
Am 29. September 2020 · von WeinfreundeDer Ausbau von Wein im Holzfass steht für viele Weinfreunde für einen Zugewinn von Qualität. Holz sorgt aber nicht grundsätzlich für eine Verbesserung des darin gelagerten Weines. Nur die Veränderung des Inhalts ist garantiert. Doch warum verwendet man überhaupt Fässer? Und welches Holz eignet sich besonders gut und wie groß ist ein Fass optimalerweise? Zudem: Kann man herausschmecken, dass ein Wein im Holzfass ausgebaut wurde? Wir haben uns zur Klärung dieser Fragen auf den Holzweg begeben.
Bereits im 17. Jahrhundert lagerte und transportierte man die meisten Weine in Holzfässern. Aber nicht vorrangig des besseren Geschmacks wegen, sondern vielmehr aus Ermangelung an Glasflaschen. Doch auch nach der Verbreitung von Behältern aus Glas blieb man den Holzfässern – insbesondere denen aus Eichenholz – bei der Weinherstellung treu. Aber warum eigentlich?
Wie beeinflussen Holzfässer Wein?
Dass Eichenfässer Rot- und Weißwein in ihrem Geschmack und Geruch beeinflussen, ist den meisten Weinfreunden wohl bekannt. Holzfässer sind somit das genaue Gegenstück zu den völlig neutralen Edelstahltanks, die in jeder Kellerei zu finden sind, um darin die alkoholische Gärung durchzuführen. Doch ist es nicht nur das typische Vanille-Aroma, das insbesondere neue Holzfässer in Weinen entstehen lassen. Es ist die Tatsache, dass Holzfässer nicht ganz luftdicht sind, die den Unterschied macht: Der minimale Sauerstoffkontakt lässt Weine nach einer gewissen Reifezeit weicher wirken – die adstringierenden Tannine sind förmlich „abgeschliffen“.
Zudem bietet das „Klima“ in einem Holzfass ideale Voraussetzung für die sogenannte malolaktische Gärung – ein Vorgang, bei dem die im Wein enthaltene Apfelsäure in Milchsäure umgewandelt wird. Der Wein wirkt anschließend weniger säurebetont und besitzt eine gewisse „Cremigkeit“. Bei der Rotweinherstellung bereits Standard und insbesondere bei kräftigen Weißweinen auch häufig durchgeführt.
Welche Aromen erhält der Wein durch Eichenfässer?
Holz ist die einzige (zugelassene) Möglichkeit Wein aromatisch zu beeinflussen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Experimentierfreude traditionell enorm groß ist. Dabei kamen und kommen ganz unterschiedliche Holzsorten zum Einsatz – so wird man beispielsweise in einer Portwein-Kellerei immer auch alte Fässer aus Kastanienholz finden. Doch haben sich in den vergangenen Jahrhunderten im Wesentlichen Weinfässer aus Eichenholz durchgesetzt.
Von den typischen Vanille-Aromen berichtete ich bereits. Diese lassen sich sowohl in fassausgebauten Rotweinen als auch bei Weißweinen „herausriechen“. Doch abhängig vom gewählten Fass kommt ein ganzes Kaleidoskop von sensorischen Eindrücken hinzu. Als Faustformel kann man sich merken, dass würzige, eher dunkle Aromen vom Holz und weniger von den vergorenen Trauben herrühren. Riecht ein Wein also nach Zedernholz, Kokosnuss, Schokolade, Nelke oder Kaffee, liegt die Vermutung nahe, dass er Holzkontakt hatte.
Alt oder neu? Raubein trifft auf Gentleman.
Je häufiger man ein Fass mit Wein füllt und darin reifen lässt, desto weniger aromatische Komponenten gibt das Holz an den Wein ab. So wird die Einflussnahme von Belegung zu Belegung geringer. Der Winzer unterscheidet daher zwischen Erst-, Zweit- und Drittbelegung und wählt die für ihn passenden Fässer für die entsprechenden Weine sorgsam aus. Dabei wandern die besonders kraftvollen Weine am ehesten in neue Fässer. Sie halten sie dem aromatischen Einfluss stand, ihre Eigenaromen bleiben weiterhin präsent. Bei weniger füllig strukturierten Weinen sind eher gebrauchte Fässer angeraten. Oder man setzt gar einen Mix aus Alt und Neu ein, um sich dem gewünschten „Holzgrad“ vorsichtig anzunähern.
Das Volumen macht’s: Barrique & unterschiedliche Größen von Holzfässern
Eigentlich ist das Physik: Je größer ein Fass ist, desto weniger Kontakt hat das Holz mit dem Wein. Zudem wird der Wein in großen Fässern auch mit weniger Sauerstoff versorgt. Also einfach ausgedrückt: Kleine Holzfässer beeinflussen Weine stärker als große Fässer.
Das mit Abstand meist eingesetzte Fass ist das sogenannte „Barrique“. Das Format stammt aus dem Bordeaux und es handelt sich hierbei um ein Eichenfass mit einem Fassungsvermögen von 225 Litern. Dass im Burgund als „Piéce“ bekannte Fass verfügt über drei Liter mehr Volumen. Neben dem „Barrique“ gibt es lediglich noch ein Format, dem ebenfalls eine Art Standard-Maß zukommt: Das „Demi Muids“ fasst 600 Liter und kommt vor allem an der französischen Rhône zum Einsatz. Einer Gegend, in der vor allem der vergleichsweise filigrane Grenache einen moderaten Holzeinfluss verlangt.
Neben Barrique und Demi-Muids gibt es natürlich noch viele, insbesondere größere Formate. Die in Frankreich als „Foudre“ bezeichneten Fässer reichen von 1.000 bis weit über 10.000 Liter.
Zweifaltigkeit: Eichenfass ist nicht gleich Eichenfass!
Im Grunde werden nur zwei Sorten von Eiche für die Herstellung von Weinfässern eingesetzt: Die europäische Traubeneiche (quercus petrea) und die amerikanische Weiß-Eiche (quercus alba). Beide Gattungen unterscheiden sich in Hinblick auf das Aromaprofil recht deutlich. Aber warum ist das so?
Der Hauptunterschied zwischen europäischer und amerikanischen Eiche liegt in der Dichte des Holzes: Die Ringe der Traubeneiche haben nämlich einen engeren Verbund als die der amerikanischen Weiß-Eiche. Dies hat zur Folge, dass die Fässer aus Traubeneiche zum einen weniger Holzeindruck an den Wein abgeben und zum anderen weniger Sauerstoffaustausch zulassen.
Daher eignen sich neue, amerikanische Eichenfässer wirklich nur für Weine, die aus sich heraus bereits über viel Kraft und intensives Aroma verfügen. Anderenfalls ist das Risiko für zu intensiven Holzeinfluss bei amerikanischer Eiche zu groß. Dennoch wird amerikanisches Holz in einigen europäischen Gegenden sehr großzügig eingesetzt. Schlichtweg, da der internationale Markt es so verlangt. Beispielsweise sind Rotweine aus dem spanischen Ribera del Duero mit einer starken (Neu-)Holzprägung bei vielen Weinfreunden sehr beliebt.
Ein Toast auf das optimale Eichenfass!
Ein weiterer Faktor in Bezug auf die Intensität des Holzeinflusses ist der sogenannte „Toast-Grad“ der Holzfässer. Das „Toasting“ ist der Prozess des Abflämmens der Fass-Innenseite durch den Küfer. Dieser Vorgang kann ganz nach Kundenwunsch in mehreren Abstufungen vorgenommen werden. Die gängigsten Stufen sind „Light Toast“ (LT), „Medium Toast“ (MT) und „Heavy Toast“ (HT). Meist noch mit Zwischenstufen versehen, zum Beispiel „Medium Toast +“ (MT+).
Je stärker das Fass „getoastet“ ist, desto stärker setzen sich die Holzaromen im Wein durch. Zudem verändert die jeweilige Toast-Stufe auch die Ausprägung der Aromen an sich. Findet man bei einem Wein aus einem leicht geflämmten Fass noch feine Noten von Vanille, erinnert der Wein aus einem stark befeuerten Fass eher an Espresso oder dunkle Schokolade.
Zeitfaktor: Wie lange sollte ein Wein ins Fass?
Diese Frage lässt sich pauschal nur schwer beantworten, da jeder Winzer mit dem Ausbau im Holz unterschiedliche Ziele verfolgt. Dabei spielt die Kombination aus den Faktoren Wein, Fass und Zeit die entscheidende Rolle: Ein Weißwein kann beispielsweise durch wenige Monate im neuen, amerikanischen Eichenfass attraktive Aromen erhalten. Ein großer Bordeaux hingegen verbringt nicht selten mehrere Jahre in Eichenfässern zweiter Belegung, um Struktur aufzubauen und Eleganz zu erwerben.
In manchen Weinregionen ist die Dauer der Fasslagerung direkt mit einer Qualitätsbezeichnung verbunden. Spanische Begriffe wie „Crianza“ und „Reserva“ dürften Weinfreunden genauso bekannt sein wie „Riserva“-Weine aus Italien. Sie geben genau definierte Anforderungen an die Mindestdauer im Fass und die anschließende Reifezeit in der Flasche vor. Eine Regelung, die dem Konsumenten zwar die Orientierung vereinfacht, aber nicht per se ein Qualitätsgarant ist.
Jede Menge Holz: Was kostet eigentlich ein Weinfass?
Nicht nur ist die Herstellung des Fasses durch den Küfer sehr aufwendig, auch der Rohstoff hat seinen Preis. Lediglich zwei Fässer lassen sich aus einer Eiche herstellen und diese braucht mehrere Dekaden, um auf die geforderte Größe zu wachsen. So wundert es nicht, dass ein gutes Barrique 1.000 Euro und mehr kostet. Auf die einzelne Flasche Wein runtergerechnet bezogen bedeutet dies einen Preisaufschlag von drei Euro! So erklärt sich, dass fassgereifte Weine immer teurer sind als holzfreie Exemplare.
Macht der Ausbau im Holz den Wein wirklich besser?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Ist ein Wein bereits vor der Fassreife nicht gut, wird er nach seiner Zeit im Holz nicht besser sein. Lediglich aromatisch „geimpft“. Und selbst bei gutem Wein kann man Fehler machen, sofern man nicht das passende Fass einsetzt.
Trotzdem lässt sich sagen: Der Einsatz von Holz ist bei sehr kräftigen Rotweinen von hoher Qualität und langer Lebenserwartung mehr als angeraten. Die Weine profitieren in den meisten Fällen von der Zeit im Fass. Allerdings muss insbesondere neues Holz mit großem Feingefühl eingesetzt werden: Der Einfluss von Holz kann so groß sein, dass er dem Wein sämtliche Identität raubt. Man kann dann zwar den Einfluss des Fasses herausschmecken, doch ist es unmöglich, noch Rückschlüsse auf Rebsorte oder Anbaugebiet zu ziehen. Das sollte einem Weinfreund nicht behagen, erst recht nicht, wenn ihm aufrichtige und originäre Weinherstellung wichtig sind.