Lugana und Amarone: die zwei Gesichter von Cà dei Frati

Am 2. Juni 2020 · von Stefan Behr

Weinexperte Stefan hat mit Igino Dal Cero, dem Önologen und Enkel des Gründers von Cà dei Frati gesprochen. Für uns hat er daraus ein Porträt des ikonischen Lugana-Weinguts am Gardasee gemacht.

Ein Sommer ohne Lugana ist möglich, aber sinnlos. So oder ähnlich fühlt es sich heute an, etwas mehr als 50 Jahre nach Gründung der DOC (Denominazione di Origine Controllata) Lugana, sobald die Außentemperaturen in die Höhe schnellen. Der Aufstieg zum offiziellen Weinbaugebiet mit einem eigenen, auf die heimischen Rebsorten und Stile ausgelegten Regelwerk ist der Startschuss für den Siegeszug des Lugana-Weins. Der Erfolg des frischen Weißweins mit dem einnehmenden Duft von Äpfeln und Zitrusfrüchten, von Blüten, Gewürzen und Mandeln hat sicherlich viele Väter. Ein Name ist mit der unglaublichen Karriere des Lugana ganz besonders verbunden: Cà dei Frati.

Familie dal Cero

Familie dal Cero – (vl. Franco, Annamaria, Igino)

Die Vorgeschichte des Weinguts beginnt mit einem einfachen Bauernhof, der Obst und Gemüse in die nähere Umgebung liefert. Benannt ist der Hof nach den Karmeliterbrüdern, die hier zuvor ansässig waren. Ein religiöser Orden, der auf Askese und das einfache Eremitendasein setzte und daher der Gegend wenig mehr als den Namen hinterlassen hat. Das „Haus der Brüder“, so die Übersetzung, liegt nahe der Ortschaft Sirmione am südlichen Ufer des Gardasees und wird später noch von sich reden machen.

Alles neu: Cà dei Frati wird Weingut

Doch dazu braucht es eine grundlegende Neuausrichtung des Cà dei Frati. Dafür sorgen Felice dal Cero und seine Frau Edvige. Sie erwerben 1939 den Bauernhof und machen ihn zum Weingut. Denn Felice dal Cero, der aus einer Winzerfamilie aus Valpolicella stammt, erkennt sofort die günstigen Voraussetzungen von Boden, Lage und Klima. Die weiß Igino Dal Cero, der Enkel des Gründers und Önologe von Cà dei Frati bis heute zu schätzen:

„Wir sind am Gardasee in einer Region moränischen und eiszeitlichen Ursprungs, wodurch der Wein eine große Menge an Mineralität gewinnt. Die Winde vom Gardasee schaffen ein besonders günstiges Mikroklima, das die hohen Temperaturen im Weinberg mildert und eine Umgebung ohne Kälte- und Wärmespitzen schafft. Darüber hinaus schwanken die Temperaturen zwischen Tag und Nacht stark, was das Wachstum der Reben und die Reife der Trauben positiv beeinflusst. Und dank der Winde sind wir in der Lage, die Trauben vor Feuchtigkeit zu schützen.“

Azienda

Weingutshaus Cà dei Frati

Bereits für Felice dal Cero kam als Rebsorte für einen Weißwein nur Trebbiano di Lugana in Frage. Die Rebsorte wird in der Region Turbiana genannt und gilt als autochthoner Klon des Trebbiano. Ihre vielschichtige Aromatik bringt frische, leichte Weine mit wunderbarem Duft hervor. Solo ein Genuss, aber je nach Ausbau des Weins kann man mit einem Lugana fast jedes Essen begleiten. Dazu noch einmal Igino Dal Cero:

„Ich glaube, es ist die Frische des Lugana, die der Verbraucher sehr schätzt. Ein Wein, der vom Aperitif bis hin zu gegrilltem Fleisch leicht zu kombinieren ist. Unser Brolettino reifte zum Beispiel in französischen Eichenfässern und bekommt dadurch Struktur und Fülle, so dass er perfekt zu einem Steak passt. Und natürlich sind es die sortentypischen Düfte des Turbiana, die unseren Lugana so besonders machen.“

Mehr als Lugana & zurück zu den Wurzeln

Mit dem Turbiana hatte Felice dal Cero den Anfang gemacht. Doch der große Durchbruch ist das Verdienst seines Sohnes Pietro dal Cero. Er ist es, der als erster auf seine Etiketten Lugana dei Frati schreibt und damit den Forderungen nach einem eigenen Weinbaugebiet den entscheidenden Nachdruck verleiht. Mit nur bescheidenen 12 Hektar Rebfläche ist Cà dei Frati zwar klein, gilt aber als Vorzeige-Weingut der Region. So ist es auch ein persönlicher Erfolg für Pietro dal Cero, als 1969 die DOC Lugana entsteht.

Aktuell entwickelt sich Cà dei Frati zum Kult-Weingut, das den Ruf des Lugana weit in die Welt hinausträgt. Die Welt hört zu und trinkt mit. Bis heute sind es die frischen sowie gereiften Lugana, die mit dem Weingut assoziiert werden. Dabei kann man am Gardasee auch Rosé und Rot. Das zeigt der Ronchedone von Cà dei Frati.

„Der Ronchedone stellt eine Alternative zu den typischen Weißweinen der Gegend dar, die jedoch eine ausgeprägte lokale Typizität bewahrt. Die Trauben für den Wein – Marzemino, Sangiovese und Cabernet Sauvignon – wachsen alle im Umkreis von 20 Kilometer um unser Weingut und profitieren somit vom Einfluss des Sees und des besonderen Mikroklimas.“

Weinberg Luxinum

Weinberg Luxinum

So stellt Igino dal Cero den Rotwein vom Gardasee vor. Doch ein Wein ist erst recht anzusprechen, wenn es um rote Top-Qualität von Cà dei Frati geht. Dafür müssen wir allerdings den Gardasee verlassen und etwas südlicher nach Valpolicella schauen. Von dort war die Familie an den Gardasee gezogen. Jetzt kehrt sie zurück, erwirbt rund 15 Hektar an Weinbergen und macht sich an die Erfüllung eines Traumes von Pietro dal Cero. Bei allem Verdienst für den Lugana war es ihm ein großes Anliegen, einmal auch einen Amarone zu machen, einen Wein wie seine Vorväter in der freiwillig verlassenen Heimat. Die drei Söhne der Familie, die bereits die Geschäfte führen, widmen den Amarone ihrem Vater. Nach zehn Jahren Vorarbeit stellen sie 2008 den ersten „Amarone Pietro dal Cero“ vor. Der Wein, der „eine Hommage an die Ursprünge der Familie dal Cero“ ist, wie Igino dal Cero betont, ist ein echtes aromatisches Kraftpaket. Ein Feuerwerk aus reifen Fruchtaromen von Sauerkirschen, Eindrücken von süßlichem Pfeifentabak, gerösteten Kaffeebohnen und dunkler Schokolade, aber auch balsamischen und würzigen Noten. Das ist die hohe Kunst des Amarone.

Erkennungsmerkmal Flaschen

Ob es um frischen, duftenden Lugana geht, der sofort ins Glas darf, oder einen Amarone der lange reifen muss, um in der Form seines Lebens zu sein. Ob der Wein vom Gardasee stammt oder im Valpolicella gedeiht – am Ende landen sie alle in der gleichen Flasche, ohne Unterschied. Dazu noch in einer Flasche, deren Form nur bei Cà dei Frati zu finden ist. Noch einmal Igino dal Cero dazu:

„Das war eine schwierige Veränderung, weil es galt, sich gegen eine alte Tradition zu stellen. Wir beschlossen, die Form zu erneuern, um eine antike Flasche nachzubilden, wobei der Flaschenhals betont werden sollte. Wir waren auch die ersten der Gegend, die ihr Logo im Relief auf der Vorderseite der Flasche angebracht haben.“

An dieser prominenten Stelle kommen erneut die Karmeliterbrüder ins Spiel. Denn von diesem mittelalterlichen Orden und seinem kleinen, bescheidenen Haus von ehemals ist das Logo des großen Weinguts Cà dei Frati inspiriert. Aber wer weiß schon, was die asketisch lebenden Mönche über diese verführerischen Weine gesagt hätten.

Cà dei Frati bei Weinfreunde

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