Lambrusco: viel besser als sein Ruf
Am 29. November 2019 · von Robin KlugeLange galt Lambrusco als minderwertiger, süßlicher Schaumwein, der in den 1980er Jahren sogar in Getränkedosen abgefüllt wurde. Das Image des Massenprodukts haftet dem Schaumwein zwar immer noch an, doch wissen sachkundige Weinfreunde, dass sich unter der Bezeichnung mittlerweile ganz hervorragende Angebote finden lassen. Unser Kollege Robin Kluge berichtet.
Beim Thema Lambrusco gilt es nicht nur, mit längst überholten Vorurteilen aufzuräumen, es muss zunächst auch Aufklärungsarbeit geleistet werden: Das größte Missverständnis besteht in der Tatsache, dass Lambrusco nicht für eine einzelne Rebsorte steht, sondern für die Bezeichnung einer ganzen Rebsortenfamilie. Ein Phänomen, das wir bereits beim Malvasia kennengelernt haben.
Lambrusco: willkommen in der Familie
Dabei handelt es sich circa um über 20 Rebsorten, die zwar „Lambrusco“ oder „Lambrusca“ im Namen tragen, der aber praktisch immer durch einen Zusatz ergänzt wird. Beispielsweise Lambrusco di Sorbara oder Lambrusco Grasparossa. Um die Verwirrung komplett zu machen, kann die Bezeichnung auch ein Synonym für eine Rebsorte sein, die unter einem anderen Namen deutlich bekannter ist. So ist der Lambrusco Mendoza mit der toskanischen Stammrebsorte Sangiovese identisch. Letztlich lässt sich festhalten: Nicht ohne Grund bedeutet Lambrusco ins Deutsche übersetzt „wilde Rebe“.
Schaumwein, Stillwein, süß oder trocken?
Es ist korrekt, dass der allergrößte Anteil der als Lambrusco vermarkteten Weine Schaumweine sind. Was viele Weinfreunde jedoch nicht wissen: Es gibt auch „stille“ Lambrusco-Weine, also als normale Rotweine vinifizierte Varianten. Für die Schaumweine gelten folgende Angaben auf dem Etikett, um Auskunft über den Restzuckergehalt zu geben: „Secco“ für trocken ausgebauten Lambrusco – dieser zeichnet sich häufig durch Blumen- und Kräuteraromen aus. Und „Semisecco“ steht für eine halbtrockene Stilistik, die etwas fruchtbetonter daherkommt. „Amabile“ und „Dolce“ sind süße Dessertweine, die bestens zu Süßspeisen und Milchschokolade passen.
Emilia-Romagna – die Heimat des bekannten Schaumweins
Nicht nur die verwendeten Rebsorten tragen Lambrusco im Namen, sondern auch die offiziell deklarierten Anbaugebiete. Insgesamt vier DOC-Bereiche gibt es für Lambrusco und drei davon sind in der Emilia-Romagna beheimatet: Lambrusco di Sorbara, Lambrusco Grasparossa di Castelvetro sowie Salamino di Santa Croce. Das einzige offiziell als DOC-Bereich deklarierte Gebiet außerhalb der Emilia liegt in der Lombardei und heißt Lambrusco Mantovano. Die zwei wichtigsten DOC-Bereiche sind dabei Lambrusco di Sorbara und Lambrusco Grasparossa. Praktischerweise heißen die dort verwendete Rebsorten genauso wie der DOC-Bereich selbst.
Sorbara und Grasparossa: so schmeckt Lambrusco
Die beiden bekanntesten DOC-Bereiche für Lambrusco unterscheiden sich in der Stilistik der produzierten Weine deutlich – Grund dafür ist, dass sich die beiden Rebsorten selbst recht deutlich unterscheiden. In und aus Lambrusco di Sorbara entstehen sehr elegante Weine, die vor allem durch ihren Blumenduft zu begeistern wissen. Die qualitativ besten Exemplare sind trocken und besitzen eine gute Frische. Neben den floralen Noten zeichnen sie sich häufig durch Aromen von Orangenblüten, Mandarinen, Kirschen, Veilchen und Wassermelonen aus.
Die Weine in und aus der DOC Lambrusco Grasparossa di Castelvetro sind dagegen als mehr kraftvoll zu bezeichnen. Die trockenen Varianten kommen vor allem mit Aromen von schwarzen Johannisbeeren und Heidelbeeren daher. Auch Anklänge von Oregano und Kakao sind nicht selten zu entdecken. Das passt besonders gut zu den Schaumweinen, denn durch ihre Kohlensäure wirken sie balanciert und weisen eine gewisse Cremigkeit auf.
Noch ein Wort zur Herstellung: Selbst wenn die meisten Schaumweine ihre Kohlensäure durch einen zweiten Gärprozess im Drucktank erhalten, existieren immer mehr hochwertigere Exemplare, die – ganz nach Champagner-Art – ihre besonders feine Perlage durch eine traditionelle Flaschengärung erhalten.
Bei aller Komplexität des Themas, bleibt allerdings eines sicher: Es lohnt sehr den eigenen Erfahrungsschatz durch hochwertige Schaumweine aus Emilia-Romagna anzureichern.