Kuriose Namen von Weinlagen: im Weinberg der Sprache

Am 24. Januar 2022 · von Sven Reinbold

Wir möchten es wissen: Welche ursprüngliche Bedeutung steckt hinter den oft so merkwürdig klingenden Namen für Weinlagen. Eine Recherche, die nicht immer zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden kann, aber viel Spaß macht.

Die Lage ist einer der essenziellen Begriffe im Weinbau und gleichzeitig die kleinste Einheit, die Herkunft eines Weines zu beschreiben. Welche Rolle dabei Boden, Ausrichtung, Klima und Landschaftsmerkmale wie Flüsse, Gebirge oder das Meer spielen, ist im Beitrag über die „Weinlagen der Nation“ nachzulesen. Letztlich müssen alle diese Schrauben perfekt ineinandergreifen, damit eine Spitzenlage entsteht.

Nach diesen besonders favorisierten Rebflächen wurde schon immer gesucht, und so sind einige der heute besten Lagen bereits seit mehreren Jahrhunderten als solche bekannt. Doch dieses Mal geht es weniger um Güte und Tradition einzelner Lage, vielmehr stehen die mitunter kuriosen und merkwürdigen Namen der Lagen im Vordergrund. Erst was einen Namen hat, wird gemerkt, dokumentiert und an die folgenden Generationen weitergegeben. Allerdings gerät bei dieser Zeitreise oft in Vergessenheit, warum der Weinberg oder die Lage diesen Namen trägt. Auf der Suche nach den Ursprüngen eines Namens fällt es allerdings nicht immer einfach, Wahrheit und Dichtung strikt auseinanderzuhalten.

Standortindikator: Botanik im Lagennamen

Noch schnell entschlüsselt sind die Lagennamen, die den Ort bereits mit einer anderen Art der Nutzung in Verbindung bringen. So baute man im „Ürziger Würzgarten“ tatsächlich Kräuter an, die für Würzweine verwendet wurden. Ähnlich verhält es sich mit Namen, die etwa ein „Mandel“ im Namen tragen, also der Mandelgarten, der Mandelberg oder Mandelpfad. Dabei zählt nicht nur der Hinweis auf konkrete Mandelbäume, die dort stehen oder standen. Da, wo die Mandel wächst und gedeiht, die eigentlich viel Wärme benötigt, aber gut mit kargen Böden klarkommt, dort fühlen sich auch Weinreben wohl. Ein Indikator für viel Sonne ist auch der „Rosengarten“, der sich vermehrt in nahezu allen Anbaugebieten findet.

Südausrichtung bevorzugt: Lagennamen mit viel Sonne

Auf welchen Flecken eines Weinberges die Sonne am längsten scheint, ist für Winzer und Weinbauern eine wichtige Information. So wichtig, dass sie gern Namenspate steht für derart bevorzugte Weinlagen. So erklärt sich beispielsweise das „Monzinger Frühlingsplätzchen“, aber die gleiche Bedeutung verbindet sich auch mit der bekannten „Sonnenuhr“, von der es allein an der Mosel vier Stück gibt, nämlich die Wehlener, Zeltinger, Brauneberger und Juffer Sonnenuhr. Zu ergänzen wären noch Sonnenplätzchen, Sonnenlay, Sonnenberg, Sonnenstock, Sonnenstück, Sonnenschein … und wie sie alle heißen. Auf dieselbe Bedeutung zahlen natürlich auch alle Kombinationen mit „Sommer“ ein.

Lage folgt Form: aus der Vogelperspektive

Lagen bekommen nicht nur Namen, sie werde auch auf Karten eingezeichnet, um Umfang und Fläche genau festzuhalten. Dabei kommt es vor, dass die Form der Lage auf der Karte – wie aus der Vogelperspektive betrachtet – selbst die Idee für den Namen stiftet. Damit wird es nun automatisch etwas kurioser und nicht immer ist genau auszumachen, wie das Verhältnis von Dichtung und Wahrheit ausfällt, wenn es um die Erklärung geht. Prominentes Beispiel ist die „Oberbergener Bassgeige“. Denn wer sich die Umrisse der Lage mal genauer anschaut – das geht hervorragend auf der Website Weinlagen Info – wird erst ein wenig fremdeln, bevor er die Bassgeige erkennt. Ein ähnlicher Fall ist der „Kallstadter Saumagen“ in der Pfalz. Die Sackform der Lage erinnere an einen Saumagen, heißt es. Aber es könnte auch in Anlehnung an eine spezielle Kopfbedeckung der Pfälzerinnen geschehen sein, die gleichfalls als Saumagen bezeichnet wurde. Man mag es halten, wie man will, es ist die Form, die in diesen Fällen für Inspiration sorgt.

Weinlage Kallstadter Saumagen

Weinlage Kallstadter Saumagen in der Pfalz

Kirchen & Klöster, Mönche & Pfaffen: Lage als Glaubensbekenntnis

Kirche und Weinbau sind geschichtlich betrachtet in Deutschland nicht voneinander zu trennen. Das macht die Vielzahl an Lagennamen, die kirchliche Begriffe enthalten, sehr deutlich. Zum einen besaß die Kirche selbst sehr viel Grundbesitz, darüber hinaus sind insbesondere die Mönche der Klöster die Weinspezialisten des Mittelalters. Sie entwickelten das Wissen um Weinberg und Weinerzeugung weiter und streuten dieses Know-how innerhalb ganz Europas. Vom Pfarrgarten, Pfarrberg oder auch der Pfaffenwies bis zum Mönchspfad, Mönchsgewand oder Nonnenberg, die Kombinatorik ist riesig. Das führt dann zu Sonnenuhr ähnlichen Zuständen. So gibt es nicht nur das Forster Kirchenstück, sondern auch eines in Ellerstadt, in Leistadt und in Herxheim am Berg – um nur mal in der Pfalz zu bleiben.

Aber es geht auch noch verheißungsvoller – wie beim „Deidesheimer Paradiesgarten“ oder dem „Himmelreich“, das ironischerweise ebenso oft zu finden ist wie der „Herrgottsacker“. Ein wenig Paradies auf Erden, daran dachten im Mittelalter wohl die Mönche nahe Maulbronn. In der Zeit, da sie keinen Wein trinken durften, steckten sie im Vorbeigehen einfach die Finger in die Fässer mit dem Wein, um sie nachher genüsslich abzulecken. Der Wein aus einer Lage war so verlockend, dass ein Mönch sich wünschte, elf Finger zu haben. Elf hieß im Mittelalter eilf und nun versteht man die Lagenbezeichnung „Maulbronner Eilffingerberg“.

Historisch geht auch: nomen est omen

Die Namen von Weinbergen und Lagen finden sich schon früh in Verträgen und Urkunden. Sobald der Besitzer wechselte, musste das geklärt sein. Neben der Kirche sind es vor allem Adlige, die Land und Landwirtschaft ihr Eigen nennen. Da war es ganz naheliegend zu sagen, dass eine Lage zu diesem Herrn oder zu jenem Schloss gehört. Kaum verwunderlich daher, dass allein der Schlossberg gut hundert Male unter den deutschen Lagenbezeichnungen zu finden ist. Mit dem „Appenheimer Hundertgulden“ gibt es sogar eine Lage, die ihren ehemaligen Kaufpreis im Namen trägt. Dagegen lässt der „Oberrotweiler Henkenberg“ erkennen, dass es Lagen gibt, in denen keine Mandelbäume oder Rosen standen, sondern Köpfe rollten.

Ein anderer Name lässt erkennen, dass insbesondere im 19. Jahrhundert schon an den Marketingaspekt gedacht wurde. Diese Geschichte erzählt der „Königin Victoriaberg“ in Hochheim. Es war ein gewisser Georg Michael Papstmann, der bei einem Besuch der englischen Königin Victoria und ihres Prinzgemahls Albert im Rheingau die Gunst der Stunde nutze und die damals mächtigste Monarchin bat, den „schönsten und besten Weinberg“ der Region nach ihrer Majestät benennen zu dürfen. Die Zustimmung erfolgte und gesagt, getan, seitdem gibt es den „Hochheimer Königin Victoriaberg“ – mittlerweile eine Monopollage des VDP-Weinguts Flick. Und der gern am englischen Königshof gereichte „Hock“ leitet sich gleichfalls von der eigenwillig britisch ausgesprochenen Kurzform „Hoch“ für Hochheim ab.

Kuriose Lagennamen: Missverständnis vorprogrammiert

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das gilt übrigens auch für Lagennamen. So verbirgt sich hinter dem „Wachenheimer Gerümpel“ keine mittelalterliche Müllhalde, sondern nur der Name eines früheren Besitzers, der schlichtweg Grympel hieß. Halde ist aber das Stichwort, wenn es um die „Hochheimer Hölle“ geht. Allem christlichen Anschein zum Trotz hat dieser Name nichts mit der bösen, bösen Unterwelt der Verdorbenen zu tun. Ähnlich liegt der Fall beim „Forster Ungeheuer“. Denn hier liegt kein Hinweis auf ein reales oder erdachtes Monster vor, Ungeheuer war im eigentlichen Wortsinn nur der Name eines Amtsschreibers, der diese Lage für die Verwaltung dokumentierte. Bekannt ist auch das knappe Lob des Eisernen Kanzlers Otto von Bismarck, der meinte: „Dieses Ungeheuer schmeckt mir ungeheuer.“

Eine Lage zieht blank: Kröver Nacktarsch

Der „Kröver Nacktarsch“ darf in solch einem Beitrag nicht fehlen. Nicht nur der drastischen Wortwahl wegen, sondern weil er eine echte Schätzfrage darstellt, wenn es um den Ursprung des Namens geht. Klassisch gebildete Humanisten bevorzugen die Ableitung vom lateinischen Götternamen „Nectarius“, der über die Jahrhunderte zum Nacktarsch verballhornte. Noch harmloser ist die Erklärung, der Nacktarsch sei nur der im Winter kahle Felskopf des Weinbergs. Am beliebtesten ist wohl die deftige Version. Darin geht es um einen Abt, dem Weinbauern zum Frondienst zugeteilt waren. Nur einen Tag in der Woche durften sie im eigenen Weinberg arbeiten, den Rest der Zeit waren sie dem Abt dienstverpflichtet. Der wollte nicht, dass die Weinbauer keine Kraft und Zeit auf die eigenen Reben verwendeten, und servierte ihnen ein mit Abführmittel versetztes Essen. Ein Weinbauer soll sich, allen Leiden zum Trotz, die Hose ausgezogen und das Hemd hochgebunden haben, um weiterzuarbeiten. Egal, was sonst noch passierte. Daraufhin gestand der Abt angeblich ein: „Dieser Nacktarsch hat mich bezwungen.“

Unser Podcast zum Thema: „Bei Anruf Wein“

Sehr zu empfehlen ist auch die Podcast-Folge über kuriose Lagennamen.  Darin nähern sich die beiden Hosts Michael und Tobias in der gewohnt lockeren Art dem Thema und zelebrieren die Geschichten zu den Lagennamen als kleine Quizshow. Unser Hörtipp: „Bei Anruf Wein“ über Nacktarsch und Gerümpel.

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