Gin ohne Grenzen

Am 7. Dezember 2022 · von Jürgen Overheid

Es gibt so viel guten Gin, da verliert man schnell die Übersicht. Damit der Blick für das Entscheidende bei London Dry Gin und Kollegen nicht verloren geht, legt uns Jürgen sein Wacholder-Herz offen und erklärt geduldig alles Wichtige zu der Spirituose.

Niederländischer Ursprung, britische Weltkarriere und mittlerweile auch Leuchtturm unter den regional geprägten Spirituosen. Der Gin ist schon länger der Aufsteiger und Trendsetter unter den Spirituosen. Vor rund 20 Jahren beginnt die Wiederentdeckung des vom Wacholder geprägten Gin. Zunächst spricht man noch von einem Hype, doch als sich die Erfolgsgeschichte Jahr um Jahr verlängert, fällt der Zusatz „Hype“ einfach weg.

Am Anfang sind es die großen, international bekannten Marken wie Beefeater, Bombay Sapphire oder Tanqueray, die die Entwicklung vorantreiben. Doch schon bald schwappt die Welle in andere Länder über und lässt dort neue Gin-Kreationen entstehen. Dies trifft auch auf Deutschland zu, das inzwischen die Heimat vieler international renommierter Gins ist. Erinnert sei nur an solche Marken wie Monkey 47 und Windspiel Gin, Siegfried Gin und The Duke aus München. Eine Liste aller deutscher Gins überfordert aber selbst hartgesottene Fans. Erst recht die aller angebotenen Gins überhaupt. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2022 sind unglaubliche 1000 Gin-Marken im Markt zu finden. Jede Region, jede auch nur mittelgroße Stadt kann inzwischen mindestens einen Gin mit Lokalbezug vorweisen. Das liegt auch an der Herstellung der Spirituose.

Gin Cocktail

Trend-Spirituose und Allrounder: Der Gin

Die Herstellung: schneller gemacht

Im Vergleich zu anderen Spirituosen wie Whisky, Rum und Cognac braucht es deutlich weniger Zeit, einen guten Gin zu machen. Zwar gibt es mittlerweile auch fassgereifte Gins, doch klassischerweise handelt es sich hierbei um keine Spirituose, die einer besonderen Reife unterzogen wird. Fertig destilliert, ein wenig zur Ruhe gekommen und schon kann es ab auf die Flasche. Das bedeutet auch, dass eine neue eröffnete Brennerei mit einem Gin sofort Geld verdient, mit ihrem Whisky dagegen erst Jahre später. Aber wie wird die Spirituose nun gemacht? Was wird da destilliert?

Gin-Kategorien: das Destillieren macht den Unterschied

Die Spirituosenverordnung der EU kennt drei Kategorien: Gin, destillierten Gin und London Gin. Allen drei gemeinsam ist, dass Wacholder die Grundnote beim Geschmack bilden muss und mindestens 37,5 Prozent Alkoholvolumen in der Abfüllung stecken. Was viele nicht wissen: der „einfache“ Gin wird gar nicht destilliert, sondern entsteht durch Aromatisierung von landwirtschaftlich erzeugten Alkohol mit den Botanicals. Anders beim „Destillierten Gin“ und beim noch strenger gefassten „London Gin“. Beide Kategorien dürfen übrigens den Zusatz „Dry“ führen, wenn sie 0,1 Gramm süßende Mittel pro einem Liter nicht überschreiten. So erklärt sich also der berühmte London Dry Gin. Er ist keine Herkunftsbezeichnung – aus London – sondern gewissermaßen ein Standard für Gin-Qualität aus London. Ein London Gin muss daher nicht zwangsläufig aus der britischen Hauptstadt kommen.

Gin-Rezept: Neutralalkohol und Botanicals

Botanicals

Wacholder ist zwar die Basis eines jeden Gins, allerdings sorgen verschiedene Botanicals für einen besonderen Charakter

Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, doch für einen Gin wird keine bestimmte Frucht, kein Getreide gebrannt, um Alkohol zu erzeugen. Der Alkohol kommt als neutraler Ethylalkohol in die Spirituose. Um so entscheidender sind die Botanicals – sie sind das Herzstück eines jeden Gins. Ein großes Geheimnis sind sie meistens noch dazu. Es gibt kaum eine Marke, die alle Botanicals nennt, vom genauen Mischungsverhältnis der Kräuter, Gewürze und Früchte mal ganz zu schweigen. Klar ist, Wacholder ist immer prägend mit dabei, doch dann droht erneut eine lange Liste. Allein angefangen mit den 47 verschiedenen Botanicals, die dem Monkey 47 seinen Geschmack einhauchen. Zu den üblichen Verdächtigen zählen die Zesten von Zitrusfrüchten, Gewürze wie Sternanis und Kardamom, Kräuter wie Koriander und Rosmarin, aber auch Wurzeln und Rinden. Die Botanicals geben auch das Vehikel ab, um den Geschmack einer Region oder Landschaft einzufangen: von Fichtennadel bis Sanddorn.

Fach-gin-esisch: Sloe Gin und Navy Strength

Neben den Namen für die Kategorien geistern noch einige andere Begriffe durch die Gin-Welt. Das beginnt mit zwei Spirituosen, die Gin im Namen tragen, aber streng genommen gar keine sind. Das ist so beim Sloe Gin, der eigentlich ein mit Schlehen aromatisierter Likör ist und deutlich weniger Alkohol, dafür aber mehr Zucker aufweist. Noch solch eine Bezeichnung ist Spiced Gin – nichts Offizielles und doch versteht sich von selbst, dass der Eindruck von Gewürzen im Gin noch stärker gewollt ist. Ein Problem tut sich auf, wenn der Wacholder dahinter zurückstecken muss. Dann wackelt nämlich die Anforderung Nr. 1: Wacholder steht immer im Vordergrund.

Der Hendrick’s Gin hat es vorgemacht und mit der Akzentuierung von Zitrusnoten, von Rosenblättern und Gurke einen neuen Stil kreiert. Zum Angeben auf der nächsten Party: Dieser Stil wird in Europa Contemporary Gin und den USA New Western Gin genannt. Im Gegensatz dazu bezeichnet ein Old Tom Gin einen traditionellen Stil mit deutlichen Wacholdernoten, der jedoch süßer ausfällt als ein Dry Gin. Der Name leitet sich von dem historischen Erkennungszeichen für illegal ausgeschenkten, schwarz gebrannten Gin aus, der Tomcat, also dem schwarzen Kater. Bekannt ist noch die Kennzeichnung Plymouth Gin, auch Navy Strength oder Navy Proof genannt. Im Marinehafen Plymouth gab es einen Test (Proof) für den Gin, der als Proviant erworben wurde. Man mischte etwas von der Spirituose mit Schießpulver und zündete es an. Brannte die Mixtur, enthielt sie genug Alkohol und besaß Navy Strength. In Zahlen: Es brennt erst ab mindestens 57 Prozent Alkoholvolumen.

Longdrinks und Cocktails

Gin

Ein echter Klassiker unter den Longdrinks: Der Gin Tonic

Der Siegeszug der vergangenen Jahre ist ohne den Gin Tonic undenkbar. Er ist die große Bühne, auf der ein Gin seine Talente unter Beweis stellen muss. Was als Malaria-Prophylaxe im britischen Kolonialreich seinen Anfang nimmt, ist inzwischen der Longdrink mit Frische und feinherbem Aroma schlechthin. Tatsächlich scheiden sich beim Gin Tonic auch die Geschmäcker. Die einen bestehen auf die klassische Variante, bei der sich das Tonic Water zurückhält und der Gin mit Wacholder und Zitrusfrische punktet. Andere experimentieren mit markanteren oder auch üppigeren Gins, um dem Gin Tonic den besonderen Twist zu geben. Dieser Gin-Tonic-Fraktion ist auch die richtige Abstimmung mit dem Tonic Water besonders wichtig. Soll es die mediterranen Kräuter unterstreichen oder sogar selbst mit Holunderblüten aromatisiert sein. Das Schöne daran: Alles ist erlaubt, solange es gefällt.

Auch in Cocktails ist Gin in seinem Element. Ganz einfach nachzumixen ist ein Gin Fizz, der auf frischen Zitronensaft, Zuckersirup und Soda setzt oder der ihm eng verwandte Gin Sour. Noch deutlicher zeigt sich ein Gin in einem Dry Martini – gleich, ob geschüttelt oder gerührt.

Auch alkoholfrei: Gin-Geschmack ohne Promille

Ein letzter Fall, bei dem Gin eine Rolle spielt, ohne dass der Begriff am rechten Platz ist. Die Rede ist von alkoholfreien Getränken, die das Geschmacksbild eines Gins nahezu perfekt abbilden. Prominentes Beispiel aus Deutschland ist der Siegfried Wonderleaf der Rheinland Distillers aus Bonn. Er bringt die Sensorik eines klassischen Gin Tonic ins Glas – allerdings alkoholfrei. Diese Alternative wird immer beliebter und hat schon andere Spirituosengattungen wie Rum oder gar Whisky inspiriert, es mal mit einem Getränk komplett ohne Promille zu versuchen. Und wer Erfolg hat, hat immer recht.

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