Eine Handvoll Burgunder: Rebsorten-Trend in Deutschland
Am 26. Mai 2020 · von WeinfreundeGerne wird vom deutschen Burgunder-Wunder gesprochen, wenn es um die wachsende Beliebtheit der weißen und roten Burgundersorten geht. Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder und der weitestgehend unbekannte „Rest“. Wir berichten über Burgunderweine, Regionalhelden und deutsche Vorlieben.
Wein kennt keine Grenzen. Dort, wo sich eine Rebe wohl fühlt, da ist sie zuhause. Gedeiht sie besonders gut und bringt noch bessere Weine hervor, dann ist auch das Vergnügen daran nahezu grenzenlos. Zu philosophisch gedacht? Aber genau diese Geschichte erzählen die Burgunder-Rebsorten, die es nicht schert, wo eine Staatsgrenze verläuft, sondern welcher Boden zu finden ist und welches Klima den Jahresverlauf bestimmt. Deshalb ist der Begriff Burgunder ebenso irreführend wie erleuchtend. Tatsächlich ist das französische Burgund Ursprungsort der Reben. Es ist sozusagen die Region, die diesen Rebsorten die Geburtsurkunde ausgestellt hat. Denn durchaus möglich – und seit langem diskutiert – ist auch eine Abstammung aus Griechenland oder gar Ägypten.
Die deutsche Geschichte des Burgunders
Grenzenlos, wie gesagt, denn auch der Burgunder-Ursprung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Sorten seit über 1100 Jahren bei uns ihren geschmackssicheren Platz einnehmen. Die Geschichte, bereits Karl der Große (742 – 814) habe die Rebe in seine Pfalz nach Ingelheim mitgebracht, ist schriftlich nicht belegt. Schwarz auf weiß ist dagegen nachzulesen, dass sein Enkel, Karl III. (839 – 888), auch „der Dicke“ genannt, den Burgunder in seinem Garten unweit des Bodensees pflanzen lässt.
Kiefernzapfen und Burgunder-Wunder: Weinland Deutschland
Der Hinweis auf die burgundische Herkunft hat sich bis heute in fast allen deutschen Namen erhalten. Das ist im Burgund selbst ganz und gar nicht so. Im Französischen heißen die Sorten Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Gris oder auch Pinot Meunier. Warum jetzt „Pinot“? Dazu gibt es selbstverständlich gleich mehrere Vermutungen. Die wahrscheinlichste und bis heute nachvollziehbare hängt mit der Form der Trauben – nicht der einzelnen Beere – zusammen. Die erinnert nämlich an einen nach unten zeigenden Kiefernzapfen, französisch „le pin“.
Noch etwas ist über die Beziehung der Pinots und der Burgunder zu sagen. Diese Rebsorten sind nicht aus Kreuzungen hervorgegangen. Vielmehr mutierte der ursprüngliche Pinot Noir gleich mehrfach ohne menschliches Zutun. Die Weinbauern entdeckten die Vorteile der neuen Sorten und übernahmen deren weitere Kultivierung. Es sind also gleich mehrere dieser Mutationen, die für das seit Jahren anhaltende Burgunder-Wunder im Weinland Deutschland sorgen.
Die Sonnenseite des Weins: Weißburgunder
Geben wir Weiß den Vorzug und rücken direkt die beiden Glanzlichter der vergangenen Jahre in den Mittelpunkt. Wie der Grauburgunder zählt der Weißburgunder oder auch Weißer Burgunder genannt zu den oft zitierten Trendrebsorten der vergangenen Jahre. Das zumindest sehen die Weinfreunde der Republik so, aber auch die Winzer hierzulande. Seit dem Jahrtausendanfang hat sich der Anteil des Weißburgunders an der Rebfläche nahezu verdoppelt.
Dabei stellt Pinot Blanc hohe Ansprüche an den Boden. Möglichst kräftige, sehr tief reichende Böden mag der Weißburgunder am liebsten. Gleichzeitig liebt er es warm und trocken. In Deutschland setzten die vor allem die Winzer in Baden, Rheinhessen und in der Pfalz auf die frischen Weine mit feiner Frucht. Klimawandel hin oder her, aber dort, wo es für den Riesling einfach zu heiß wird, da findet der Weißburgunder den rechten Platz. Weine mit gemäßigtem Alkohol und dezent fruchtigen Aromen von Apfel, Birne und Quitte sowie Aprikose und Zitrusnoten machen den Weißburgunder zum echten Sommerwein.
Weißes Glanzlicht: Grauburgunder
Noch beliebter als der Weiße Burgunder ist der Grauburgunder – der Pinot Gris. Mit Blick auf die Mutationen der Rebsorte ist er das Mittelstück zwischen der Ursprungsrebe Pinot Noir/Spätburgunder und Pinot Blanc/Weißburgunder. Vom Boden genügsamer und in den Erträgen reicher als sein weißer Bruder liefert der Grauburgunder zudem – wenn vom Winzer gewünscht – hohe Zuckerwerte. Damit hat sich süß ausgebauter Grauburgunder sogar einen eigenen deutschen Namen zugelegt.
Ruländer nannte man diese Weine, doch mittlerweile wird der Grauburgunder zumeist trocken ausgebaut. Dann überzeugen die Weine mit einem großem Aromenkonzert, das neben Fruchtnoten von Birne, Rosine und Ananas auch mit Nuancen von Mandeln, Nüssen oder auch Paprika aufwarten kann. Dabei weisen sie nicht selten eine lebendige Säure auf, die die Weine frisch hält und anregend macht. Die süßen Stile sind dagegen vollmundig, gehaltvoll und dicht. Mehr Grauburgunder-Weisheiten finden sich im Magazin-Beitrag „Keine graue Maus“.
Auf Augenhöhe: Spätburgunder
Mit großem Abstand ist der Spätburgunder oder Pinot Noir die Nummer 1 unter den roten Rebsorten Deutschlands. Anspruchsvoll in Sachen Boden, Klima und Wetterverlauf steht der deutsche Spätburgunder in seiner besten Form für Weine, die mit den großen Vorbildern aus dem Burgund mittlerweile auf Augenhöhe sind. Diese Weine bestechen mit großer Vielschichtigkeit, die rote Fruchtaromen – Erdbeere, Kirsche, Brombeere – mit Nuancen der Reife im Barrique zusammenführen.
In Deutschland ist der Spätburgunder vor allem in Baden, in der Pfalz, in Rheinhessen und Württemberg stark vertreten. Zudem ist noch das kleine Anbaugebiet Ahr zu nennen, wo der Spätburgunder quasi eine Exklusiv-Stellung einnimmt. Dabei ist der Spätburgunder ein echtes Multitalent. Auch für Roséwein, gar Weißwein (Blanc de Noirs) und Sekt liefert der rote Burgunder das richtige Traubengut ab. Wenn es um Rotweine aus Deutschland von internationalem Format geht, führt auch zukünftig kein Weg am Spätburgunder vorbei.
Option Zukunft: Frühburgunder und Schwarzriesling
Zugegeben, bereits die Überschrift erscheint verwirrend. Denn warum taucht jetzt ein Riesling bei den Burgunder-Sorten auf? Wegen einer Verwechslung und einer damit fehlgeleiteten Namensgebung, heißt die Antwort. Da der Schwarzriesling wie der „echte“, weiße Riesling erst spät reift, siegte bei der bis heute gültigen Bezeichnung der erste Anschein über die langsame Wissenschaft. Etwas Licht in die Angelegenheit bringt ein Blick in die Champagne, wo der Schwarzriesling aus den klassischen Cuvées als Pinot Meunier bekannt ist. Da stimmt dann zumindest die Formel „Pinot = Burgunderrebe“ wieder! Weinrechtlich gesehen, will man im Burgund vom Pinot Meunier oder Schwarzriesling allerdings nichts wissen.
Von seiner Aromatik ähnelt der Schwarzriesling dem Spätburgunder, gibt sich dabei aber dezenter, feingliedriger und auch leichtfüßiger. Ein Grund, warum er beispielsweise in Württemberg als Schoppenwein sehr beliebt ist. Dort nennt man die Rebe oft Müllerrebe, weil sie unter den Blättern eine feine Behaarung zeigt, die an aufgetragenes Mehl erinnert. Sachen gibt es – und Rebsorten erst!
Noch ein Burgunder aus der zweiten Reihe ist der Frühburgunder. Ausnahmsweise mal einfach, was den Namen betrifft. Ungefähr zwei Wochen reift der Frühburgunder eher aus als der gefeierte Spätburgunder. In seiner Aromatik ähnelt er dem Pinot Noir, jedoch wirkt er oft konzentrierter. Wegen seiner frischen, klaren Farbe wird der Frühburgunder gern mit dem großen, bekannten Bruder verschnitten. Zudem findet sich die Rebsorte noch unter „ferner liefen“ in den Statistiken, allein in Rheinhessen gibt es nennenswerte Flächen. Daher erst recht die burgunderselige Empfehlung: unbedingt probieren, wo immer man ihn findet. Denn auch er ist Teil des deutschen Burgunder-Wunders.