Die Vorzüge des Alters: Wenn alte Reben das Beste geben
Am 20. Januar 2018 · von Sven ReinboldVielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt, was „Vieilles Vignes“ auf einem französischen Wein oder „Vigne Vecchie“ auf einem italienischen Etikett zu bedeuten hat. In Deutschland verwenden viele Weingüter ebenfalls die Bezeichnung „ Alte Reben “ und sie kennzeichnet immer die Verwendung von Trauben, die von besonders alten Rebstöcken stammen. Aber was bedeutet „alt“? Und warum sollen diese Trauben besser sein als die von jüngeren Rebstöcken? Um diese und andere Fragen zu klären, begab sich unser Weinfreund Sven Reinbold auf eine vinophile Zeitreise.
Alte Reben: wenige Trauben, bestens versorgt
Auch wenn in keiner Weinregion der Welt eine Gesetzmäßigkeit für die Verwendung des Begriffs „Alte Reben“ existiert, lassen sich gewisse Beobachtungen festhalten: Ein Rebstock sollte mindestens 30 Jahre alt sein, um die Bezeichnung „alte Rebe“ glaubwürdig zu machen. Es existieren aber in fast allen Weinregionen der Welt Reben, die 100 Jahre und älter sind. Wie im „wahren Leben“ lässt sich in Bezug auf die Lebensdauer einer Rebe keine allgemeingültige Aussage treffen. Manche Rebsorten sind schlichtweg weniger ausdauernd oder der Boden, das Klima und andere Rahmenbedingungen lassen ein solch hohes Alter nicht zu. Aber was unterscheidet eigentlich alte Reben von jüngeren Exemplaren?
Wie bei allen Pflanzen nimmt auch bei Wein die Vitalität im Allgemeinen und die Wurzelaktivität im Speziellen ab. Das heißt: Der Rebstock wächst nur noch minimal, produziert weniger Blätter und vor allem weniger Früchte. Genau aufgrund dieses geringen Ertrags und der daraus resultierenden, kleinen Produktionsmenge wären solche Rebstöcke noch vor 40 Jahren durch jüngere ersetzt worden – in der Regel war nach 25 bis 30 Jahren Schluss. Aber das Blatt hat sich glücklicherweise gewendet. Denn: Alte Reben wurzeln extrem tief und verästelt. So gelangen sie besser an Wasser und Nährstoffe und können die Pflanze selbst bei wenig Niederschlag ideal versorgen. Zudem müssen ebendiese zu Tage geförderten „Bodenschätze“ nur noch unter sehr wenigen Trauben aufgeteilt werden. Ein Beispiel: Ich stieß im italienischen Friaul auf eine 100 Jahre alte Rebe, die nur noch drei Trauben (nicht Beeren) am gesamten Rebstock trägt! Wo eine „grüne Lese“ ganz bewusst für Ertragsreduzierung sorgt, erledigt sich dieses Vorgehen bei den Methusalem-Reben von ganz alleine.
Sind Weine aus alten Reben immer die besseren Weine?
Die optimale Nährstoffversorgung und der langsame Wachstum alter Reben sorgt im besten Fall nicht nur für besonders gesunde Trauben, sondern auch für ein höheres Maß an Konzentration und Aromakomplexität im fertigen Wein. Aber auch an dieser Stelle sei nochmals gesagt: Ein hohes Alter von Reben ist nicht per se ein Erfolgsgarant. Nicht alle Rebstöcke sind für ein hohes Alter geeignet, entweder aus rebsortenspezifischen Gründen oder weil sie auf Böden oder Klimata stehen, die Reben früher als anderswo absterben lassen.
Davon einmal abgesehen, bedarf es natürlich eines Winzers, der auch im Vinifizierungsprozess mit den Trauben umzugehen weiß. Mit anderen Worten: Auch aus alten Reben lassen sich schlechte Weine produzieren, wenn der Weinbauer sein Handwerk nicht zu 100 Prozent beherrscht. Doch lässt sich festhalten, dass die Voraussetzungen für einen hervorragenden Wein bei Trauben von alten Reben zunächst einmal besser sind. Ein Positivbeispiel und mein weinfreundschaftlicher Tipp ist ein Südfranzose aus 100 Prozent Carignan von über 80 Jahre alten Rebstöcken:
Carignan G Vieilles Vignes 2016
Und nun interessiert mich noch: Welche Erfahrungen haben Sie mit Weinen alter Reben gemacht? Und konnten Sie schon selbst solch knorrig-alte Rebstöcke in einer Weinregion bestaunen?