Was sind Kirchenfenster?

Am 16. Oktober 2024 · von Weinfreunde

Die sogenannten Kirchenfenster, auch Tränen genannt, sind die Tröpfchen, die sich an der Innenwand eines Weinglases bilden, nachdem man den Wein geschwenkt hat. Diese Schlieren entstehen durch das Zusammenspiel von Alkohol und Wasser im Wein und fließen in tränenähnlichen Tropfen an der Glasinnenseite hinunter. Der Begriff Kirchenfenster rührt von der vertikalen Anordnung dieser Tropfen, die an gotische Spitzbögen erinnern. Der Effekt tritt primär bei Rotweinen auf.

Anna S. aus Hamburg hatte von dem Begriff Kirchenfenster beim Wein zwar schon gehört und diesen Effekt bereits beobachten können, doch schrieb sie eine E-Mail an das Team von Frag die Weinfreunde, um zu erfahren, wie dieses Phänomen zustande kommt. Wie immer helfen wir natürlich gerne.

Wie entstehen Kirchenfenster bei Wein?

Um dies zu erklären, muss man sich dem Thema physikalisch widmen: Wenn man Wein, vor allem Rotwein, im Glas schwenkt, bildet sich ein dünner Film aus Flüssigkeit – Schlieren – an der Glasinnenwand. Dieser Film beginnt sich oben zu verdicken und zieht sich durch die Verdunstung von Alkohol zu Tropfen zusammen, die dann in den Wein zurückfließen. Dafür verantwortlich ist das Gemisch aus Wasser und Alkohol im Wein: Alkohol hat einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser, weshalb er schneller verdunstet. Dies führt zu einer Veränderung der Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilms und dadurch zur Bildung der Tropfen.

Wein im Weinglas schwenken

Beim Schwenken des Weins entstehen im Glas die Kirchenfenster.

Dieses Phänomen der „Kirchenfenster“ wird auch als Marangoni-Effekt bezeichnet – 1871 von dem italienischen Physiker Matteo Marangoni entdeckt. Es handelt sich dabei um einen physikalischen Effekt, der bei allen Flüssigkeitsgemischen mit unterschiedlichen Siedepunkten auftreten kann.

Adhäsion, Alkohol und die Tränen von Wein

Die Tropfenbildung bei den Kirchenfenstern wird durch Adhäsion (Anziehungskraft der Moleküle) verstärkt. Die Moleküle des Weins ziehen einander an und bleiben am Glas haften, bevor sie wieder herunterfließen. Je nach Form und Dichte der Kirchenfenster lassen sich so auch Rückschlüsse auf den Alkoholgehalt des Weins ziehen: Wenn die Schlieren dicht beieinander liegen und schmal verlaufen – im Stil eines gotischen Spitzbogens – weist dies auf einen höheren Alkoholgehalt. Weine mit niedrigerem Alkoholgehalt zeigen weniger ausgeprägte Kirchenfenster mit weiter auseinanderliegenden Tropfen, die eher barocken Rundbogen ähneln. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass der Marangoni-Effekt verstärkt ab einem Alkoholgehalt von 12 % in Erscheinung tritt. Einige Weinfreunde glauben zwar, dass stattdessen Glycerin für die Bildung der Kirchenfenster im Weinglas verantwortlich ist, dies allerdings ist eines der vielen Weinmythen.

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