Restsüße: Was vom Zucker übrigbleibt
Am 17. April 2024 · von WeinfreundeIst ein Wein trocken oder halbtrocken, ein Champagner Brut oder Sec – am Ende ist es eine Frage der Süße und damit des Restzuckergehalts in Weinen und Schaumweinen. Wieso aber überhaupt Restzucker? Wie viel Zucker ist denn zuvor im Wein beziehungsweise Most? Der Blick auf die Weinherstellung und die alkoholische Gärung im Besonderen bringt Licht ins süße Dunkel.
Zucker: natürlicher Inhaltsstoff der Trauben
Das Ausbilden von Zucker gehört zum biologischen Programm der Traube und ist gleichzeitig ein entscheidender Wert für die Reife und damit den richtigen Lesezeitpunkt. Allerdings stellt sich dieses natürliche Timing in den verschieden Weinregionen ganz anders dar. An der südlichen Rhône, im portugiesischen Alentejo oder in Apulien ist beispielsweise an Sonne kein Mangel. Dort besteht eher die Gefahr, dass die Trauben zu schnell zu viel Zucker produzieren. Genauso wichtig ist nämlich die langsamer verlaufende Reife der Traubenkerne. Sie dürfen nicht grün und bitter sein, sondern müssen sich reif und von braunem Äußeren zeigen. Geschehen die Zuckerreife und die phenolische Reife nicht synchron, wird es deutlich schwieriger mit dem optimalen Zeitpunkt für das Einholen der Trauben. Nicht zu vergessen, die wichtige Säure in den Beeren, die für Frische und Eleganz im Wein einsteht. Sie baut mit zunehmender Zuckerreife der Trauben ab.
Süßer Most: bereit für die alkoholische Gärung
Der Zucker ist im Saft der Beeren gelöst. Mithilfe von Hefen, die sich auf den Most setzen, wandelt sich nun der Fruchtzucker in Alkohol und Kohlendioxid. Die Pilze fressen quasi den Zucker und hinterlassen uns dafür den Alkohol, aus Most wird Wein. Alkoholische Gärung nennt sich dieser Vorgang. Indem Önologinnen und Weinmacher diese Fermentation kontrolliert stoppen, haben sie Einfluss auf den Alkoholgehalt und den Restzuckergehalt des Weins. Dies geschieht zum Beispiel durch das Senken der Temperatur in den Fässern oder Edelstahltanks, in denen die alkoholische Gärung erfolgt. Möglich ist aber auch, dass bei der alkoholischen Gärung gar nicht aller Zucker umgesetzt wird. Ab Erreichen eines gewissen Alkoholvolumens im Wein, sterben nämlich die so hilfreichen Hefen gleichfalls ab. So erklärt sich, dass beispielsweise eine Amarone über 15 % Alkoholvolumen besitzt und dennoch um 8 Gramm Restzucker aufweist. Aber auch ein Primitivo aus Apulien kann vergleichbare Werte von Alkohol und Zuckergehalt vorzeigen.
Restzuckergehalt: erklärt die Süße
Der Zucker, der nach der Fermentation im Wein verbleibt, nennt sich Restzucker. Die Höhe des verbleibenden Zuckers ist das Grundmaß für die Deklarierung des Weins als halbtrocken, trocken oder süß. Allerdings ist die Regelung dafür nicht überall gleich. Gerade in Deutschland ist die Definition eines trockenen Weins ein kleines Rechenspiel da die Säure – gleichfalls in Gramm gemessen – gegengerechnet werden darf. Die Grundregel heißt, dass ein Stillwein in Deutschland maximal 4 Gramm Zucker pro Liter aufweisen darf, um als trocken etikettiert zu werden. Theoretisch sind allerdings auch 9 Gramm Restzucker möglich, wenn der Wein mindestens 7 Gramm Säure aufweist. Eine Konstellation, die bei einer säurebetonten Rebsorte wie dem Riesling nicht selten ist. Die fünf Stufen sind:
Trocken: bis zu 4 Gramm Restzucker pro Liter, bis zu 9 Gramm bei mindestens 7 Gramm Säure
Halbtrocken: bis zu 12 Gramm Restzucker pro Liter, bis zu 18 Gramm bei mindestens 8 Gramm Säure
Lieblich: mindestens 12 oder 18 Gramm bei 10 Gramm Säure
Süß: mehr als 18 Gramm Restzucker pro Liter
Restsüße: am Beispiel Champagner
Entscheidend ist der Restzuckergehalt auch für die Deklarierung eines Champagners. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei Schaumweinen, die zugegebene Dosage über den Zuckeranteil mitentscheidet. Insgesamt sieben Kategorien gibt es, die sich am Restzuckergehalt orientieren:
Brut Nature oder Zero Dosage: weniger als 3 Gramm Zucker pro Liter
Extra Brut: weniger als 6 Gramm Zucker pro Liter
Brut: weniger als 12 Gramm Zucker pro Liter
Extra Dry: zwischen 12 und 17 Gramm Zucker pro Liter
Sec: zwischen 17 und 32 Gramm Zucker pro Liter
Demi-sec: zwischen 32 und 50 Gramm Zucker pro Liter
Doux: mehr als 50 Gramm Zucker pro Liter
Geschmackssache: Süße trifft Säure
Das Zusammenspiel von Süße – sprich Restzucker – und Säure prägt das Geschmacksbild eines Weins maßgeblich mit. Säure sorgt für den Frischeeindruck und ist in der Lage, den Süßeeindruck des Weins spürbar zu reduzieren. Sind beide Werte ausbalanciert, zeigt sich der Wein besonders harmonisch. Allerdings beginnt an dieser Stelle auch das Terrain der persönlichen Vorlieben. Die einen setzen auf mehr Säure, weil sie Eleganz, Frische und Spannung im Wein bevorzugen. Anderen verlangt es nach einer spürbaren Süße, die die Fülle des Weins betont und ihn zugänglicher und schmeichelnder macht. Eine Besonderheit stellen dabei Süßweine wie ein Sauternes oder eine Trockenbeerenauslese dar, die ganz bewusst viel Süße, aber auch dichte Aromen als Ideal hinstellen. Doch selbst in dieser Weinkategorie geht es nicht ohne Säure, damit die Weine Spannung behalten und schlichtweg nicht klebrig-süß schmecken.
Alles noch einmal zum Nachhören: Podcast
Mehr über Zucker und Säure im Alkohol, über trockene Weine und Süßweine hält der Podcast von Weinfreunde.de „Bei Anruf Wein“ bereit. Weinwissen zum Nachhören, kompetent und unterhaltend vorgetragen von Michael und Tobias.