Sancerre – Kult-Sauvignon Blanc von der Loire
Am 20. April 2022 · von Theresa WeberDie AOP Sancerre eröffnet den Perlenreigen der Weinbaugebiete an der Loire weit im Landesinneren am Oberlauf des Flusses. Eine weiße Rebsorte steht klar im Vordergrund und eine rote Burgundersorte darf etwas mitreden. Ein kleines Porträt des großen Sancerre.
Wer ein Weinbaugebiet näher kennenlernen möchte, tut gut daran, sich zunächst ein wenig mit Geografie und Geologie, sprich Klima und Boden zu beschäftigen. Gerade bei der Appellation d´Origine Protégée (AOP) Sancerre ist dies wichtig, um die Stilistik der wunderbaren Sauvignon Blanc Weine aus Sancerre zu verstehen. Denn, um den ersten Irrtum aus dem Weg zu räumen: Sancerre ist keine Traube, die dem Anbaugebiet den Namen gegeben hat. Vielmehr ist es eine kleine Stadt, die der Appellation zum Namen verholfen hat.
Am Oberlauf der Loire: Sancerre
Die AOP Sancerre ist das östlichste Anbaugebiet der Weinregion an der Loire. Sie liegt am Oberlauf des Flusses und ist damit über 200 Kilometer vom Meer entfernt, sodass hier ein kontinentales Klima mit kalten Wintern und warmen Sommern vorherrscht. Die Rebflächen von Sancerre befinden sich ausschließlich auf der – von Quelle in Richtung Mündung geschaut – auf der linken Seite der Loire. Dabei ist die Hanglage mitentscheiden für die Güte der Weine. Der Fluss wirkt hier wie eine große Rinne, in der sich die Wärme besser hält. Zudem reflektiert die Loire das Sonnenlicht – beides sind Effekte, die in dem kühlen Weinanbaugebiet den Ausschlag geben.
Sancerre: Kalk und Kreide ähnlich der Champagne
Die Böden in Sancerre sind durchaus mit denen der Champagne vergleichbar. Kalkstein und Kreide sind hier das Maß aller Dinge. Grob lassen sich drei Bodentypen unterscheiden: Terres blanches, Caillottes und Silex. Die Terres blanches besteht aus Mergelgestein sowie fossilen Ablagerungen, die gelegentlich von eisenhaltigem Glimmer durchzogen sind. Die Caillote genannten Böden sind von fossilen Meerestieren wie Seesternen und einem porösen Kalk geprägt, einem Ergebnis langer Verwitterungsprozesse. Diese Böden unterstreichen den Körper der Weine. Anders dagegen der sogenannte Silex, in dem sich Teile von Quarz und Feuerstein finden und der für eine Extraportion Mineralität sowie Würzigkeit in den Weinen sorgt.
Sancerre Rebsorte Sauvignon Blanc
In der AOP Sancerre hören fast alle Reben auf den Namen Sauvignon Blanc. Rund 80 Prozent aller Weinberge sind mit der weißen Rebsorte bestockt. Wer also Wein aus Sancerre kaufen möchte, dem steht meistens der Sinn nach frischem, fruchtbetontem Sauvignon Blanc, der mit Zug und Spritzigkeit unmittelbaren Weinspaß repräsentiert. Aber es gibt auch die filigraneren Sauvignon Blanc Vertreter, die mit feiner Rauchigkeit und Eindrücken von nassen Steinen ihre einzigartige Mineralität zelebrieren. Im Vergleich mit den Sauvignon Blanc aus der neue Weinwelt wie Neuseeland und Australien punktet der Sauvignon Blanc von der Loire mit mehr Eleganz und Finesse. Statt üppiger tropischer Fruchtaromen von Stachelbeere und Kiwi, kredenzt der Loire Sauvignon Blanc eher Aromen von grünem Apfel und Zitrusfrüchten.
Sancerres rote Rebsorte: Pinot Noir
Je näher die Loire ihrer Mündung in den Atlantik kommt, desto mehr steht der Cabernet Franc in den Weinbergen, der oft zuerst genannt wird, wenn es um Rotweine von der Loire geht. Doch Sancerre ist dann eben doch näher am Burgund als an Bordeaux, sodass in der AOP der Pinot Noir zum Zuge kommt. Historisch betrachtet, baute man sogar vorwiegend Gamay an – doch das ist eine andere Geschichte. Die Pinot Noir fallen eher fruchtbetont aus und sind deshalb auch perfekt für die – noch wenigen – Roséweine aus Sancerre geeignet, die Frucht und Frische kombinieren. Deshalb wird in Zukunft Wein aus Sancerre, immer öfter auch Pinot Noir und Rosé bedeuten.
Klimawandel kein Schrecken an der Loire
Traditionell galt eine der größten Sorgen der Winzer in Sancerre und der gesamten Loire, ob die Sommer warm und trocken genug sind, um gesundes Traubenmaterial hervorzubringen. Denn an Niederschlag mangelt es in der Weinregion nicht, was die Gefahr von Pilzerkrankungen mit sich bringt. Doch während für viele Weinregionen im Süden Europas steigende Durchschnittstemperaturen und längere Trockenphasen eine ernste Schwierigkeit darstellen, sind die Auswirkungen an der Loire eher positiv. Die Trauben reifen zuverlässig und in wunderbarer Gemächlichkeit aus, der Befall zum Beispiel mit dem falschen Mehltau geht zurück. Die Reben kommen mehr zu sich und zeigen die Merkmale des Terroir umso deutlicher.
Tradition verpflichtet: AOP der ersten Stunde
Bereits 1936 erhalten die Weißweine aus Sancerre ihren AOP-Status – damals noch AOC, Appellation d´Origine Controlée genannt. Die Rotweine folgen deutlich später mit der geschützten Herkunftsbezeichnung, erst seit 1959 dürfen Pinot Noir aus Sancerre das AOC/AOP führen. Eigentlich nur ein Wimpernschlag, wenn man bedenkt, dass erste schriftliche Erwähnungen des Weinbaus in Sancerre aus dem 9. Jahrhundert stammen. Eine erste Hochzeit erfährt der Sancerre-Wein im 12. Jahrhundert. Damals liegen das Kloster Saint-Satur und der Graf von Sancerre im Wettstreit um den besten Wein – und viele haben ihr Gutes daran. Der Siegeszug des Sauvignon Blanc, der heutzutage fast ein Synonym für Sancerre ist, geht jedoch auf ein trauriges Ereignis zurück. Nachdem die Reblaus-Katastrophe die vorwiegend roten Reben zerstört hat, setzen die Winzer an der Loire vorwiegend auf Weißwein und auf Sauvignon Blanc.
Sommerfrische & Meeresfrüchte: Sancerre
Sancerre und Sauvignon Blanc, das steht für erfrischende, anregende Weine mit spürbarer Frucht und toller Mineralität. Allein das macht den Sancerre zu einem echten Sommerwein für Terrasse und Balkon. Aber der Sauvignon Blanc von der Loire kann auch anders. Bei Meeresfrüchten und bei Meeresfischen ist Sancerre immer erste Wahl.