Weinregion Provence: Lebensgefühl in rosé
Am 27. Mai 2023 · von Jürgen OverheidEs ist Sommer, es ist Hochsaison für Roséweine. Nicht nur deshalb nimmt uns Weinfreundin Isabell Timm mit in die wundervolle Weinregion Provence, wo der Rosé ein Lebensgefühl beschreibt.
Die Provence hat ihren ganz eigenen Ruf. Manchen ist sie nur ein anderes Wort für mediterrane Sehnsucht voller Düfte von Kräutern und Lavendel in einer wild romantischen Landschaft. Nicht von ungefähr gilt die Provence auch als Landschaft der Künstler und der Künste. Die einzigartige Inspiration, die sie ausstrahlt, findet sich in den Gemälden Paul Cèzannes und anderer Maler ebenso wieder wie in zahlreichen Gedichten und Romanen.
Ein wenig überdeckt dieser idyllische Ruhm die Weinregion Provence, soviel Kraft hat das Bild des Sehnsuchtsorts gewonnen. Dabei kommt kein Weinfreund des Rosés an der Provence vorbei. Immerhin stammen von hier mehr als ein Drittel aller französischen Roséweine. Oder wer es noch eindrucksvoller mag: Nahezu 90 Prozent der Weine aus der Provence sind schlichtweg pink.
Die Heimat des Rosé
Die Region zählt bis zu 3000 Stunden Sonnenschein im Jahr. Ihre Böden sind karg und von Kalk und Kristallin geprägt. Höhenzüge wie das Massive des Maures und das Massive Tanneron durchziehen die Landschaft. Neben dem nahezu ikonischen Lavendel prägen Oliven- und Mandelbäume das Bild und in den ebenen Gebieten zu Seiten der Flüsse gedeihen Kirschen und Melonen, Pfirsiche und Aprikosen bestens.
In den Weingärten dominieren die Rebsorten Grenache, Carignan, Cinsault und der Mourvèdre. Aus diesen roten Trauben einen so bezaubernd charmanten Rosé zu machen, dass er nahezu zu einem Lebensgefühl wird, ist eine Kunst für sich. Allerdings eine, die die Winzer der Provence nachweislich beherrschen – und die Weinempfehlung weiter unten gerne belegt. Da der Rosé kaum Platz lässt für den Blick auf die Rotweine und Weißweine, erhalten auch die einzelnen Appellationen nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie in anderen, bekannteren Weinbaugebieten.
Die drei wichtigsten Rosé Appellationen der Provence
Insgesamt sind es neun AOP-Regionen (Appellation Origine Protegée), also Anbaugebiete mit geschützter Herkunftsbezeichnung, die sich in der Provence vor allem durch die Produktion von Roséweinen hervortun. Drei Appellationen sind dabei besonders wichtig, denn in ihnen entstehen über 90 Prozent der Provence Weine. Daher sind sie deutschen Weinfreunden beim Blick auf das Etikett am ehesten vertraut.
Côtes-de-Provence 20.500 Hektar AOP seit 1977 | Coteaux d’Aix-en-Provence 4.200 Hektar AOP seit 1985 | Coteaux Varois-en-Provence 2.500 Hektar AOP seit 1993 |
Am populärsten: Côtes-de-Provence Rosé
Die Appellation Côtes-de-Provence liegt im Osten der Provence und ist mit Abstand das größte Gebiet in der südfranzösischen Region. Sie umfasst fünfmal so viel Rebfläche wie die zweitgrößte Appellation, Coteaux d’Aix-en-Provence. Zudem ist die Côtes-de-Provence eine absolute Hochburg von Rosé-Weinen. 80 Prozent der Gesamtproduktion entfallen auf diese Weingattung. Aus keiner anderen Weingegend stammt eine so große Menge Rosé – und das weltweit! Viele Weine von der Côtes-de-Provence werden in einer Flasche in Kegelform abgefüllt. Sie wurde einst als Erkennungszeichen für Weine aus der Appellation eingeführt. Die Rosé-Weine müssen – den offiziellen Statuten folgend – mindestens zwei der festgelegten Hauptrebsorten Cinsault, Grenache Noir, Mourvèdre und Syrah enthalten. Diese Sorten müssen 80 Prozent oder mehr in der Cuvée ausmachen.
Wenig erstaunlich ist es, dass auch der beliebte Edel-Rosé Miraval von der Côtes-de-Provence kommt. Promi-Ex-Paar Angelina Jolie und Brad Pitt feiern mit diesem Wein, der in Zusammenarbeit mit der Winzer-Dynastie Perrin entstanden ist, seit Jahren Erfolge auf der ganzen Welt.
Geschichtsträchtig: Coteaux d’Aix-en-Provence
Die Weinberge rund um die Stadt Aix-en-Provence waren bereits im 15. Jahrhundert als Ursprung guter Weine bekannt. Ein offizielles AOP-Gebiet ist die Coteaux d’Aix-en-Provence im Westen der Provence erst seit 1985. Der Rosé von hier darf aus Grenache Noir bestehen, der mit maximal 40 Prozent Cinsault, Counoise, Mourvèdre, Syrah, Cabernet Sauvignon oder Carignan verschnitten werden darf. Zudem dürfen noch bis zu 10 Prozent einer weißen Rebsorte aus der Gegend zum Einsatz kommen.
Gräfliche Enklave: Coteaux Varois-en-Provence
Die Appellation Coteaux Varois-en-Provence liegt im Zentrum der Provence und bildet eine Enklave innerhalb des größeren AOP-Gebiets Côtes-de-Provence. Das Städtchen Brignoles bildet den Mittelpunkt der Coteaux Varois-en-Provence. Hier war in früheren Zeiten die Sommerresidenz der Grafen der Provence zuhause. Der Rosé aus Coteaux Varois-en-Provence wird aus mindestens 70 Prozent Mourvèdre, Syrah oder Grenache gewonnen. Zudem darf er noch maximal 30 Prozent Cinsault, Carignan, Cabernet Sauvignon oder Tibouren enthalten.
Fünf weitere AOP-Gebiete komplettieren die Region
Den Anfang der Fünferreihe macht die Appellation Les Baux de Provence. Sie liegt im Westen der Provence und ist wiederum eine kleine Insel innerhalb der Coteaux d’Aix-en-Provence. Die Appellation zeichnet eine große Besonderheit aus: Von hier dürfen nur Weine aus biodynamischer Herstellung stammen. Absolut einzigartig und daher hat Les Baux de Provence bereits das Image eine „Grand Cru Appellation“ zu sein.
Bellet liegt ganz im Osten der Provence und der Rosé von dort wird vor allem aus den selten Rebsorten Braquet und Fuella sowie aus Cinsault hergestellt. Der gängige Grenache Noir darf maximal zu 40 Prozent enthalten sein.
Seit 1936 ist Cassis eine offizielle Appellation in der Provence. Sie ist nach der gleichnamigen Stadt benannt und liegt im Westen der Region. Nur 20 Prozent der gesamten Weinproduktion entfällt auf Roséwein. Diese dürfen aus Grenache, Carignan, Mourvèdre, Cinsault und Barbaroux bestehen.
Die kleine Provence-Appellation Palette liegt im Zentrum der Region, südöstlich von Aix-en-Provence. Die mengenmäßig wenigen Roséweine aus Palette gelten aufgrund ihrer hohen Qualität als Grand Crus der Region.
Sondertatus: Bandol
Die Appellation Bandol bietet in der Provence etwas ganz besonderes: von hier kommen reinsortige Weine, die zu 100 % aus Mourvèdre vinifiziert wurden.Die Appellation Bandol ist die Nummer Fünf in der Aufzählung, hält im Vergleich zu den anderen Gebieten aber eine Überraschung parat: Von hier stammen Rotweine, die mindestens 50 Prozent Mourvèdre enthalten müssen. In Frankreich eine einzigartige Vorgabe. Üblicherweise kommt diese kräftige, spät reifende Rebsorte als Struktur verleihender und eine schöne Farbe stiftender Bestandteil einer klassischen Rotwein-Cuvée zum Einsatz – so in den benachbarten Appellationen an der südlichen Rhône und im Languedoc. Im Rosé aus Bandol dürfen die Rebsorten Mourvèdre, Grenache, Cinsault, Syrah und Carignan zum Einsatz kommen.