Nachhaltigkeit im Weinbau
Am 6. Juni 2023 · von Theresa WeberNachhaltig lautet eines der bekannten Schlagworte im zukunftsorientierten Weinbau. Was der Begriff im Weinbau für Winzerinnen und Winzer bedeutet und was Weingüter, die nachhaltig wirtschaften, zu beachten haben, verrät uns Kollegin Theresa.
Bevor wir einen Blick auf Nachhaltigkeit im Weinbau werfen, ist es notwendig, sich über den Begriff zu verständigen. Denn ein wenig hat er sich in den Debatten abgenutzt. Was hat etwa Nachhaltigkeit mit Klima und Ressourcen zu tun? Und wie stehen biologischer Weinbau und Biodynamik dazu?
Nachhaltigkeit: umgangssprachlich und wissenschaftlich
Die Rebflächen in bestmöglichem Zustand erhalten, damit der Weinbau über Generationen hinweg als Lebensgrundlage funktioniert. Diesem Gedanken begegnen wir bei Winzerinnen und Weinmachern in Familienbetrieben immer wieder. Dies ist einerseits konkret und greifbar, andererseits eher eine umgangssprachliche Annäherungsweise. Dennoch finden sich darin im Kleinen die drei Dimensionen, die der wissenschaftliche Begriff Nachhaltig umfasst.
Nachhaltigkeit ist die Idee, ökologisch, ökonomisch und sozial so zu handeln, dass die Grundlagen erhalten bleiben und sich regenerieren. Das wiederum klingt sehr abstrakt, lässt sich aber mit Beispielen schnell anschaulich machen.
Nachhaltiges Arbeiten im Weinberg
Der Boden einer Lage beschreibt eine ihrer wichtigsten Qualitäten. Umso mehr gilt es, den Boden nicht auszulaugen, dafür zu sorgen, dass er nicht abgetragen wird – Stichwort Erosion – und vor allem lebendig bleibt. Der Verzicht auf schweres Gerät, das den Boden verdichtet, Begrünung zwischen Rebzeilen, um dem Boden Nährstoffe zuzuführen, sind konkrete Maßnahmen. Im Weinberg zählt zudem der Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und Dünger dazu – was nicht immer einfach ist. Wichtig sind auch Maßnahmen, um die Biodiversität der Rebflächen zu fördern, was letztlich den Reben zugutekommt. Schädlinge werden so ganz natürlich im Zaum gehalten, das Ökosystem Weinberg ist stabiler. Auch Hecken an Wegesrändern und zwischen Parzellen sind ein Plus für die Natur. In Zeiten heißer werdender Sommer pflanzt man sogar Bäume als Schattenspender. Die ökologische Dimension ist damit erklärt. Aber es geht auch um die Arbeit als ökonomischen Faktor und um die Mitarbeiter, die diese Aufgabe leisten.
Energie, Wasser, CO₂: Nachhaltigkeit im Keller
Im Keller ist ressourcen- und energiesparendes Arbeiten gefragt. Die Auswahl von Materialien wie Leichtglas, Drehverschlüssen statt Naturkork oder Verpackungsmaterialien hat beispielsweise direkte Auswirkungen auf den CO₂-Fußabdruck. Gleichzeitig haben diese Faktoren ökonomische Effekte, die den Preis des Weines beeinflussen. Doch für die Kellerei gilt ebenso: Insbesondere die sozialen Aspekte sind genauso wichtig, sprich faire Bezahlung, gesunde Arbeitsplätze oder die Fürsorgepflicht bei gefährlichen Tätigkeiten.
Lässt sich Nachhaltigkeit im Wein schmecken?
Diese Frage lässt sich mit einem klaren Nein beantworten. Zu bezweifeln ist hingegen nicht, dass biologischer, naturnaher oder biodynamischer Anbau – so sie Teil des Nachhaltigkeitskonzept des Weinguts sind – dem Wein als natürlichem Lebensmittel guttun. Inwiefern sich dies direkt in der Qualität eines Bioweins, eines biodynamisch erzeugten Weins oder gar eines Vin Naturel bemerkbar macht, lässt sich zumindest diskutieren. Aber allein mit Geschmack sind die ökonomischen und vor allen sozialen Aspekte von Nachhaltigkeit nicht abzuhandeln. Gerade deshalb kann ein Nachhaltigkeitssiegel bei der Kaufentscheidung von Bedeutung sein – denn es geht um das große Ganze. Allerdings dürften den meisten von uns diese Siegel nicht bekannt sein. Deshalb hier die Übersicht der deutschen Kennzeichen.
Nachhaltigkeitssiegel: Zauberwort Zertifikation
In Deutschland zertifizieren drei Organisationen die nachhaltige Arbeit eines Weinguts. In anderen Ländern gibt es vergleichbare Kennzeichen. Voraussetzung für das Führen des Siegels ist die erfolgreiche Zertifizierung des Weinbaubetriebs gemäß den Nachhaltigkeitsrichtlinien der Organisationen. In regelmäßigen Audits wird die richtige Entwicklung überprüft.
Fair’n green
Bereits 2013 gegründet, berät der eingetragene Verein Weingüter auf dem Weg zur Zertifizierung und der Verfolgung eines individuellen Entwicklungsplan. Die Zertifizierung verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und hat Betriebsführung, Umwelt, Gesellschaft und Wertschöpfungskette im Blick.
FairChoice
Dieses Nachhaltigkeitssiegel entspringt der Zusammenarbeit des Deutschen Instituts für Nachhaltige Entwicklung und der Hochschule Heilbronn. Das Siegel ist speziell auf den Weinbau ausgerichtet. Dafür begutachtet FairChoice die Weingüter anhand von über 40 Kriterien aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales.
EcoStep Wein
Dritter im Bunde ist EcoStep, dessen Zertifizierungsprogramm die Hochschule Geisenheim mitentwickelt hat. Ziel der Zertifizierung und fortlaufenden Weiterentwicklung sind Verbesserung der Betriebsführung, Ermittlung von Kostensenkungspotentialen sowie die Umsetzung von Umwelt- und Arbeitsschutz im Weingut.