Histamin im Wein: Was ist dran? Was ist drin?
Am 31. Oktober 2023 · von Daniel MünsterWem das Thema Histamin Kopfzerbrechen bereitet, ist bei unserem Weinfreund Daniel Münster gut aufgehoben. Alles Wissenswerte rund um Wein und Histamin hat er für uns zusammengetragen.
Histamin hört sich als Begründung eigentlich recht glaubhaft an, wenn jemand am Morgen nach der Flasche Rotwein mit Kopfschmerzen und Übelkeit zu kämpfen hat. Tatsächlich ist damit nur in verschwindend wenigen Fällen der wahre Übeltäter ausgemacht. Ähnlich wie die Sulfite zählen Histamine zumeist unberechtigt zu den üblichen Verdächtigen, wenn es um Beschwerden am „day after“ geht.
Bereits die reine Statistik verschafft dem Histamin ein gutes Alibi, denn Experten geben an, dass lediglich ein Prozent der Bevölkerung an einer Unverträglichkeit leidet. Unter diesem Prozent befinden sich zu 80 Prozent Frauen. Entgegen einem weiteren Vorurteil handelt es sich eben nicht um eine Allergie im klassischen Sinne, sondern um eine Unverträglichkeit, die wiederum allergische Reaktionen auslösen kann.
Unverträglichkeit bei zu hoher Menge
Der menschliche Körper stellt aus der Aminosäure „Histidin“ selbst Histamin her und setzt es als Botenstoff ein, der beispielsweise den Schlaf-Wach-Rhythmus regelt. Als solcher wirkt das Histamin ebenso bei allergischen Reaktionen wie auch bei Entzündungsereignissen mit. Histamin erfüllt also wichtige Aufgaben und wird erst dann zum Problem, wenn zu viel davon im Körper vorliegt.
Denn: Menschen mit einer Histaminunverträglichkeit produzieren nur sehr wenig – oder ihn fehlt gänzlich – ein Enzym namens „Diaminoxidase“ (DAO), das für den Abbau des Histamins verantwortlich ist. Somit gilt es für die Betroffenen, möglichst wenig zusätzliches Histamin mit der Nahrung aufzunehmen. Zu den Köstlichkeiten, die Histamin enthalten, zählen leider Salami und Schinken, harte Käsesorten… und auch Wein.
Histamin Gehalt im Wein: weniger als gedacht
An dieser Stelle möchte ich erneut ein paar Zahlen zur Aufklärung bemühen. Ein Liter Weißwein enthält weniger als ein Milligramm Histamin, ein Liter Rotwein maximal drei bis vier Milligramm. Und ein Roséwein liegt in Hinblick auf den Histaminwert ungefähr zwischen Weiß- und Rotwein. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass bestimmte Lebensmittel dagegen bis zu 250 Milligramm pro 100 Gramm auf die Histamin-Waage bringen.
Allerdings ist beim Wein nicht nur an die Histamine zu denken, sondern auch an den Alkohol. Er hemmt die Tätigkeit jenes Enzyms – das bereits genannte DAO – welches für den Histaminabbau zuständig ist. Zudem kann der Alkohol auch bereits im Körper vorhandene Histamine freisetzen.
Wie kommt Histamin in den Wein?
Allgemein entstehen Histamine, wenn Lebensmittel fermentiert werden oder ein Gärprozess an der Herstellung beteiligt ist. Das bedeutet für Wein, dass bereits gänzlich überreifes Traubenmaterial bei der Lese für einen Histaminanstieg sorgen kann. Naheliegend, dass somit auch lange Mazerationen (Maischestandzeiten) für einen erhöhten Histaminanteil verantwortlich sein können.
Noch entscheidender ist der Biologische Säureabbau, auch malolaktische Gärung genannt, bei dem die Apfelsäure im Wein zu Milchsäure umgewandelt wird. Je nachdem, welcher Bakterienstamm am Werke ist, kann es gleichfalls zu einer Erhöhung des Histaminwerts kommen.
Da Weißweine generell weniger Histamin enthalten und zudem deutlich seltener diesen Prozess des Säureabbaus durchschreiten, kann man mit der Faustregel „Weißwein enthält weniger Histamin als Rotwein“ schon vielen Weinfreunden weiterhelfen.
Hat alkoholfreier Wein auch Histamin?
Auch alkoholfreier Wein enthält Histamin. Das derzeit fortschrittlichste Verfahren zum Entalkoholisieren von Wein ist die sogenannte Vakuumdestillation. Dabei verdampft bei niedrigen Temperaturen zwar der Alkohol, jedoch bleiben die übrigen Bestandteile im Wein erhalten, auch die Histamine. Jedoch können diese durch das Fehlen des Alkohols schneller abgebaut werden, denn das DAO genannte Enzym wird nicht gehemmt.
Wein ohne Histamin, geht das?
Ja und nein. Winzer, die bewusst bei den oben beschriebenen Herstellungsschritten auf die Vermeidung von Histamin achten, können Weine anbieten, die nahezu histaminfrei sind. Die in solchen Weinen enthaltene Menge liegt weitestgehend unterhalb der Grenze der Wirksamkeit. Histaminarme Weine sind in der Regel Weißweine, insbesondere leichte Weißweine. Hier lohnt es sich nach Weinen zu suchen, die explizit als histaminfrei oder histaminarm gekennzeichnet sind.
Histamine im Rotwein
Bei Rotwein hilft es zu wissen, dass ein Wein, der bei seiner Herstellung lange Schalenkontakt hatte, also ausgiebig mazerierte, mehr Histamine in die Flasche bringt, als ein leichter, schlank ausgelegter Rotwein. Auch die Schalendicke der Rebsorte hat auf den Histamingehalt Einfluss. Beispielsweise kann gesagt werden, dass etwa ein Spätburgunder mit seinen vergleichsweise dünnen Schalen weniger Histamin enthält, als ein auf Kraft und Struktur ausgelegter Cabernet Sauvignon mit recht dicker Beerenhaut.
Bei all dem sollte allerdings nicht vergessen werden, dass Beschwerden nach dem Weinkonsum nur ganz selten den Histaminen zugeschrieben werden können, sondern meist mit übermäßigem Alkoholkonsum in Verbindung stehen.