Die Weinregion Burgund
Am 20. Juni 2023 · von Sven ReinboldAus dem Burgund kommen die besten Weine der Welt, sagt man. Die teuersten stammen ohne Zweifel von dort. Doch was macht diese Weine so einmalig? Woran macht sich die Güte des Burgunds fest? Kollege Sven gibt den Aufklärer und besteigt für uns die burgundische Qualitätspyramide.
Zugegeben, bei den vielen Appellationen im Burgund, bei all den besonderen Weinbegriffen und Qualitätsbezeichnungen fällt es nicht leicht, den Überblick zu bewahren. Hinzu kommt, dass nicht jeder Weinliebhaber mit der französischen Sprache so vertraut ist. Da wird es mit dem Aussprechen und dem Merken manchmal etwas schwierig. Doch all das darf niemanden davon abbringen, sich mit dem weltweit bestaunten Burgund zu beschäftigen. Neben dem berühmten Bordeaux sind es nämlich die Weine aus dem Burgund, die aus der Liste der besten Weine der Welt nicht wegzudenken ist. Es geht also in die Top-Etage der internationalen Weinwelt.
Burgund: Viele Appellationen und noch mehr Lagen
Der Weinbau hat in der Region eine lange Tradition, die bis in die Römerzeit zurückreicht. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass bereits die Kelten in der Region Weinreben kultiviert haben. Im ehemaligen Herzogtum „Bourgogne“ vereinen sich heute Chablis, Côté d’Auxerre, Côté d’Or, Côté de Nuits, Côté de Beaune, Côté Chalonnaise, Mâconnais und Beaujolais zur Weinanbauregion Burgund.
Lange Zeit bezeichnete sich das Burgund gern als die Weinregion der 100 Appellationen. Zählt man genau nach, kommt man auf „nur“ 84 geschützte Anbaugebiete. Um dies richtig einschätzen zu können: Obgleich das Burgund nur knapp vier Prozent der gesamten Rebfläche Frankreichs aufbringt, stellt die Region fast ein Viertel aller offiziellen Appellation d’Origine Contrôlée (AOC). Für jede einzelne der burgundischen Appellationen gelten selbstverständlich eigene Vorschriften. Darin werden nicht nur die zugelassenen Rebsorten oder die Ertragsmenge reguliert. Selbst die Dichte, in der die Rebstöcke zu pflanzen sind, oder auch die Erziehungsform der Reben sind streng vorgegeben.
Die Rebsorten im Burgund
Bei den Rebsorten ist es glücklicherweise noch recht übersichtlich. Es sind Chardonnay und Pinot Noir, die das Burgund dominieren – und weltbekannt gemacht haben. Der Chardonnay dominiert alle vor Ort kultivierten Traubensorten und wird auf einer Gesamtrebfläche von mehr als 45 Prozent angebaut. Die Chardonnay-Rebstöcke konnten sich im Laufe der Jahrhunderte am besten an das teils sehr raue Klima anpassen. Mit einem Anteil von 36 Prozent ist der Pinot Noir als bedeutendster Rotwein. Neben Chardonnay und Pinot Noir werden im Burgund Gamay, Aligoté und Sauvignon Blanc angebaut.
Qualitätsstufen und ihre Begriffe
Bei den verschiedenen Qualitätsstufen der Weine aus dem Burgund geht es nun an die entscheidenden Begriffe.
Appellation Génerique
Die Basisqualität der Weine zählt zu den allgemeinen Anbaugebieten – auf Französisch Appellation Génerique. Diese Weine werden einfach Bourgogne Rouge und Bourgogne Blanc genannt sowie Bourgogen Aligoté, Pinot Bourgogne, Bourgogne Passe-Tout-Grain oder Bourgogne Grand Ordinaire. Auch der Crémant der Bourgogne ist solch eine allgemeine Appellation für den Schaumwein der Region.
Appellation Régionale
Auf der nächsten Qualitätsstufe folgen die sieben Appellation Régionale, die auf ein immer noch großes, aber schon genaueres Gebiet bezogen sind: Chablis, Côte de Beaune, Côte d’Or, Côte de Nuits, Côte Chalonnais, Maconnais oder Beaujolais ist dann auf dem Etikett zu lesen. Gemeinsam mit den Weinen der Appellation Géneriques stellt diese Qualitätsstufe etwa 53 Prozent der burgundischen Weinproduktion.
Appellation Village
Eine weitere Stufe darüber sind die Weinebreiche auf Gemeindeebene angesiedelt, die Appellation Village, auch Appellation Communale genannt. Die geographische Zuordnung wird also noch genauer. Insgesamt 44 dieser Appellation Village zählt das Burgund. Auf dem Etikette erscheint dann auch nur der Name der Gemeinde. Und schon kommen wir mit den Beispielen in den Bereich der legendären Namen: Gevrey-Chambertin, Vosne-Romanée, Pommard, Nuits-Saint-Georges … Stammt der Villages-Wein darüber hinaus aus einer einzigen Lage – Climat oder Lieu-dit genannt – darf er zusätzlich zum Ortsnamen auch diese auf das Etikett bringen. Allerdings in einer kleineren Schriftgröße, wobei der Ortsname zwischen „Appellation“ und „Contrôlée“ wiederholt werden muss. Ein Beispiel hierfür ist: Pommard Village „Les Vaumuriens“.
Lieu-dit meint den alteingesessenen Namen einer Lage oder des Weinberges. Ein Climat ist dagegen eine Lage, die sich über ihre individuellen Bodenverhältnisse samt Ausrichtung definiert, also weinspezifischer ist als der Lieu-dit. Ein weiterer Fachbegriff ist nun fällig. Wenn eine Lage mit Appellationsstatus – ausnahmsweise – nur einem und nicht mehreren Besitzern gehört, wird sie zusätzlich als „Monopole“, auf Deutsch Monopollage, bezeichnet. Ein Beispiel ist die berühmte Lage „La Tâche“, die sich im Alleinbesitz der Domaine de la Romanée-Conti befindet.
Premier Cru: Spitzenweine aus dem Burgund
Innerhalb der Villages-Appellation werden die besten Lagen noch einmal hervorgehoben und mit einer eigenen Bezeichnung bedacht: Premier Cru. Diese wörtlich übersetzt „Ersten Lagen“ sind so prestigeträchtig, dass sie auch in Kombination mit dem Ortsnamen – in gleicher Schriftgröße – genannt werden. Zum Beispiel Chablis, Premier Cru, Montée de Tonnerre oder Gevrey-Chambertin, Premier Cru, Clos St-Jacques.
Was überraschen mag, die zweithöchste Qualitätsstufe der Premier Crus stellt nahezu ein Drittel der Weine aus dem Burgund. Ein Terrain, auf dem man sich als Weinfreund also richtig austoben kann – wenn man sich auskennt und den Etat für den Weineinkauf ein wenig aufstockt. So ist der genannte Gevrey-Chambertin, Premier Cru, Clos St-Jacques bereits mit einem dreistelligen Preisschild ausgestattet.
Höchste Klasse der Weinspitze: Grand Cru
An der Spitze der Weine aus dem Burgund steht der berühmte Grand Cru – das Große Gewächs, wenn man so will. Diese Lagen oder Climats sind das Feinste vom Feinsten, es sind exklusive Gegebenheiten von außerordentlicher Qualität, die sie auszeichnen. Davon gibt es im gesamten Burgund immerhin 33, die alle zusammengenommen jedoch gerade mal ein Prozent aller in der Region hergestellten Weine ausmachen.
Bei soviel Spitzenqualität wird es mit dem Namen wieder einfach. Dabei hilft der Umstand, dass alle Grand Cru automatisch als eigenständige Appellation gelten. Kurzum, der Name der Appellation ist gleich mit dem Namen der Lage, und deshalb reicht diese einzelne Bezeichnung auf dem Etikett. Wer also einen Burgunderwein mit einem simplen Chambertin, Clos de Vougeot, Corton, Musigny, Richebourg oder Romanée-Conti auf dem Etikett im Weinkeller beheimatet, darf sich glücklich schätzen. Für alle, die über den Kauf eines solchen Weines nachdenken, der bescheidene Hinweis, dass zumindest die bereits gereiften Rotweine nahezu allesamt im vier- bis fünfstelligen Preisbereich liegen. Ein „jungen“ Wein diese Kategorie gibt es ab 100 Euro aufwärts. Pro Flasche wohlgemerkt.
Damit man es sich besser merken kann, die ganze Qualitätspyramide des Burgunds noch einmal als Rechenaufgabe. Dabei werden die Appellation Génerique nur im Kopf behalten, und nicht mitgerechnet.
7 Regionale Appellationen + 44 Village Appellationen + 33 Grand Cru Appellationen = 84 AOC des Burgunds. D’accord?
Klima und Boden im Burgund
Das ausgeklügelte System hat durchaus seine Berechtigung. Das Burgund zeichnet sich nämlich durch eine außerordentlich große Vielfalt ganz unterschiedlicher Bodenverhältnisse aus, die sich auf sehr kleiner Fläche abwechseln. Das trifft nicht nur auf die Village Appellationen zu, sondern kann auch einzelne Weinberge meinen – deshalb der Begriff Climat, deshalb Premier Cru und Grand Cru. Festhalten lässt sich, den Winzern und Weinmachern im Burgund geht es um die Typizität ihrer Lagen, um den Charakter der kleinsten Rebfläche. Dies ist das große Ideal des Weinbaus im Burgund.
So fällt auf, dass alle Premier Cru- und Grand Cru-Lagen auf mittlerer Höhe der nach Süden oder Südosten ausgerichteten Hänge liegen. Die einfacheren Weine der Regionalen Appellationen wachsen dagegen weiter unten oder in dem flachen Gelände am Fuße der Hügel. Doch es sind nicht nur Geologie und Natur, die im Burgund eine prägende Rolle spielen. Ein Beispiel ist der berühmte Clos. Dabei handelt es sich um eine Rebfläche, die komplett von Trockensteinmauern umgeben ist. Zum einem markieren die Besitzer mit diesen Mauern ihren Besitz. Aber es sind die Mönche des Mittelalters, die bereits entdecken, wie sehr die Mauern die Reben vor Wind und Wetter schützen. Sie schaffen ein eigenes Mikroklima, das im Zusammenspiel mit dem Boden seinen individuellen Ausdruck im Wein hinterlässt.
Denn der Weinbau im Burgund hat durchaus seine Tücken. Das kühle bis gemäßigte kontinentale Klima hält manche schlechte Überraschung bereit. Berüchtigt sind die bis in den Mai reichenden Nachtfröste, die insbesondere in den niedrigen Lagen verheerende Schäden anrichten können. Man denke nur an die Bilder, die zeigen, wie die Winzer des Nachts durch Feuer zwischen den Reben den Frost abzuwehren versuchen. Ebenso gefürchtet sind die sommerlichen Hagelschauer, die Rebe und Trauben unter Beschuss nehmen. Folglich gibt es Jahrgänge, die nur geringe Erntemengen einbringen, was die schon anspruchsvollen Preise weiter beansprucht.
Kleine Rebflächen, große Weine
Noch eine Besonderheit ist der Geschichte geschuldet. Vor allem die Erbteilung hat dazu geführt, dass die Weingüter im Burgund verhältnismäßig klein sind. Die durchschnittliche Größe der Rebfläche beträgt lediglich 6,5 Hektar. Die traditionell hohen Grundstückspreise im Burgund sorgen dafür, dass es schnell sehr teuer wird, wenn das Gut wachsen will. Zudem muss man erst einmal jemand finden, der seine gute Lage verkaufen möchte. In der Folge führt dies dazu, dass Weingüter oder Weinmacher Traubenmaterial von anderen Weinbauern, Winzern oder einer der wenigen Kooperativen dazukaufen. Der Unterschied wird fein säuberlich vermerkt. Wer eigene Trauben für seinen Wein verwendet, ist ein Propriéteur-Recoltant oder Propriéteur-Vignerons. In den anderen Fällen wird der Handel der Trauben vermerkt und notiert. Auf der Flasche findet sich der Begriff Négociant.
Vom Burgund lernen: VDP
Es ist gerade die Genauigkeit und der hauptsächliche Bezug auf die Qualität der individuellen Lage, der die Burgunder Systematik so attraktiv macht. In Deutschland ist es der Verband Deutscher Prädikatsweingüter – kurz VDP – der sich mit seiner Qualitätspyramide an der Vorarbeit im Nachbarland orientiert hat. Seine Einteilung von Gutswein über Ortswein und Erster Lage bis zur Großen Lage lässt die Parallele klar erkennen. Angesichts des Renommees der Weine aus dem Burgund und mit Blick auf die erzielten Preise für diese Weine mag der VDP wohl der Divise gefolgt sein: vom Burgund lernen, heißt siegen lernen.