Das Weinjahr 2023
Am 26. Januar 2024 · von Sven ReinboldEine große Herausforderung war der Jahrgang 2023 für nahezu alle Winzerinnen und Winzer in Europa. Extreme Wetterverhältnisse sorgten für Anspannung, viel Arbeit und mitunter auch für katastrophale Einbußen. Ein Rundblick zur besseren Einschätzung des Weinjahres 2023.
Eigentlich eine nette Angewohnheit, zu Beginn des Jahres einen Rückblick auf die Ereignisse in den europäischen Weinregionen anzustellen. Allein wenn man sich die Beschreibungen des Weinjahres 2022 sowie der Vorjahre anschaut, bekommt Klimawandel etwas sehr konkretes. Denn auch im Weinjahr 2023 setzt sich die Tendenz zu immer mehr Extremereignissen fort. Ob Hagelunwetter oder übermäßige Niederschläge, Frostereignisse oder anhaltende Dürre, für viele Weingüter und Winzergenossenschaften ist das Jahr 2023 mit Herausforderungen gespickt. Kleiner Trost am Rande: Die Trauben, die letztlich gelesenen wurden, weisen zumeist gute Qualitäten auf.
Frankreich: Falscher Mehltau hier, Trockenheit da
Die ganze Bandbreite schwieriger Wettereignisse lässt sich in Frankreich beobachten. Beispielhaft für die Widrigkeiten des Jahres ist das weitflächige Auftauchen des Falschen Mehltaus (Peronospora) im Bordelais und dem gesamten Südwesten. Rund um Bordeaux finden sich Weinbauern, die bis zu 80 Prozent ihrer Trauben verlieren. Viel Niederschlag im Frühjahr und schnell ansteigende Temperaturen haben diese Notlage ausgelöst. Dagegen sind das Languedoc und das Roussillon, aber auch die südliche Rhône von anhaltender Trockenheit bei hohen Temperaturen geplagt. Ein weiteres Übel des Weinjahres 2023 in Frankreich sind die kräftigen Hagelstürme, die zwar stets nur lokal, aber dafür in fast allen Weinregionen auftreten. Unberücksichtigt von den Wetterkapriolen beginnt die Lese erneut besonders früh. Das dauerhafte Verschieben der Leseperioden nach vorn verweist – nicht nur in Frankreich – auf die Folgen des Klimawandels. Dass zu erkennen, genügt ein Rückblick auf die vergangenen 40 Jahre.
Zu den Gewinnern des französischen Weinjahres zählen dagegen die Champagne und das Burgund. Nahezu keine Frostschäden und nur geringfügige Hagelschäden machen eine Lese möglich, die sowohl was die Menge als auch die Qualitäten betrifft, hoffnungsfroh stimmt. Auch das Beaujolais zeigt sich zufrieden. Durchwachsen wiederum die Bilanz im Tal der Loire. Die Menge stimmt durchgehend, aber in Hinblick auf Qualitäten gibt es je nach Appellation große Unterschiede.
Italien: Katastrophenjahr für Bella Italia
Der Jahrgang 2023 wird den italienischen Winzerinnen und Weinmachern von Sizilien und Apulien bis zum Gardasee lange in Erinnerung bleiben. Während der Süden im Frühsommer unter Temperaturen bis zu 45 Grad Celsius ächzt, gibt es in der Emilia-Romagna dramatische Hochwasser und Dauerregen. Die nördlichen Regionen Piemont, Lombardei und Venetien kommen besser weg, allerdings hat man dort lokal große Hagelschäden zu beklagen. Für alle Lugana-Fans wird es ein Jahr der kleinen Mengen. Ganz besonders arg hat es das Weingut Cà dei Frati getroffen, wie ein Video aus dem Sommer zeigt. Generell versöhnte das gute Wetter in Spätsommer und Herbst ein wenig. Auch in Italien findet die Lese wieder früher als gewöhnlich statt und bringt dort, wo genügend an den Reben geblieben ist, gute Qualitäten in den Keller.
Spanien: Hitze & Hagel
Verheerend die spanische Bilanz des Weinjahres, wo einige Regionen Erntemengen mit historischen Tiefstständen melden. Die Hitzewellen und Dürreperioden treffen nämlich die ohnehin schon heißeren Regionen. Das im Landesinneren gelegene Kastilien-La Mancha zählt zu den Leidtragenden der Trockenheit, aber auch Katalonien mit der Cava-Region Penedès hat Schäden zu beklagen. Schwere Hagelstürme lassen die Bodegas im ganzen Land den ganzen Sommer über verzweifeln. Noch im September sucht die Region Valencia ein verheerender Hagelsturm kurz vor der Lese heim. Alte Reben, höhere Lagen, mehr Wetterglück, der Jahrgang 2023 ist in Spanien sehr selektiv.
Portugal: Licht & Schatten
Besser als das Vorjahr, das unter extremer Trockenheit und Hitze zu leiden hatte, aber regional sehr unterschiedlich – so lautet die portugiesische Bilanz des Weinjahres 2023. Während der Douro mit guter Menge und toller Qualität punktet, hat die Weinregion Dão über Echten Mehltau und schwere Hagelstürme zu klagen. Generell zeigt sich dieses Jahr für die Weinregionen, die in der Landesmitte Portugals liegen, anspruchsvoller.
Deutsche Anbaugebiete: guter Endspurt
Das Weinjahr 2023 beginnt allgemein hin trocken und im Frühjahr warten viele Weingüter und Winzergenossenschaften vergeblich auf den wichtigen Niederschlag für den Austrieb der Reben. Als der Regen dann im Sommer fällt, ist es direkt zu viel davon und der Pilzdruck auf die Reben wächst beträchtlich. Eine gute Arbeit im Weinberg mit ausreichend Belüftung der Rebzeilen ist in dieser Phase entscheidend. Auch die Wasserdurchlässigkeit des Bodens spielt eine große Rolle. Die Lese selbst ist dann wieder versöhnlich. Sie findet in diesem Jahr erneut sehr früh statt und vor allem versammelt sich der optimale Lesezeitpunkt für die unterschiedlichen Rebsorten und Lagen insgesamt in einem knapperen Zeitfenster. Das bedeutet mehr Organisationsstress bei der Lese und im Keller.
Schon Ende August erntet man an der Ahr den Frühburgunder, auch in Baden und der Pfalz fällt bereits der Startschuss für die Lese. Über die Anbaugebiete hinweg sorgt der trockene, warme Spätsommer für gute Bedingungen und das Traubenmaterial bekommt den letzten Schliff. Allein jüngere Reben haben mit den Temperaturen und der Trockenheit zu kämpfen. Generell vermelden die Weinmacher, dass in diesem Jahr eine besonders aufmerksame Selektion der Trauben notwendig war, um dann aber auch über gute Qualitäten zu verfügen. Genauso oft hört man von den Weingütern, wie zufrieden man mit den kommenden Weinen ist.