Champagner: Willkommen in einer eigenen Welt
Am 13. Juli 2021 · von Jürgen OverheidNicht erst Sir Winston Churchill wusste es: Champagner ist in der großen Weinwelt eine Klasse für sich. Doch stellt er auch ein komplexes Thema dar – die Unterscheidung zwischen Champagner, Crémant, Sekt, Prosecco oder Cava fällt nicht immer leicht. Daher möchte Kollege Jürgen Overheid im folgenden Beitrag perlende Aufklärung betreiben. Dafür widmet er sich allen Details des prestigeträchtigen Schaumweines aus der Champagne.
Was ist Champagner? Klima und Weinanbaugebiete
Die Region Champagne liegt im Nordosten Frankreichs, etwa 160 Kilometer östlich von Paris. Nur Schaumweine, die aus dieser Appellation d’Origine Protegée (AOP) stammen, dürfen als Champagner bezeichnet werden. Alle anderen Schaumweine aus Frankreich – unabhängig von dem Herstellungsverfahren – werden Crémant genannt.
Die klimatischen Bedingungen in der Champagne sind für die Herstellung von hochwertigem Schaumwein geradezu perfekt: Die kühlen Temperaturen in der Region lassen die Trauben langsam reifen, die Frische spendende Säure bleibt in den Beeren erhalten. Zudem besteht der Boden in der Champagne zum größten Teil aus Kreide und Kalkstein – ideale Voraussetzung für klare, mineralische Schaumweine.
Eine weitere Besonderheit der Region: 15.000 Winzer bauen hier Wein an, doch nur 5.000 davon produzieren eigenen Champagner. Die anderen Betriebe verfügen über sehr kleine Rebflächen und beliefern die rund 60 Genossenschaften in der Champagne oder die 360, teils sehr renommierten und großen Champagner-Handelshäuser.
Die Geschichte des Champagners
Champagner, wie wir ihn kennen, ist eigentlich ein Zufallsprodukt: Durch die kalten Wintertemperaturen in der Region stoppte häufig der Gärprozess von normalen Stillweinen. So wurde die Umwandlung von Zucker in Alkohol nicht vollständig abgeschlossen. Da dies nicht immer auffiel, füllte man den Wein in Flaschen und verkorkte sie. Erst im darauffolgenden Frühjahr wurden die verbliebenen Hefezellen durch den Temperaturanstieg wieder zum Leben erweckt und es begann ein zweiter Gärprozess. Da in dessen Folge immer Kohlendioxid als Nebenprodukt entsteht, explodierten häufig unzählige Flaschen, ohne dass Winzer eine Erklärung dafür hatten.
Dom Pérignon und Veuve Clicquot
Mitte des 16. Jahrhunderts bemühte sich ein Benediktinermönch namens Dom Pérignon diese unfreiwillige Zweitgärung zu verhindern, da er sich über die Verschwendung des guten Weines in er Champagne maßlos ärgerte. Der Legende zufolge hat er in diesem Zusammenhang auch von dem schäumenden Wein probiert und war entgegen aller Erwartungen sofort begeistert. Viele Quellen behaupten dies sei die Geburtsstunde des Champagners gewesen.
Etwa zur gleichen Zeit entdeckte der englische Physiker Christopher Merret, dass die Zugabe von Zucker absichtlich eine zweite Gärung anregen kann. Es gab den Winzern die Kontrolle über dieses unvorhersehbare und scheinbar zufällige Ereignis. Erst durch diese Kenntnis wurden Weinbauern in die Lage versetzt Schaumwein professionell herzustellen.
Einige Zeit später hatte dann noch eine Frau großen Einfluss auf den Champagner, wie wir ihn heute kennen und schätzen: 1805 übernahm Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin die Geschäfte des Champagnerhauses ihres verstorbenen Mannes. Während ihrer Regentschaft entwickelte Madame Clicquot, auch bekannt als „Veuve“ – französisch für Witwe – ein Verfahren, das heute als Remuage oder auch Rüttelung bekannt ist. Dabei werden die Flaschen immer wieder gedreht und aufrechter gestellt, um die abgestorbenen Hefezellen der zweiten Gärung in den Flaschenhals zu befördern. Beim sogenannten Degorgieren können sie dann einfach entfernt werden. Erst diese Technik machte Schaumweine mit feiner, klein perlender Kohlensäure möglich.
Rebsorten und Gebiete der Champagne
Die drei wichtigsten Rebsorten für die Champagnerproduktion sind die Rotweintrauben Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) sowie der weiße Chardonnay. Abgesehen vom Rosé-Champagner werden die roten Rebsorten immer weiß vinifiziert.
In der Champagne existieren insgesamt fünf Sub-Regionen: Die bergige Region Montagne de Reims ist für ihren Pinot Noir bekannt, ebenso wie Aube, das südlichste Anbaugebiet. Das Vallée de la Marne, das sich in einem Tal erstreckt und ein warmes Mikroklima besitzt, wird wiederum für Pinot Meunier geschätzt. Die nach Osten ausgerichtete Côte de Blancs ist fast ausschließlich mit Chardonnay bestockt, ebenso wie die Côte de Sézanne.
Schnell-Informationen zum Mitnehmen
- Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier sind die drei wichtigsten Rebsorten, die zur Herstellung von Champagner verwendet werden.
- Champagner wird in einer Vielzahl von Stilen und verschiedenen Süßestufen produziert.
- Méthode Champenoise heißt die traditionelle Methode, mit der Champagner hergestellt wird.
- Die Champagne liegt im Nordosten Frankreichs und ist in fünf Anbaugebiete unterteilt.
Wie wird Champagner hergestellt?
Selbstverständlich existieren verschiedene Möglichkeiten Schaumwein herzustellen. Das wissen wir aus unserem Beitrag Champagner, Sekt, Crémant, Cava & Co.
Champagner jedoch wird durch einen Prozess hergestellt, der als Méthode Champenoise bekannt ist (auch „traditionelle Flaschengärung“ genannt). Dieses zeit- und arbeitsintensive Verfahren ist einer der Gründe, warum sich Champagner in Bezug auf Qualität, Prestige und Preis über die letzten Jahrhunderte so einen exzellenten Ruf erarbeiten konnte.
Die einzelnen Schritte der klassischen Champagner-Herstellung nun im Folgenden:
Pressung
Saft aus der ersten Traubenpressung („Tête de cuvée“) ergibt die hochwertigsten Grundweine, während der Saft aus der zweiten Pressung („Taille“) mehr Extrakt und Tannine enthält, aber trotzdem zur Herstellung eines Champagners verwendet werden darf.
Erste Gärung
Wie beim Stillwein auch, wird der Zucker aus den Beeren durch Hefe in Alkohol umgewandelt. Als Nebenprodukt entstehen Kohlendioxid und Wärme. Die erste Gärung erfolgt meistens in Edelstahltanks, selten auch in Fässern aus Eichenholz. Nach dem ersten Gärprozess werden Grundweine verschiedener Rebsorten häufig zu einer Cuvée verschnitten („Assemblage“). Nicht selten sind die Bestandteile Pinot Noir, Chardonnay und Pinot Meunier.
Flaschengärung
Dieser Schritt ist der eigentliche Kniff der Méthode Champenoise und er kann bis zu acht Wochen dauern: Der durch die erste Gärung gewonnene Grundwein wird mit einer Zuckerlösung – auch Liqueur de tirage oder Füll-Dosage genannt – sowie speziellen Hefen vermischt und in Flaschen abgefüllt, die schließlich mit einem Kronkorken verschlossen werden. Auch bei dieser zweiten Gärung wandelt die Hefe den Zucker langsam in Alkohol um und erzeugt in Zuge dessen Kohlensäure.
Hefesatzlagerung
Nach der Flaschengärung spielen die abgestorbenen Hefezellen eine wichtige Rolle bei der Reifung des Schaumweines. Der Kontakt mit der Hefe („sur lie“) verstärkt das Geschmacksprofil des jetzt fein prickelnden Weines. Der Prozess muss für einen Champagner ohne Jahrgangsbezeichnung mindestens 15 Monate dauern, für einen Jahrgangs-Champagner mindestens 36 Monate.
Rüttelung
Bei diesem aufwendigen Prozess, der französisch „Remuage“ heißt, werden die Flaschen anfangs waagrecht in sogenannte Rüttelpulte gehalten. Über einen Zeitraum von etwa drei Monaten werden die Flaschen täglich gerüttelt, leicht gedreht und in ihrem Winkel immer senkrechter gestellt, bis die Flaschen schließlich auf dem Kopf stehen. Dadurch sammelt sich der Hefesatz im Flaschenhals, direkt hinter dem Kronkorken. Die Rüttelung erfolgt heute größtenteils in automatisierten Rüttelpulten, für einige hochwertige Champagner geschieht dies aber auch noch per Hand.
Dégorgement und Liqueur d’expédition
Der provisorische Kronkorken wird schließlich entfernt, um die abgestorbenen Hefen und Sedimente zu entfernen. Bei diesem auf Deutsch als „Degorgieren“ bezeichneten Prozess wird der Flaschenhals zunächst vereist, um den Hefesatz dann im gefrorenen Zustand entfernen zu können. Dies erfolgt durch den hohen Druck in der Flasche stoßartig und sehr schnell. Der Vorgang wird heutzutage maschinell durchgeführt. Das sogenannte Sabrieren mit einem Champagnersäbel wird nur noch zu Show-Zwecken eingesetzt.
Die durch das Degorgieren fehlende Flüssigkeit in der Flasche wird durch eine Mischung aus Stillwein und Zucker (Versand-Dosage) ersetzt. Die Dosage bestimmt somit auch den gewünschten Süßegrad des Champagners.
Wie schmeckt Champagner?
Obwohl er in verschiedenen Süßegraden hergestellt wird, sind die meisten Champagner eher trocken und zeichnen sich durch einen hohen Säuregehalt aus. Aromatisch dominieren bei den weißen Champagnern häufig Zitrusfrüchte und grüne Fruchtnoten von Apfel und Birne.
Rosé Champagner zeigen feine Noten von roten Früchten – nicht selten von roten Johannisbeeren und Himbeeren. Je nach Länge der Hefesatzlagerung sind auch Eindrücke von Brioche und anderem Hefegebäck typisch. Im Vergleich zu den meisten anderen Schaumweinen besitzt Champagner oft auch ein besonders cremiges Mundgefühl und eine feine und elegante Mousse.
Wie bei allen Weinen ist auch beim Servieren eines Champagners die korrekte Trinktemperatur ein wichtiger Faktor, um die ganze Klasse des Schaumweines auszuspielen. 8–10 Grad Celsius gelten für hochwertige Champagner als Idealtemperatur. Ein Champagnerkübel mit Eis ist demnach die falsche Wahl. Für einen Ratgeber in dieser Sache lohnt unser Artikel Die ideale Weintemperatur.
Champagner-Stile und-Qualitäten
Champagner ist nicht gleich Champagner. Vor allem durch die Wahl der Rebsorten, des Süßegrads und der Dauer des Hefesatzlagers kommt es zu teils großen Unterschieden. Am häufigsten wird der sogenannte Brut Champagner hergestellt – eine trockene Assemblage ohne Jahrgang, die aus den drei gängigsten Rebsorten hergestellt wird: Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier.
Rosé-Champagner wiederum kann auf zwei Arten hergestellt werden: Mit Hilfe der Saignée-Methode, bei der die Farbe der roten Traubenschalen in den hellen Most „blutet“. Oder mit Hilfe des Assemblage-Verfahrens, bei dem eine kleine Menge stillen Rotweins mit dem weißen Grundwein gemischt wird.
Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Qualität der Rebflächen in der Champagne ähnlich klassifiziert wird, wie man es aus dem Burgund kennt: 17 Grand Cru Lagen markieren die qualitative Spitze und immerhin 44 Premier Cru Lagen folgen auf diese Top-Klassifizierung. Grand Cru und Premier Cru Champagner nehmen nur 30 Prozent der Gesamtrebfläche in der Region ein.
Was ist Blanc de Noirs und Blanc de Blancs?
Als „Blanc de Noirs“ wird ein weißer Champagner bezeichnet, der ausschließlich aus roten Trauben hergestellt wird – Pinot Noir und Pinot Meunier. Diese Methode erfordert so wenig Kontakt zwischen dem weißen Traubenmost und den roten Schalen wie nur irgend möglich. Ein rascher Pressvorgang der Trauben ist daher der wichtigste Faktor.
Blanc de Blancs Champagner hingegen sind weiße Schaumweine, die nur aus weißen Rebsorten entstehen dürfen. In der Regel handelt sich dabei um Champagner aus 100 Prozent Chardonnay.
Es ist wenig verwunderlich, dass sich Blanc de Noirs und Blanc de Blancs stilistisch sehr stark unterscheiden. Die aus roten Rebsorten gewonnenen Champagner fallen meist strukturierter aus und besitzen auch würzige Aromen.
Mit Jahrgang oder ohne Jahrgang?
Ein Jahrgangs- oder auch Vintage-Champagner ist ein Schaumwein, für den alle Trauben im selben Jahr geerntet werden müssen. Dieser Champagnertyp ist vergleichsweise selten und markiert die qualitative Spitze der Region – vor allem wenn er aus einer Premier- oder sogar Grand-Cru-Lage stammt.
Vintage Champagner wird nur in Jahren produziert, in denen die Trauben höchste Güte besitzen. Non-Vintage-Champagner, der auch als „NV“ bezeichnet wird, ist in der Regel eine Cuvée verschiedener Jahrgänge. Ein Vorteil von Champagner ohne Jahrgang besteht in der Tatsache, dass die Qualität immer auf einem gleichbleibenden Niveau ausgesteuert werden kann. Dies ermöglicht einem Winzer die Entwicklung eines konsistenten Stils, der das Champagnerhaus Jahr für Jahr repräsentiert.
Brut und Co: Süßegrade von Champagner
Obwohl der Herstellungsprozess von Champagner bereits kompliziert ist, gibt es zusätzlich noch unterschiedliche Süßegrade, die sich aus der Versand-Dosage („Liqueur d’expédition“) ergeben. Auf den Etiketten werden diese mit einer festgelegten Terminologie ausgewiesen.
Brut Nature, auch Zero Dosage
Es wird gar kein oder nur sehr wenig Zucker nach dem Degorgieren hinzugefügt (weniger als 3 Gramm Zucker pro Liter).
Extra Brut
Etwas mehr Süße, aber dennoch als vollständig trocken wahrgenommene Stilistik (weniger als 6 Gramm Zucker pro Liter).
Brut
Die meist verkaufte Champagnerstilistik. Durch den hohen Säuregehalt meist immer noch trocken („brut“) wahrgenommen (weniger als 12 Gramm Zucker pro Liter).
Extra Dry
Etwas süßer als Brut und auch deutlich als feinherb zu erkennen (zwischen 12 und 17 Gramm Zucker pro Liter).
Sec
Auffallend süße Stilistik (zwischen 17 und 32 Gramm Zucker pro Liter).
Demi-Sec
Noch süßer als Sec und damit ein klarer Dessert-Schaumwein (zwischen 32 und 50 Gramm Zucker pro Liter).
Doux
Die süßeste Stufe, die für einen Champagner Verwendung findet (mehr als 50 Gramm Zucker pro Liter).
Wie öffne ich Champagner?
Ungeachtet dessen, was die meisten Weinfreunde mit dem Öffnen von Schaumweinflaschen in Verbindung bringen, sollten Champagnerkorken weder beim Öffnen knallen noch durch den Raum fliegen. Zu groß ist das Risiko, dass kostbare Flüssigkeit und auch Kohlensäure verloren gehen. Um Champagner richtig zu öffnen, muss daher der Druck in der Flasche mit Vorsicht gehandhabt werden.
Die Folienabdeckung und der Drahtkäfig sollten zunächst vorsichtig entfernt werden. Dabei sollte der Korken festgehalten werden, da er unter Druck steht. Nun mit der anderen Hand die Flasche langsam drehen und gleichzeitig den Korken vorsichtig nach oben gleiten lassen. Dabei den Druck möglichst lautlos aus der Flasche lassen, bis man den Korken einfach entfernen kann.
Welches Essen passt zu Champagner?
Für sich alleine genossen sind hochwertige Champagner bereits ein Hochgenuss. Doch auch als Essensbegleiter passt Champagner hervorragend und gibt sich dabei äußerst vielseitig. Ob Weichkäse, Austern, knuspriges Brathähnchen, gefüllte Champignons oder geräucherter Lachs – Champagner wird diese Speisen gekonnt veredeln. Grund dafür ist seine vergleichsweise zurückhaltende Aromatik, seine gute Struktur und die erfrischende Säure.
Lediglich in Bezug auf den Süßegrad sollte man sicherstellen, dass die gereichte Speise nie süßer ausfällt als der gewählte Champagner.
Warum ist Champagner so teuer?
Das bereits geschilderte Herstellungsverfahren zeigt auf, wie aufwendig es ist einen Champagner zu produzieren. Wenn man zusätzlich weiß, dass in der Champagne nur eine Traubenlese per Hand erlaubt ist, wird dieser Eindruck noch verstärkt. Zudem kann sich das Anbaugebiet – geografisch betrachtet – nicht weiter ausbreiten und die existierenden Lagen weisen exorbitante Preise auf. Dadurch ist auch der Preis für den Grundwein pro Liter sehr viel höher als in anderen Weinregionen. Zudem ist das Klima in der Region unberechenbar und in Folge fallen die Erntemengen teils sehr niedrig aus.