Calatayud: Rotweine aus dem aufstrebenden Aragonien
Am 22. Dezember 2021 · von WeinfreundeDas gibt es in der Weinwelt nicht so oft: ein Anbaugebiet, dessen Namen aus dem Arabischen stammt. Im Nordosten Spaniens, nahe der Stadt Zaragoza, wird man jedoch fündig. Dort liegt die Denominación de Origen Protegida (DOP) Calatayud. Eines der kleineren Anbaugebiete Aragoniens, aber eines mit einer Weinbautradition, die bis in die vorchristliche Zeit zurückreicht. Bereits die Iberer legten Steinbecken an, in denen sie die Trauben mit den Füßen pressten, vergleichbar den Lagares, die man aus der Weinregion am Douro kennt.
Calatayud – Weintradition von über 2000 Jahren
Die Römer brachten dann den neuesten Wissensstand in Sachen Weinbau in die Region mit den vielen kleinen Ebro-Zuflüssen. Über die Vorzüge der Weine dieser Herkunft berichtet sicherlich nicht ganz zufällig auch der Dichter Marcus Valerius Martial (40 – 103). Der hauptsächlich für seine Epigramme bekannte Poet stammt nämlich gebürtig aus Bilbilis, einer römischen Siedlung vor den Toren der heutigen Stadt Calatayud.
Mit der Eroberung Spaniens durch die Araber geht eine glaubensbedingte Vernachlässigung der Weinkultur einher. Jedoch gründet zu dieser Zeit ein Statthalter namens Ayyub eine Burg, arabisch Qal’at. Aus der Ortsbezeichnung Qal’at’Ayyub entwickelt sich dann im Laufe der Jahrhunderte der Name für die Stadt und das ganze Weinbaugebiet: Calatayud. Mit dem Wein geht es im Mittelalter wieder aufwärts. Wie in vielen Regionen Europas sind es Mönche, die weinbautechnisches und önologisches Wissen in die nordostspanische Provinz bringen.
Vom Phylloxera-Profiteur zur Aufsteigerregion
Als Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus-Katastrophe die Weinregionen Frankreichs – allen voran das große Bordeaux – in die Knie zwingt, erfährt die Region einen unerwarteten Aufschwung und steigert die Weinproduktion beträchtlich. Das ökonomische Glück währt jedoch nicht lange und die Region Calatayud verfällt in eine Art Dornröschen-Schlaf, der fast hundert Jahre dauern soll. Erst in den 1980er-Jahren regt sich etwas. Einige Winzer treten an, um mit eigenen Flaschenweinen die große Qualität der Region unter Beweis zu stellen. Sie wollen mehr sein, als Fasswein-Lieferanten und berufen sich auf die lange Tradition und die Güte der Böden.
Die Überzeugungsarbeit trägt Früchte und 1990 erhält die Region den offiziellen Status einer geschützten Herkunftsbezeichnung, auf Spanisch Denominación de Origen Protegida. Inzwischen gilt die DOP Calatayud als neue Aufsteigerregion Spaniens, die mit außergewöhnlichen Rotweinen aus Garnacha von sich reden macht.
Garnacha: König der DOP Calatayud
Calatayud ist Rotweinland. Über 90 % der Rebflächen sind mit roten Rebsorten bestückt. Dazu zählen typische spanische Reben wie Tempranillo, Mazuelo, Bobal oder Monastrell, aber auch internationale Trauben wie Syrah, Merlot und Cabernet Sauvignon. Doch der wahre König in Calatayud ist der Garnacha. Nahezu drei Viertel der Weinberge nimmt die in Frankreich als Grenache bekannte Rebsorte ein. Ferner sind viele der Garnacha-Reben besonders alt – 50 Jahre und mehr – was sehr konzentrierte und vielschichtige Weine zur Folge hat. Garnacha ist zudem auch die Traube erster Wahl, wenn Roséwein erzeugt wird. Der Garnacha oder Grenache findet in den Höhenregionen von Calatayud mit ihrem heißen Klima optimale Bedingungen für seine Reife. So können hier – im Gegensatz zu Frankreich – viel einfacher reinsortige Weine erzeugt werden. Garnacha wird aber auch gemeinsam mit Tempranillo und Mazuelo als Cuvée ausgebaut.
Bei den weißen Rebsorten sind vor allem Viura, Garnacha Blanca und Malvasia sowie die internationalen Sorten Chardonnay und Sauvignon Blanc zu nennen. Weißweine aus der DOP Calatayud sind in Deutschland nur schwer zu finden. Sollte man das Glück haben, wird man von dem feinen mineralischen Unterton begeistert sein.
Kontinentales Klima & vielfältige Böden
Die Sommer in Calatayud sind heiß und die Winter auffällig kalt. Da die Ebrozuflüsse relativ klein sind, fällt ihr moderierender Effekt gering aus. Einzig der Jalon bildet eine Ausnahme, was wiederum erklärt, warum sich an seinen Ufern besonders gute Weinlagen befinden. Je nach Bereich des Anbaugebiets variieren die Böden beträchtlich. So finden sich in den tieferen Lagen Kieselböden und Lehmböden mit hohen Eisenanteilen, in den höheren Lagen bestimmen roter und grauer Schiefer sowie Mergelböden das Bild. Daher durchzieht oft ein feiner mineralischer Ton die Weine aus Calatayud. Ein sensorisches Merkmal, das bei alten Reben und Schieferböden noch deutlicher ausfällt.
Bemerkenswert sind auch die Höhenlagen, in denen die Weingärten angelegt sind. Unter 550 Meter über Meeresspiegel geht gar nichts in Calatayud. In einigen Bereichen klettern die Rebflächen bis auf knapp 1000 Meter. In der Höhe fallen die Nächte deutlich kühler aus, was den Reben und Trauben nach heißen Tagen Erholung verschafft.
Vorzeige-Wein der Region: Garnacha
Von ihrer besten Seite zeigt sich die DOP Calatayud, wenn ein Garnacha von alten Reben ins Glas kommt. Dafür gibt es mit dem Calatayud Superior sogar eine eigene Qualitätsstufe. Dafür müssen die Reben allerdings mindestens 50 Jahre zählen. Leider sind solche Weine schwer zu finden, aber 30 Jahre alte Reben sind auch eine Empfehlung. Die Weine zeigen ein dichtes, tiefes Purpurrot. Dunkle Beerenfrüchte, schwarze Kirsche und ein Touch Heidelbeere finden sich zumeist darin. Würzige Noten gesellen sich gern dazu – Muskat, Pfeffer, aber auch Minztöne. Stattlich im Mund, mit sattem Fruchtspiel, gezähmtem Tannin und Eindrücken der Holzreife im kleinen Fass. Ein Garnacha aus Calatayud ist kein Leichtgewicht.