Bei Winzern nachgefragt: Wie war der Jahrgang 2020?

Am 17. November 2020 · von Sven Reinbold

Ungeduldig auf den neuen Jahrgang wartend, haben wir bei einigen unserer Winzerfreunde nachgefragt, wie die Lese gelaufen ist und was sie schon über die neuen Weine sagen können. Die Antworten aus der Pfalz, dem Languedoc und der Rioja.

In diesen Wochen verlassen die ersten Weißweine des neuen Jahrgangs die Keller und machen sich endlich auf den Weg zur bereits gespannt wartenden Weingemeinde. Diese Weine sind die ersten Botschafter des Jahrgangs 2020. Da der exakte Erntezeitpunkt maßgeblich zur Qualität der Trauben und damit des Weines beiträgt, muss bei idealer Reife schnell und entschieden gehandelt werden. Dafür braucht es jedoch jede Menge Helfer, um stets zum besten Termin im Weinberg parat zu stehen. Angesichts der Kurzfristigkeiten ein echtes logistisches Kunststück.

Die Lese in den deutschen Weinbaugebieten

Doch das kann einen Winzer nicht erschrecken. Hört man sich ein wenig unter den Weingütern um, die in unserem Shop vertreten sind, kommen aus den deutschen Anbaugebieten eher positive Nachrichten. Zwar fiel die Erntemenge insgesamt unterdurchschnittlich aus. Doch die Qualität der Trauben macht vieles wieder wett. Von gesunden, sehr aromatischen Trauben, ist immer wieder zu hören.

Besonders wichtig für die Reben waren die reichlichen Niederschläge im Januar und Februar. Dadurch waren sie auf den trockenen, sonnigen Sommer gut vorbereitet. Wie bereits in den Vorjahren fand der Austrieb der Reben und die Blüte recht früh statt. In warmen Lagen blühten die Reben mitunter schon Ende Mai. Frühe Blüte heißt auch frühe Lese. Grob rechnet man mit rund 100 Tagen, die zwischen dem Blühen der Reben und dem Ernten der Trauben liegen. Doch in einzelnen Weinregionen – wie Franken und Saale-Unstrut – sorgte später Frost im Mai für empfindliche Schäden. Ein Grund für den geringeren Ertrag in diesem Jahr.

Michael Schroth aus der Pfalz und das Jahr 2020

In der Pfalz blieb es dagegen frostfrei und im gesamten Anbaugebiet ernteten die Winzer sogar sechs Prozent mehr Trauben. Für den Verband deutscher Prädikatsweingüter (VDP) erwartet Hansjörg Rebholz vom gleichnamigen Weingut Weine „mit einer ganz klaren, sehr ausgeprägten Sorten- und Lagencharakteristik sowie angenehmer Säure“. Auch unser Winzerfreund Michael Schroth aus Asselheim will nicht klagen.

Michael Schroth

Winzer Michael Schroth in den Weinbergen

Michael Schroth: „Ja, wir sind sehr zufrieden. Wir haben im Juli in vielen Anlagen eine grüne Vorlese gemacht, um den Hektar-Ertrag zu minimieren und die Kompaktheit der Traube zu entlasten. Dies mindert den Ertrag, aber steigert die Qualität der Trauben und auch des Weines. Im Ortsweinbereich, also die Weine die wir auch an Weinfreunde liefern, hatten wir einen Hektar-Ertrag von 60–75 Hektoliter pro Hektar. Diese im Kalk gewachsenen Weine weisen dieses Jahr viel Frucht und Rückhalt im Geschmack auf.“

Jahrgang 2020: gute Rotweine, gute Weißweine in Sicht

Ob das Jahr nun mehr den roten oder den weißen Rebsorten entgegenkommt, möchte Michael Schroth nicht entscheiden. Das ist ihm zu verallgemeinernd, doch eine knappe Einschätzung bekommen wir dennoch zu hören.

Michael Schroth: „Die weißen Rebsorten haben sehr von der guten Kombination aus viel Sonne und Niederschlag profitiert, was für eine optimale Reifung der Trauben sorgte. Seit einigen Jahren setzen wir unsere weißen Sorten, speziell den Riesling, auch in kühlere Lagen, um die Reifung der Trauben etwas langsamer zu erreichen, so dass die Aromen besser ausgeprägt werden.

Die Roten waren sehr reif, was für die spätere, traditionelle Maischegärung hier bei uns im Weingut optimale Voraussetzungen schafft. Die Trauben wurden im Juni frei von den Blättern gestellt, um die Beerenhaut zu stärken und eine optimale Reife zu unterstützen.“

Schroth schickt als erstes seinen Sauvignon Blanc „Handgriff“ auf die Reise zu Weinfreunde. Und er weiß schon jetzt, worauf wir uns freuen dürfen.

Michael Schroth: „Auf einen frischen grünen, von Paprika und Stachelbeere geprägten Sauvignon Blanc.“

Handgriff Sauvignon Blanc 2023
Weinempfehlung
2020er Jahrgang – Sauvignon Blanc
Handgriff Sauvignon Blanc 2023
Schroth
WeißweinSauvignon BlancPfalz

Languedoc: heißer Tipp

Seit Jahren arbeitet Weinfreunde mit den Producteurs Réunis, allen voran mit Weinmacher Frédéric Garrabou zusammen. Er berichtet von einem – wieder mal – heißen Jahr im Süden Frankreichs.

Frédéric Garrabou

Frédéric Garrabou über die frühe Ernte in 2020

Frédéric Garrabou: „Der Jahrgang 2020 gehört mit dem 2017er zu den frühesten der vergangenen zehn Jahre. Im Languedoc wurden bereits Anfang August die ersten Trauben gelesen. Generell haben die guten, trockenen Wetterverhältnisse im August und September es möglich gemacht, die Trauben immer zum bestmöglichen Zeitpunkt zu ernten.“

Ob die verstärkt frühen Lesezeitpunkte auf dem Klimawandel hinwiesen, wollen wir wissen. Denn wenn dies eine Tendenz ist, die sich fortschreibt, sind Rezepte gefragt, mit denen die Winzer den extremeren Verhältnissen trotzen. Wie sieht es damit aus im Languedoc?

Klimawandel im Weinberg

Frédéric Garrabou: „Tatsächlich bestätigt sich dieser Trend über die vergangenen Jahre. Wir sehen also schon jetzt den Einfluss des Klimawandels auf die Reben. Die Winzer und Weinmacher müssen sich darauf einstellen. Wir schauen immer genauer auf den optimalen Lesezeitpunkt. Daneben versuchen wir besser mit extremen Wetterverhältnissen umzugehen. Das reicht von anderen Rebsorten bis zu künstlicher Bewässerung oder auch das Pflanzen von Bäumen in den Weinbergen selbst.“

Das Jahr 2020 brachte reichlich Niederschläge im Frühjahr, so dass der Boden genügend Feuchtigkeit speichern konnte. Die Trockenheit kam dann im Juni und hielt bis Ende August an. Im August sorgten Unwetter für Nachschub an Wasser. Dadurch gewannen die Trauben Zeit für die optimale Reife. Darüber hinaus sorgte auch während der heißen Tage das nahe Mittelmeer für Abkühlung in den Nächten.

Frédéric Garrabou: „Dieses Zusammenspiel des Wetters hat für sehr aromatische und ausgewogene Trauben gesorgt. Bei den Weißweinen heißt das mehr Eleganz, dank der frischen Säure. Besonders harmonisch zeigen sich dieses Jahr die Rotweine. Sehr fruchtbetont und geradezu animierend.“

Burgund & Bordeaux: Frühe Lese

Auch im ansonsten eher gemäßigten Burgund gab es eine historisch frühe Lese in diesem Jahr. Um so mehr sei man mit der Qualität des Traubenmaterials zufrieden, heißt es aus der Top-Region Burgund. Auch im Bordeaux sorgte ein trockener, heißer Juli dafür, dass bereits im August mit der Lese der Trauben für die Crémants und Weißweine begonnen wurde. In Sachen Qualität zeigt man sich aber auch im Bordelais zufrieden.

Überraschenderweise gab es aber auch Probleme mit zu viel Wasser – nämlich bei den Winzern im Norden Spaniens. Ausdauernde späte Regenfälle erhöhten die Anfälligkeit der Reben für Pilze und Krankheiten. Rechtzeitig setzte wieder trockenes Wetter ein, was die Schäden geringhielt und für die richtige Reife der Trauben sorgte.

Bodegas Solagüen: Daumen hoch in der Rioja

Erkundigt haben wir uns aus erster Hand bei Javier Cereceda Díez, dem Weinmacher von Bodegas Solagüen in der Rioja Alavesa. Von ihm gibt es ein „Daumen hoch“ für die abgeschlossene Weinlese.

Bodegas Solagüen Weinreben

Die Weinreben der Bodegas Solagüen in der Rioja

Javier Cereceda Díez: „Wir sind mit der Erntemenge, vor allem aber mit der Qualität der Trauben sehr zufrieden. Die kühlen Nächte in den zwei Wochen vor der Lese, haben für eine perfekte aromatische Reife gesorgt. Die ersten Proben zeigen, dass der Jahrgang über Weine mit wunderbar intensiver Aromatik, aber auch genügend Körper und schön seidige Tannine verfügt. So wünscht man sich das als Weinmacher.“

Klimawandel am Ebro: höher hinaus

Wir dürfen uns also auf den neuen Jahrgang der Bodega freuen. Doch auch 2020 war ein Jahr, in dem der Klimawandel seinen unübersehbaren Einfluss hatte. In der Rioja hat man dies genau im Blick, wobei die Veränderungen je nach Bereich der Rioja durchaus unterschiedlich ausfallen.

Javier Cereceda Díez: „Der Klimawandel ist Realität und lässt sich nicht ignorieren. In der Rioja lassen sich in den vergangenen Jahren klare Veränderung beobachten. In unserem Fall spielt uns der Umstand, dass wir die am höchsten gelegene Zone der Rioja mit den spätesten Lesezeitpunkten sind, allerdings in die Karten. Wir haben wegen der Höhe und dem atlantischen Einfluss nichts von der Säure und der Frische in den Trauben verloren, die unser Terroir so auszeichnen. Im Gegenteil, früher war es manchmal schwierig, den perfekten Reifepunkt in unseren höchsten Reblagen zu erreichen. Dieses Problem haben wir nun nicht mehr.“

Jahrgang 2020: Weißweine zuerst

Rioja-Liebhaber kommen also auch mit dem neuen Jahrgang auf ihre genießerischen Kosten. Selbst wenn es noch etwas dauert, bis ein 2020er Reserva bei Weinfreunde ankommt – soviel Zeit für die Reife muss sein. Da sind die Weißweine schon schneller.

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