Weinjahr 2022: Einschätzungen und Wetterkapriolen
Am 30. Dezember 2022 · von Sven ReinboldKein einfaches Weinjahr, dieses 2022, für Weingüter und Winzer. Extreme Wetterverhältnisse hinterlassen Spuren, doch oft gibt es auch ein glückliches Ende. Sven hat sich schlau gemacht und bei Winzern umgehört.
Für Winzer und Weinbauern ist 2022 ein Jahr voller Herausforderungen. Wetterkapriolen und lange Trockenphasen lassen nach dem halbwegs normalen Vorjahr dieses Mal wieder Auswirkungen des Klimawandels erkennen. Die extremen Wetterlagen häufen sich und sorgen für Schäden in den Weinbergen. Ein Phänomen, das sich in ganz Europa beobachten lässt.
Hagelschäden und Hitzeperioden: Weinjahr in Frankreich
Besonders hart getroffen hat es die Winzer im Bordeaux: Zwei Hagelstürme im Frühsommer zerstören rund 14.000 Hektar der Rebflächen in der französischen Vorzeige-Appellation. Zuvor sorgen im April bereits Nachtfröste für Schäden. Hinzu kommt, wie nahezu durchgängig in Europa, eine außergewöhnlich lange Phase mit hohen Temperaturen und keinerlei Niederschlägen. So haben alle Weinregionen in Frankreich mit Problemen zu kämpfen. Noch so ein Merkmal des Jahrgangs 2022 in Frankreich ist, dass erneut Rekorde beim Beginn der Lese gebrochen wurden. Bereits im Juli beginnt die Ernte im Languedoc. Auch im Médoc ist es bereits Mitte August soweit und von der Rhône heißt es, die Lese eröffne noch einmal 10 Tage früher als üblich. Die Erntemenge übersteigt dennoch die des Ertrags vom Vorjahr. Zudem zeigen sich Winzer und Weingüter von der Qualität der Trauben überzeugt.
Überdurchschnittlich, trotz Rekordtemperaturen: Weinjahr in Italien
Auch im Weinland Italien haben Superlative Konjunktur. Von Jahrhundertdürre und Rekordhitze ist zu lesen, andererseits aber auch von verheerenden Hagelstürmen wie Anfang Juli in der Lombardei. Von Januar bis Juli fallen um 46 Prozent weniger Niederschläge als im Mittel der vergangenen 30 Jahre. Umso größer ist die Überraschung, als die Erntemenge dennoch etwas höher ausfällt als im Vorjahr. Insbesondere die Toskana und Sardinien berichten über gute Ernteverläufe. Wie in Frankreich melden die Weinregionen nahezu durch die Bank einen frühen Start in die Lese. Hervorgehoben wird auch das gesunde Traubenmaterial, das durch vereinzelte Niederschläge im August gegen Ende noch einmal an Volumen gewinnen kann.
Frühe Lese nach trockenem, heißem Sommer: Weinjahr in Spanien
Die hohen Temperaturen im Sommer bereiten den Reben Probleme, es fällt noch weniger Niederschlag als in den Vorjahren. Dort, wo Regen vom Himmel fällt, ist es dann schon wieder zu viel, wie im August in den östlichen Weinregionen des Landes, vor allem in Katalonien geschehen. Mehrere Regionen wie Ribera del Duero oder auch Mallorca melden besonders frühe Lesetermine. Einige Regionen verzeichnen sogar größere Erntemengen als im Vorjahr, die Qualität der Trauben wird durchgehend als gut und gesund bezeichnet.
Anspruchsvoll, aber mit glücklichem Ende: Weinlese in Deutschland
Ein langer, heißer Sommer mit viel Trockenheit: Auch in Deutschland ist dies das herausragende Merkmal des Jahrgangs 2022. Dadurch hat es zunächst deutlich weniger Probleme mit Pilzkrankheiten gegeben und die Winzerinnen und Winzer, die rechtzeitig Trauben abgenommen haben, um die Reben bei der Hitze zu entlasten, freuen sich über gesundes, sehr fruchtaromatisches Traubenmaterial. Die Niederschläge zum Ende der Saison haben den Trauben geholfen, auszureifen und etwas Volumen zu gewinnen, andererseits lässt die Feuchtigkeit den Pilzdruck steigern. Insbesondere für spät reifende Rebsorten wie den Riesling eine Gefahr.
Selbstverständlich fallen die Einschätzungen zum Weinjahr und zu Menge und Qualität der Trauben je nach Anbaugebiet unterschiedlich aus. Einige Beobachtungen lassen sich jedoch verallgemeinern. So leiden speziell die jungen Rebgärten außerordentlich unter dem Sommer, währen alte Rebbestände die Stressphase gut überstehen. Kühlere Lagen, die über ausreichend Wasserreserven verfügen, sind 2022 klar im Vorteil und lassen mit perfekt gereiften Trauben sehr hoffen. Durchgehend auch, dass die guten Lagen in diesem heißen Jahr besonders früh gelesen werden. Explizit nennt der VDP in diesem Zusammenhang seine Ersten und Großen Lagen. Noch eine Lehre hat das Jahr bestätigt. Rebflächen mit Begrünung und teilweiser Beschattung reagieren weniger empfindlich auf die Hitze.
Weinlese 2022: Streifzug durch einige Anbaugebiete
Besonders zufriedene Winzergesichter finden sich in Baden, in der Pfalz, aber glücklicherweise auch an der Ahr. Dort sorgt ausreichend Niederschlag im Frühjahr dafür, dass die Wasserreserven in den Weinbergen gefüllt sind. Ein entscheidender Vorteil während der Trockenzeit im Sommer. Frische und sehr fruchtaromatische Weine stehen in Aussicht.
Auch in der Pfalz spricht man trotz der hohen Temperaturen von Weinen „die nicht von Überreife geprägt sind, mit Säurewerten im Idealbereich für den Ausbau trockener Weine“, wie der 1. Vorsitzende von Pfalzwein, Boris Kranz, verkündet. Besonders verheißungsvoll sei der Jahrgang für die Rotweine der Pfalz. Auch im Anbaugebiet Baden herrscht gute Stimmung. Zwar beginnt das Jahr anspruchsvoll mit einer frühen Trockenphase, auch der heiße Sommer ist eine Herausforderung. Aber späte Niederschläge geben den Reben den entscheidenden Schub. Passend zur durchgehend früher angesetzten Lese.
Turbo-Weinjahr für Thomas Düringer in Baden
Direkt am Kaiserstuhl ist unser Winzerfreund Thomas Düringer zuhause. Für diesen Beitrag hat er uns noch einmal genauer Auskunft über das Weinjahr und die Lese gegeben.
Weinfreunde: Thomas, für welche Rebsorten war 2022 ein gutes Jahr?
Thomas Düringer: Es ist eindeutig ein Jahr für die Burgunderrebsorten gewesen. Das gilt für unsere Grau- und Weißburgunder, aber noch ein Stückchen mehr für den Spätburgunder. Da habe ich ganz gesunde, toll gereifte Trauben gelesen. Ihr könnt euch also schon freuen.
Weinfreunde: Es war ein sehr heißes, trockenes Jahr. Wie sehr hat das deinen Zeitplan durcheinander geworfen?
Thomas Düringer: Eine Art Turbo-Jahr, das stimmt schon, alles bis zur Lese hin war deutlich früher. Das haben wir vor allen in unserer Top-Lagen Ihringer Winklerberg gemerkt. Der späte Regen hat den Reben noch einmal einen richtigen Schub gegeben. Dort haben wir dieses Jahr einige Tage früher als üblich geerntet.
Weinfreunde: Was fehlt dir noch zum 2022er-Glück?
Thomas Düringer: Offen gestanden, dass es über den Winter hinweg Niederschlag gibt, um die Wasserreserven im Boden aufzufüllen, und dass es kälter wird, damit die Reben ihre Ruhe bekommen. Um die Arbeit im Keller kümmere ich mich schon.
Steffen Meinhard über extreme Wetterlagen an der Nahe
Die Gegensätze könnten kaum größer ausfallen: Im Mai regnet es wie aus Kübeln und dann folgt eine extreme Dürre. Für unseren Winzerfreund Steffen Meinhard von der Nahe ist es ein Jahr voller Herausforderungen. Und doch ist er nicht unzufrieden mit den Trauben, die er in den Keller bekommen hat.
Weinfreunde: Steffen, wann hattest du 2022 das erste Mal Sorgenfalten auf der Stirn?
Steffen Meinhard: Als wir diese langen, intensiven Regen hatten, war das. Wir freuen uns ja über Niederschlag im Frühjahr, aber das war einfach zu viel. Das hatten wir gerade hinter uns, da begann auch schon die große Trockenheit.
Weinfreunde: Wie lange halten denn eure Reben solch eine Hitze und Trockenheit aus?
Steffen Meinhard: Wir mussten viel im Weinberg machen, damit das klappt. Trauben wegnehmen heißt das leider, aber der Wasserhaushalt der Reben gab nicht mehr her. Es fiel ja drei Monate lang kein Tropfen vom Himmel. Traurig, aber letztlich hat sich das ausgezahlt. Ich will mich also nicht beklagen.
Weinfreunde: Wir haben auch mit Thomas Düringer aus Baden gesprochen. Er meint, 2022 sei ein gutes Jahr für die Burgunderrebsorten. An der Nahe auch?
Steffen Meinhard: Unbedingt, wir sehen das an unseren Grau- und Weißburgundern. Das werden Weine, auf die man sich jetzt schon freuen kann.
Jahrgang 2022: Ein wenig Geduld noch
Bis wir die ersten Weißweine des Jahrgangs 2022 im Glas haben, wird es nicht mehr lange dauern. Traditionell kommen die neuen Weine schon im Frühjahr auf die Flasche und laden zu einem ersten Kennenlernen ein. Ganz verlässlich erfährt man vom Eintreffen des neuen Jahrgangs übrigens im Weinfreunde-Newsletter. Wer also seine Geduld nicht zu sehr beanspruchen will, kann sich hier für den Newsletter registrieren.