„Primitivo ist wichtiger Teil der Kultur Apuliens“
Am 31. Oktober 2019 · von Stefan BehrDie Weine von Miluna aus Apulien zählen bei Weinfreunde zu den beliebtesten im Shop. Im Interview mit dem Önologen von Miluna geht Weinfreund Stefan dieser großen Primitivo-Liebe auf den Grund.
Signore Ragusa, Sie haben in Florenz studiert, in der Toskana und Neuseeland gearbeitet. Sesshaft sind Sie aber in Apulien geworden. Was macht diese Region für einen Önologen so besonders?
Davide Ragusa: Neben dem Studium und der Arbeit in anderen italienischen Weinregionen sowie in Übersee fand meine professionelle Ausbildung auch in Apulien statt. Seit 2005 arbeite ich in der Region – zunächst durch gelegentliche Engagements und seit 2013 dauerhaft. Dadurch kann ich behaupten, auch beruflich in Apulien aufgewachsen zu sein. Ich bin sehr froh, dass ich meine Karriere hier fortsetzen kann, denn mir liegt sehr viel daran, die Region bei ihrem Wachstum und beim Aufbau eines positiven Rufs zu unterstützen. Und ich muss zugeben, dass ich auch das apulische Klima, das Essen und die ganze Atmosphäre hier sehr genieße. Es ist definitiv kein schlechter Ort um gut zu leben.
Deutsche Weinfreunde denken bei Apulien sofort an Primitivo. Was ist Ihre Erklärung für den enormen Erfolg von Primitivo aus Apulien? Was macht die Weine so gut und warum kommen sie so gut an?
Davide Ragusa: Ich denke der große Erfolg von Primitivo in Deutschland verdankt sich vor allem den sanften Tanninen der Weine – noch mehr, wenn man die Weine als Essensbegleiter versteht. Die durch Fleisch geprägte, deutsche Küche kann sehr reichhaltig und herzhaft sein. Die feinen Tannine eines Primitivo lassen solche Speisen deutlich harmonischer und vornehmer wirken.
Große Primitivo Vielfalt dank unterschiedlicher Böden
Apulien ist eine große Region. Woher stammen aus Ihrer Sicht die besten Primitivo? Und was sind die Hauptunterschiede der apulischen Weingebiete?
Davide Ragusa: Primitivo wächst vor allem im zentral-südlichen Teil Apuliens und zeigt auf Grund verschiedener Anbaumethoden ganz unterschiedliche Charakteristika. Am ausdrucksvollsten ist meiner Meinung nach der Wein aus dem Anbaugebiet Primitivo di Manduria DOP. Die Qualität der Trauben ist der Ausdruck von biochemischen Prozessen, die durch das unterschiedliche Terroir beeinflusst werden und eine ganze Reihe von Stilistiken entstehen lassen. Manduria ist in dieser Hinsicht sehr besonders: Der Boden dort hat eine sehr fruchtbare, rote Deckschicht, die ihre Farbe durch das natürlich vorkommende Eisenoxid erhält. Diese Schicht ist weniger als einen Meter dick und liegt auf einem Unterboden, der durch eine Mischung aus Kalkstein und Lehm gekennzeichnet ist. Nahe der Küste enthält dieser Boden zudem Sand.
Die Primitivo-Reben wurzeln sehr tief in das Erdreich hinab, um sich mit Feuchtigkeit zu versorgen. Das sind perfekte Voraussetzungen für alte Primitivo Buschreben – Alberellos genannt. Durch ihren freien Stand und die geringe Entfernung zum Boden können sie perfefekt „sonnenbaden“ und profitieren sowohl von der Hitze der Sonne als auch der Wärme im Boden. Die Reberziehung ist ein weiterer Qualitätsfaktor. Die vergangene Generation der Weinbauern hat ihr Wissen über die beste Pflege und Bewirtschaftung dieser alten Rebflächen weitergegeben. So wissen wir, worauf es ankommt. Und dann geht es natürlich um die Pflanze an sich: Sie spricht auf extremes Klima sehr gut an – egal ob Dürre, Frost, starke Südwinde, hohe Temperaturen oder hohe Schwankungen zwischen der Tages- und Nachttemperatur. Diese innere Stärke überträgt sich auf die Weine.
Negroamaro und Primitivo im Vergleich
Unserer Meinung nach sollte man bei Apulien nicht nur an Primitivo denken. Vor allem Negroamaro finder immer mehr Liebhaber. Was sind die Hauptunterschiede zwischen Primitivo und Negroamaro? Was zeichnet diese Rebsorte aus?
Davide Ragusa: Es sind aus meiner Sicht völlig unterschiedliche Rebsorten. Bereits das Aussehen ist grundlegend anders. Negroamaro hat eine deutlich dickere und dunklere Schale. Dadurch sind auch die Weine dunkler als ein Primitivo. Negroamaro ist dunkel-violett und praktisch undurchsichtig. Primitivo hingegen zeigt sich eher rubinrot und purpurfarben. Das Bouquet eines Primitivo ist sehr „explosiv“ und duftet intensiv fruchtig. Beim Negroamaro überlagern würzige, geröstete Aromen meistens den Fruchteindruck. Durch die dünneren, empfindlichen Schalen muss man einen Primitivo während der Mazeration sehr gut im Augen behalten. Ein Negroamaro ist da deutlich widerstandsfähiger und unkomplizierter. Negroamaro hat aber auch deutlich strengere Tannine als Primitivo, so dass er vor allem beim Ausbau im Holz ganz anders behandelt werden muss. Man muss Fässer auswählen, die in der Lage sind, diese ausgeprägten Tannine deutlich weicher werden zu lassen.
Wir kennen bereits Ihren Miluna Negroamaro Salento. Der Miluna Primitivo di Manduria Riserva ist nun die aktuellste Ergänzung Ihres Portfolios. Sie sind der verantwortliche Winemaker dieses Weins. Warum sollten unsere Kunden unbedingt auch den Riserva probieren?
Davide Ragusa: Der Wein ist der bestmögliche Ausdruck der Rebsorte Primitivo und ihrer typischen Eigenschaften. Zudem macht er deutlich, wie gut strukturiert und langlebig ein Wein dieser Rebsorte sein kann.
Welcher der Miluna Weine ist der perfekte Essensbegleiter und welchen kann man ideal auch “solo” genießen?
Davide Ragusa: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein junger Primitivo – direkt nach der Abfüllung und ein paar Jahre danach – ganz unkompliziert zum Essen zu genießen ist. Ein etwas gereifterer Primitivo Riserva hingegen ist ein perfekter “Meditations-Wein”, der sich auch nach dem Abendessen sehr gut macht.
Den größten Respekt vor der Traube
Wenn wir über diese Weine sprechen: Was ist Ihre persönliche Handschrift, die in den Weinen zum Ausdruck kommen?
Davide Ragusa: Meine persönliche Philosophie drückt sich am meisten in meinem Respekt „vor der Frucht“ aus – der Traube, dem Rohmaterial des Weins. In unserer Region sind wir mit einer exzellenten und wohlschmeckenden Frucht gesegnet. Unser tagtägliches Ziel ist es, diese Grundlage zu erhalten. Wir versuchen daher, sehr respektvoll mit den Reben und Trauben umzugehen, um die wunderbare Aromatik zu bewahren. Bei der Herstellung gilt dies sowohl für die alkoholische als auch die malolaktische Gärung.
Zu guter Letzt: Welche zentrale Botschaft möchten Sie deutschen Weinfreunden mitgeben, wenn es um Weine aus Apulien geht?
Davide Ragusa: Zunächst möchte ich mich für die Möglichkeit zu diesem Interview bedanken! Ich wünsche mir, dass unsere deutschen Freunde und Weinliebhaber den Primitivo als eine Möglichkeit verstehen, unsere Weingegend kennenzulernen. Mit ihm erschließt sich die Kultur der ganzen Region, da Primitivo in der Geschichte Apuliens schon immer einen hohen Stellenwert hatte. Diese besonderen Möglichkeiten auch in Zukunft zu nutzen, um mehre Weinliebhaber für Apulien zu begeistern, ist mir dabei eine Herzensangelegenheit.