Tannine im Rotwein

Am 10. Dezember 2018 · von Jürgen Overheid

Neben Frucht, Alkohol und Säure sind Tannine ein zentrales Merkmal von Wein, insbesondere von Rotwein. Doch was sind Tannine eigentlich, und wie sorgen sie dafür, dass sich die Zunge, der Gaumen ganz rau und pelzig anfühlen? Wir haben unseren Weinfreund Jürgen Overheid um Aufklärung gebeten.

„Der Wein ist mir zu trocken“. Diese Aussage begegnet mir immer wieder beim gemeinsamen Probieren von Rotwein. Früher dachte ich mir, dass manche Weinfreunde diese Aussage treffen, da sie halbtrockene, leicht restsüße Rotweine bevorzugen. Mittlerweile ist mir klar, dass in den meisten Fällen nicht etwa der fehlende Zucker beklagt wird, sondern vielmehr die spürbaren Tannine bei dem ein oder anderen Weintrinker für Missfallen sorgen.

Tannine

Tannine sind Gerbstoffe, die sich praktisch in allen Pflanzen finden. Vorallem die in Fruchtschalen, Kernen und Stängeln enthaltenen Tannine haben einen Einfluss auf den fertigen Wein.

Was sind eigentlich Tannine?

Und in der Tat: Tannine lassen am Gaumen den Eindruck entstehen, ein Wein sei trocken. Denn diese pflanzlichen Gerbstoffe verursachen einen rauen, ja manchmal sogar pelzigen und bitteren Eindruck im Mundraum. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Adstringenz“. Je höher der Tanningehalt desto stärker dieser Eindruck. Gerbstoffe finden sich in praktisch allen Pflanzen. Sie sind in Rinde, Holz und Blättern zu finden. Aber vor allem die in Fruchtschalen, Kernen und Stängeln enthaltenen Tannine haben Einfluss auf den fertigen Wein.

Dazu muss man wissen, dass unsere Mundschleimhaut Proteine enthält, die für Gleitfähigkeit in unserem Mund sorgen. Die sogenannten Mucine helfen bei trivial anmutenden Dingen wie dem physikalischen Transport von Speisen vom Mund in Richtung Speiseröhre. Mucine sind also dafür verantwortlich, dass unsere Schleimhaut nicht austrocknet und dadurch der Mundraum stets ausreichend „geschmiert“ ist. Sobald ein tanninreicher Wein in den Mund trifft, zerstören die Gerbstoffe diese „Schmierschicht“, da die Mucine ausflocken. Sofort fühlt sich die Zunge weniger gleitfähig, ja regelrecht rau an. Im Übrigen ein Phänomen, das viele Freunde von schwarzem Tee ebenfalls kennen.

Tannine

Da bei Rotweinen der Most den alkoholischen Gärprozess fast immer mit Schalen und Kernen durchläuft, erhält der fertige Wein stets auch Tannine.

Wie kommen Tannine in den Wein?

Wie gesagt enthalten vor allem Schalen, Kerne und Stängel der Trauben Tannine. Da der Most von roten Trauben den alkoholischen Gärprozess eigentlich immer mit Schalen und Kernen durchläuft, erhält der fertige Wein dadurch nicht nur rote Farbstoffe, sondern eben auch Gerbstoffe. Manche Rotweine werden sogar aus Trauben hergestellt, die nicht entrappt werden, also noch die Stiele enthalten. Dies führt in der Regel zu einem noch höheren Tanningehalt.

Doch der entscheidende Faktor für den Tanningehalt ist die verwendete Rebsorte. Denn unter den vielen roten Rebsorten gibt es große Unterschiede. Diese begründen sich vor allem durch die Schalendicke sowie dem Verhältnis zwischen Fruchtfleisch und Kernen. Will meinen, dass besonders kleine Trauben in der Regel auch mehr Tannine haben. So entstehen aus Rebsorten wie Nebbiolo und Monastrell eher tanninreiche Weine. Pinot Noir oder Zweigelt stehen dagegen für Weine mit niedrigem Gerbstoffeindruck. Das „Tanninmonster“ schlechthin sind im Übrigen Weine aus der Rebsorte Tannat. Die vor allem im südwestfranzösischen Madiran beheimatete Rebsorte bekam vermutlich genau deswegen ihren Namen.

Aber nicht nur die Beeren selbst sorgen für Tannine im Wein. Denn wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, erinnert sich, dass auch Holz Tannine enthält. So sorgt der Ausbau von Wein in Holzfässern für eine zusätzliche Portion Tannin im Wein. Insbesondere bei brandneuen Holzfässern ist dieser Einfluss sehr spürbar. Allerdings ist dieses Thema nicht ganz einfach, denn eine lange Zeit im Fass sorgt wiederum dafür, dass die im Wein enthaltenen Tannine weicher und geschmeidiger werden.

Tannine

Tannine besitzen nicht nur eine antioxidative Wirkung, sondern verbessern auch die Lagerfähigkeit von Weinen.

Sind Tannine im Wein gut oder schlecht?

Diese Frage lässt sich natürlich nicht pauschal antworten. Schlichtweg, da es Weinfreunde gibt, die auch nach dem Lesen meiner Ausführungen keine Fans von tanninreichen, „zu trockenen“ Weinen werden.

Allerdings steht fest, dass Tannine eine antioxidative Wirkung haben. Und die positiven Auswirkungen von Antioxidantien auf den menschlichen Körper sind ja weithin bekannt. In Bezug auf die Lagerfähigkeit von Weinen bedeutet dies zudem, dass Tannine die Haltbarkeit von Weinen verbessern.

Die gute Nachricht für alle Tanninskeptiker ist in diesem Zusammenhang, dass der Reifeprozess die Tannine über die Zeit „abschleift“, den Wein gefälliger und seidiger macht. Dies bedeutet gleichzeitig, dass besonders hochwertige Weine nicht selten in jungen Jahren noch über sehr adstringierende Tannine verfügen, die erst nach einer gewissen Reifezeit – nicht selten fünf bis zehn Jahre – keine dominierende Rolle mehr spielen.

Tannine

Nicht die Tannine im Wein sind an Kopfschmerzen am nächsten Tag schuld, sondern nur übermäßiger Weinkonsum. Allerdings können Tannine einen negativen Einfluss auf Allergiker haben.

Bekommt man von Tanninen Kopfschmerzen?

Da halte ich es mit einer simplen Feststellung: Das Einzige was ganz sicher für Kopfschmerzen sorgt, ist übermäßiger Weinkonsum. Wissenschaftliche Studien hingegen konnten bisher nicht belegen, dass Tannine ein Auslöser für Kopfschmerzen oder Migräne sind. Es sei denn, es liegt eine explizite Allergie vor, die aber nur sehr selten vorkommt. Und dann gilt es nicht nur den Weinkonsum einzuschränken. Auch Kaffee, Tee, Schokolade, Nüsse und Apfelsaft sollten dann aufgrund ihres Tanningehalts nur noch in Maßen konsumiert werden.

Tannine

Im Weißwein sind Tannine dagegen kaum präsent. Allerdings sorgt der Ausbau in Holzfässern für eine leichte Gerbstoffpräsenz.

Gibt es Tannine auch in Weißweinen?

Ein spürbarer Tannineindruck ist in Weißweinen nur selten zu finden. Denn selbst ein körperreicher Weißwein wird in der Regel ohne Schalen oder Kerne vinifiziert. Der Ausbau in (neuen) Holzfässern sorgt allerdings auch bei Weißweinen für eine gewisse, aber immer moderat ausfallende Tanninpräsenz. Doch es geht auch anders: Wenn Weißwein wie ein Rotwein hergestellt wird – also mehrere Tage Kontakt mit Schalen und Kernen hat – enthält er natürlich auch merklich Tannine. Unter dem Namen „Orange Wine“ liegen diese sehr konzentrierten, schon häufig orangefarbenen Weißweine bei so manchem Weinfreund voll im Trend.

Tanningehalt der Rebsorten:

Die tanninreiche Rebsorte Tannat aus argentinischen Weinregionen kommt fruchtiger daher als französische Tannat-Weine aus dem Madiran, doch lässt der Tanningehalt keine Zweifel an der Rebsorte aufkommen. Besonders toll zu Schmorgerichten und Hartkäse.

Tannine

Weine der Rebsorte „Malbec“

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