Die Punkte bitte: Die wichtigsten Weinführer
Am 5. April 2017 · von Sven ReinboldWeinführer bieten eine willkommene Hilfestellung, wenn es darum geht, gute oder gar exzellente Weine zu finden. Doch welcher „Wine Guide“ ist der beste Ratgeber? Wir haben Weinfreund Sven gebeten, uns zunächst die besten Weinführer aus den großen europäischen Weinländern vorzustellen.
Irgendwann bricht sie in uns allen durch: die Lust auf neue Weine und auf das Entdecken noch nicht getrunkener, besonderer Tropfen. Doch angesichts der Vielfalt in der internationalen Weinwelt, fällt es gar nicht so leicht ins Unbekannte aufzubrechen und den richtigen Wein auszusuchen. Da versprechen klare Punktwertungen und Symbole wie Sterne und Trauben, Gläser und Flaschen eine einfach zu verstehende Orientierungshilfe. Aber auf welchen der Weinkritiker, auf welche Weinbibel sollen wir dabei setzen?
Fachurteil und Verkaufsargument
Auf jeden Fall ist ein kritischer Umgang mit allen Weinführern zu empfehlen. Selbst wenn es sich um erfahrene Verkostungsprofis handelt, die sich mitunter seit Jahren mit einzelnen Regionen und Rebsorten beschäftigen, folgen letztlich auch sie einem Idealbild von Weinstilistik, haben Vorlieben, die sich in den Bewertungen ausdrücken.
Zu bedenken bleibt ebenso, dass die Bewertungen der Weinführer mittlerweile gern als Verkaufsargument verwendet werden. Wer kennt sie nicht, die Werbeanzeigen, die X Punkte für nur Y Euro anpreisen? Das mag dann schon manchmal etwas beliebig wirken. Um so wichtiger ist es zu wissen, wie die Noten für die Weine zustande kommen. Handelt es sich immer um eine Blindverkostung von Experten? Werden die Weine nur einmal oder mehrfach verkostet? Spielt eigentlich auch der Preis bei der Beurteilung eine Rolle? Um etwas Licht ins Dunkel der Weinführer zu bringen, möchte ich einige der wichtigsten kurz vorstellen.
Weinführer in Deutschland
Der Gault Millau Wein Guide Deutschland ist ein Ableger des französischen Originals, das erstmals 1993 erschienen ist. Für die Bewertung der Weine verwendet der deutsche Gault Millau die 100-Punkte-Skala und die Leistung der Weingüter drückt sich in der Vergabe von Trauben aus. Fünf Trauben stehen für Weltklasse, vier Trauben für die besten deutschen Weingüter und eine Traube bezeichnet ein Weingut, das „zuverlässige“ Qualität liefert.
Die Verkostungen durch die Jury erfolgen nicht blind, jeder Kritiker weiß also, was er gerade im Glas hat. Das tut dem hohen Stellenwert des Gault Millau Wein Guide besonders unter Winzern keinen Abbruch. Bei ihnen ist das Urteil das Weinführers ebenso begehrt wie gefürchtet, da der Gault Millau – wie sein französisches Gegenstück – um deutliche Worte nicht verlegen ist.
Die gleiche Skala von maximal 100 Punkten für einen „perfekten“ Wein findet sich auch im Weinführer von Gerhard Eichelmann. Eichelmann Deutschlands Weine erscheint jährlich neu und behandelt rund 1.000 Weingüter und etwa 10.000 Weine. Wie der Gault Millau erhalten auch die Weingüter eine Benotung, die im Eichelmann ein bis fünf Sterne symbolisieren. Das Team aus fünf Autoren verkostet die Weine grundsätzlich blind und mehrfach, was bislang unbekannten Weingütern mehr Chancen einräumt, im Weinführer aufgenommen zu werden.
Weinführer in Österreich
Bekannt ist Falstaff zunächst als Gourmet-Magazin, das sich auch intensiv mit Weinen beschäftigt. Daraus hervorgegangen ist der Falstaff Weinguide, der sich in erster Linie Weingütern und Weinen aus Österreich widmet, aber ausgesuchte internationale Weine verkostet. Für die Bewertung der Weine greift der Falstaff auf die 100-Punkte-Skala zurück, die Weingüter werden mit eins bis fünf Sternen benotet – durchaus vergleichbar dem Gault Millau und dem Eichelmann.
Die Verkostung und Beschreibung der Weine erfolgte anfangs allein durch den Chefredakteur Peter Moser, der sich inzwischen aber mit renommierten Sommeliers und Weinautoren Verstärkung besorgt hat. Die Auswahl der Weingüter wird mitunter kritisiert, da die Winzer eine Gebühr für die Aufnahme in den Weinführer zahlen, was die Ergebnisse am Ende verzerre. Seit 2013 gibt der Falstaff übrigens auch einen deutschen Wein Guide heraus.
Von Falstaff prämierte Weine
Weinführer in Frankreich
Die Zahl der Weinführer – wen mag es wundern – ist in Frankreich deutlich größer. Beginnen wir mit dem Guide Hachette des Vin, der als besonders unabhängig gilt, weshalb seine Bewertungen hoch geschätzt werden. Bereits seit über 30 Jahren erscheint dieser Weinführer, der mit einem einfachen Bewertungssystem von ein bis drei Sternen arbeitet. Eine Besonderheit des Guide Hachette ist der „Coup de Cœr“, eine Weinempfehlung die quasi die Herzen aller Weinfreunde bricht. Darunter finden sich oft eher preisgünstige Weine, also eine wahre Empfehlung für erste Neuentdeckungen in der französischen Weinwelt.
Unbedingt zu erwähnen ist natürlich der Gault Millau, der seit ein paar Jahren nur noch online verfügbar ist. Der französische Gault Millau verwendet die klassische, ältere 20-Punkte-Skala und lebt von der Autorität des Chef-Verkosters Pierre Guigui, der beispielsweise recht früh biologisch und biodynamisch hergestellten Weinen große Aufmerksamkeit entgegengebracht hat. Der Gault Millau legt hohen Wert auf Weine, in denen sich das Terroir und die Rebsorten besonders authentisch ausdrücken.
Seit knapp 90 Jahren beobachtet und kommentiert die Revue du Vin de France das Weingeschehen in Frankreich. Aus der einflussreichen Zeitschrift sind gleich zwei Weinführer hervorgegangen: der „Guide des meilleurs vins de France“ und der „Guide des meilleurs vins de France à moins de 20€ !“. Beide Wein Guides drücken ihre Urteile in der 20-Punkte-Skala aus, zudem wird die Qualität des Weinguts mit ein bis drei Sternen angegeben. Wie in den meisten Weinführern gibt es auch in den beiden Veröffentlichungen der Revue du Vin de France weiterführende Information über die Anbaugebiete und Jahrgänge. Zum Herantasten an neue Entdeckungen eignen sich beide Weinführer, für weniger erfahrene Weinfreunde empfiehlt sich der „Guide des meilleurs vins de France à moins de 20€ !“, quasi als „Einstiegsdroge“.
Jahrelang verantworteten Michel Bettane und Thierry Desseauve die Weinkritik der Revue du Vin de France, bis sie 2004 nach fast 20 Jahren das Magazin verließen – und ihren eigenen Weinführer veröffentlichen. Das Renommee der Top-Weinkritiker strahlt nun vom Bettane & Desseauve ab. Der Kenntnisreichtum von Bettane und Desseauve zeigt sich nicht nur im Umfang des Weinführers. So werden in der aktuellen Ausgabe immerhin 50.000 Weine besprochen. Der Bettane & Desseauve arbeitet mit der 20-Punkte-Skala, die Bewertung der Weingüter drückt sich in ein bis fünf Sternen aus. Des weiteren kürt der Weinführer auch besonders gute Weine einer Appellation – was nicht unbedingt besonders „teure“ Weine meint.
Weinführer in Italien
Geht es um Ansehen und Auflage, kommt in Italien keiner am Gambero Rosso vorbei. Bald 30 Jahre lang unternimmt der Weinführer das ehrgeizige Unterfangen, jede Ausgabe komplett neu zu überarbeiten. Das heißt im Klartext: rund 1.000 Druckseiten für mehr als 2.300 Weingüter und knapp 20.000 Weinen. Das Bewertungssystem erinnert an das Vorgehen des Guide Hachette des Vin aus Frankreich und ist mit ein bis drei Gläsern sehr übersichtlich gehalten.
Der Gambero Rosso will natürlich nur „gute“ Weine besprechen, deshalb ist schon ein Glas eine Auszeichnung für Wein und Winzer. Zwei Gläser stehen für „sehr gute“ und drei Gläser für „außergewöhnliche“ Weine. Inzwischen gibt es auch zwei rote Gläser – das sind Weine, die in der Endauswahl für eine drei Gläser-Note standen, sich aber nicht durchsetzen konnten. Spannend für den Weinfreund ist die gesonderte Auswahl von drei Gläser-Weinen, die für unter 15 Euro verkauft werden. Der Gambero Rosso ist auch in einer deutschsprachigen Auflage erhältlich.
Der Aufsteiger unter den italienischen Weinführern ist der Vini d’Italia dell’Espresso. Erstmals 2002 erschienen wird seine Weinkritik mittlerweile ebenso geschätzt wie die des Gambero Rosso. Der Vini d’Italia wird vom L’Espresso Verlag herausgeben, zu dem die Tageszeitung „La Republica“ zählt wie auch das namensgebende Wochenmagazin „L’Espresso“. Ein Team von Weinexperten nimmt sich in Blindverkostungen jährlich bis zu 25.000 Weine vor. Die Bewertung der Weine erfolgt in Form von einer bis fünf Flaschen, zusätzlich wird die Qualität der Weine und die Beständigkeit ihres Stils mit einem bis drei Sternen gemessen. Dabei scheut der Vini d’Italia keine unpopulären Urteile und überrascht gelegentlich mit weniger bekannten Außenseitern.
Weinführer in Spanien
Der Guía Peñín, benannt nach dem Weinkritiker José Peñín, erschien erstmals 1990. Zwar hat sich die oberste Weininstanz Spaniens mittlerweile weitgehend aus der Verkostungsarbeit zurückgezogen, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass entsprechend kompetenter Nachwuchs zum Zuge kommt. Neben der reinen Weinqualität spielt im Guía Peñín auch das Preis-Genuss-Verhälnis eine Rolle beim Bewerten.
Die Verkostung der Weine nehmen die Experten getrennt vor, anschließend werden die Bewertungen abgeglichen und bei Uneinigkeit eventuell gemeinsam nachverkostet. Für die Bewertung verwendet der spanischen Weinführer die 100-Punkte-Skala. Die „Ausnahmeweine“, die mit 95 bis 100 Punkten dotieren, sind dem Guía Peñín immer auch Ausnahmen vom Mainstream des internationalen Geschmacks – was nicht immer alle überzeugt.
Der andere große Name der spanischen Weinkritik ist Andrés Proensa und nach ihm ist der zweite wichtige Weinratgeber benannt, der Guía Proensa de los mejores vinos de España. Seit 2000 erscheint der Guía Proensa jährlich und überrascht Weinfreunde und Winzer immer wieder mit seinen Bewertungen. Zwar greift auch er auf die 100-Punkte-Skala zurück, nutzt diese aber in den höheren Punktbereichen viel meinungsfreudiger aus. So erhalten im Guía Proensa nicht nur die üblichen Verdächtigen aus dem höherem Preissegment 100 Punkte, sondern es finden sich auch Weine, die nur 20 Euro kosten, im Club der 100er.
Die beiden Punkte-Skalen
Die ganzen Punkte helfen gar nichts, wenn man nicht einschätzen kann, für welche Qualität eine Zahl steht. Um dafür ein Gespür zu bekommen, sollte man einfach mal einen Punkte-Wein aufmachen und seinen persönlichen Eindruck mit der vergebenen Punktzahl und der Weinbeschreibung abgleichen. Noch besser geht dies gemeinsam mit anderen Weinfreunden, um sich direkt zu den Weinen auszutauschen.
Bei der 20-Punkte-Skala werden Farbe, Klarheit, Geruch, Geschmack und Gesamteindruck einzeln bewertet und die erreichte Punktzahl dann addiert. Für die Farbe und Klarheit gibt es jeweils maximal zwei Punkte, für den Geruch vier und den Geschmack sieben Punkte. Für den Gesamteindruck des Weines werden zusätzlich maximal 5 Punkte vergeben. Praktisch relevant wird es jedoch erst über zehn Punkten. Im Bereich zwischen 12,5 und 14 Punkten finden sich gute Weine, sehr gute Weine erhalten 14,5 bis 16,5 Punkte, dann folgen noch die herausragenden Weine (17-18,5 Punkte) und die Weine, die man einfach nicht besser machen kann (19-20 Punkte)
Bei der von 50 bis 100 Punkte reichenden Skala, beginnt der Spaß für Weinfreude ungefähr bei 80 Punkten. Weine mit 85 bis 89 Punkten gelten als „sehr gut“, 90 bis 94 Punkte stehen für „hervorragende“ Weine, die zu den besten ihrer Art zählen. Zwischen 95 bis 99 Punkten versammelt sich dann die Spitzenweine mit Weltklasse-Format, also Weine mit nicht zu übertreffender Harmonie und Komplexität, die absolut reintönig sind.
Stellt sich nun noch die Frage, wie man die beiden Skalen vergleichen will. Das ist ein heftig umstrittenes Terrain, aber ungefähr so könnte die Gegenüberstellung so aussehen:
20-Punkte Skala 100-Punkte-Skala
7 60
8 70
11 80
14 85
17 90
19 96
20 100
Internationale Größen
Natürlich dürfen in einer solchen Übersicht die bekannten Größen wie Robert Parker, Stephen Tanzer, James Suckling oder Jancis Robinson nicht fehlen. Sie geben im internationalen Maßstab klar den Takt vor und glänzen jeweils mit einer treuen Anhängerschaft. Mit ihren Namen verbinden sich die großen Weinpublikationen wie The Wine Advocate (Robert Parker), Wine Spectator und Vinous (USA) sowie Decanter und Jancis Robinson (Großbritannien). Allein dies würde den Beitrag komplett sprengen und soll daher einem eigenen Artikel vorbehalten sein.