Piwi: Reben für den Widerstand

Gesunde Trauben in voller aromatischer Pracht, ohne dass zu Kupfer, Schwefel oder Chemie gegriffen werden muss, weil Pilze und Schädlinge die Reben attackieren. Sven Reinbold über die hehre Mission der Piwis, der pilzwiderstandsfähigen Rebsorten.

Piwi klingt niedlich und lässt viele Assoziationen zu, aber nicht unbedingt die von Wein. Dabei geht es bei Piwi genau darum. Hinter dem Kunstwort verbergen sich nämlich die, „pilzwiderstandsfähigen Rebsorten“. Das wiederum klingt in den Ohren von Weintrinkern überhaupt nicht niedlich und sympathiegewinnend – weshalb die heiter wirkende Abkürzung plötzlich doch Sinn macht. So wundert es wenig, dass Rebsorten wie Cabernet Blanc, Regent und Monarch – um noch die bekanntesten zu nennen – den wenigsten schon mal untergekommen, sprich ins Glas gekommen sind. Um sich das Fremdeln mit den Piwis abzugewöhnen, richtet sich der Blick zunächst weg vom Glas und hinein in den Weinberg.

Phylloxera-Katastrophe: alles dahin

Nur zur Erinnerung. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus die Rebflächen in nahezu ganz Europa in Angriff nimmt, ist dies allerorten für die Winzer eine Katastrophe. Abhilfe schafft damals – und bis heute – der Blick über den großen Teich. Da die Wurzeln der amerikanischen Vitis-Gattungen resistent, also widerstandsfähig, gegen den Befall von Phylloxera sind, pfropft man auf amerikanische Wurzel europäische Reben. Zur Bewältigung der Reblaus-Katastrophe sind die amerikanischen Wurzeln sehr willkommen, als echte Weinreben sind sie es ganz und gar nicht. Schlechte Aromatik heißt es, mit dem Hang zu einem unangenehmen Fehlton.

Auch die Kreuzungen mit den Amerikareben sind nicht gern gesehen, Länder wie Frankreich, Italien und Spanien verbieten sie sogar. In manchen Ecken der europäischen Weinwelt haben sie jedoch überlebt. So zum Beispiel im österreichischen Uhudler, der sich gerade wegen des amerikanischen Einflusses zum geschätzten Kuriosum entwickelt hat. Doch das ist eine Geschichte für sich.

Piwi und amerikanische Reben

Der Kritik an den aromatischen Qualitäten zum Trotz, bleibt das Interesse an den pilzresistenten Eigenschaften der Reben ungebrochen groß. Gerade in nördlichen Weinregionen mit mehr Feuchtigkeit stellen der Befall mit Pilzen und andere Schädlinge ein Problem dar. Die Krankheiten bedrohen den Ertrag eines Jahres und trüben die Qualität der Weine. Also wird gegengesteuert und das heißt im sanftesten Fall Kupfer, aber noch viel öfter Chemie. Dabei ist diese Lösung auf Dauer gar keine, so dass die Idee, mit neuen Kreuzungen widerstandsfähigere Reben mit eigener Aromatik zu finden, nie ganz aufgegeben wird. Das ist letztlich der Beginn der Piwi-Bewegung. Man will durch klassische Kreuzung – keine Gentechnik – neue, bessere Sorten entwickeln.

Reblaus

Anfänglich waren nur amerikanische Reben resistent gegen die Reblaus. Mittlerweile gibt es mehr einzelne Rebzüchter und auch staatliche Organisationen wie das Weinbauinstitut Freiburg.

Zu Beginn kommen ausschließlich die amerikanischen Reben zum Zuge. Mittlerweile gibt es aber auch Versuche mit asiatischen Reben, auch wenn das im Weinland China selbst keinen interessiert. Treiber der Bewegung sind einzelne Rebzüchter, aber auch staatliche Organisationen züchten und erproben beständig neue Reben. In Deutschland ist dies vor allem das Staatliche Weinbauinstitut Freiburg.

Fox-Ton: Weinfehler mit Vorurteil

Eigentlich sind Neuzüchtungen in der Weinwelt nichts Neues. Ein schneller Siegeszug ist jedoch den wenigsten vergönnt, wie das Beispiel der so gern unterschätzten Scheurebe zeigt. Den Kreuzungen mit amerikanischen Reben hängt zudem lange das Vorurteil nach, nur zu gern einen besonderen Fehlton in den Wein zu bringen.  Der sogenannte Fox-Ton wird als unangenehmer Geruch von nassem Fuchsfell beschrieben. Das will natürlich keiner an der Nase kredenzt bekommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Weinfehlern, wird der Fuchs-Ton speziell den amerikanischen Reben zugewiesen.

Dem „Fuchs“ ist man damit auf die Schliche gekommen, dass vermehrt europäische Reben eingekreuzt hat, um ihre aromatischen Vorteile auszuspielen. So wird die Piwi-Sorte Regent mit Lemberger zum Reberger vereint. Klingt einfach, kann aber wie beim Cabernet Cantor auch mal komplizierter ausfallen. Diese Rebsorte wird als Kreuzung Seibel 70-53 x [(Merzling x (Zarya severa x Muskat Ottonel)] beschrieben.

Spurensuche im Sortiment

Ausgesprochen spärlich fällt auch die Suche im Weinfreunde-Shop. Dort gibt es von MEJS eine Rosé Cuvée mit Regent neben Dornfelder, Spätburgunder, Portugieser, Schwarzriesling, St. Laurent und Acolon. Ein Volltreffer ohne Promille ist der „Jederzeit alkoholfrei“. Der Wein vom Neuspergerhof besteht zu 100% aus Cabernet Blanc. Zugegeben, da besteht noch Nachholbedarf.

Bleibt abzuwarten, ob der ökologische Vorteil – weniger externer Pflanzenschutz – oder sogar der Klimawandel dafür sorgen, dass mehr Piwi-Sorten den Weg in die Weinberge und unsere Weinflaschen finden. Solange sie auch mit Qualität überzeugen, kann man solche Unternehmungen nur gut finden.

Jederzeit alkoholfrei (Bio)
Wein aus Piwi Trauben
Neuspergerhof
Jederzeit alkoholfrei (Bio)
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